Neandertaler
Der Neandertaler (lateinisch: Homo neanderthalensis, früher Homo sapiens neanderthalensis) ist ein ausgestorbener Verwandter des modernen Menschen (Homo sapiens). Beide Menschenarten haben den gleichen Vorfahren. Nämlich den aus Afrika stammenden Homo erectus. Als direkter Vorfahre des Neandertaler wird der Homo heidelbergensis (Heidelbergmensch) erwähnt, welcher sich aus Homo erectus entwickelte. Zusammen mit seinen Vorfahren wird der Neandertaler zur Gruppe der Frühmenschen gezählt, welche sich von den Urmenschen unterscheiden lassen.
Eine gewisse Zeitspanne lang lebten Neandertaler, Jetztmensch, Homo erectus, Heidelbergmensch, Denisova-Mensch und Floresmensch parallel zueinander. Am Ende der Altsteinzeit (vor 12.000 Jahren) war nur noch der Jetztmensch übrig. Alle anderen Menschenarten waren bereits ausgestorben. Dennoch gilt der Neandertaler als sehr junge Menschenart, da dessen Aussterbezeitpunkt erst 40.000 oder 30.000 Jahre zurückliegt.
Inhalt
- 1 Steckbrief
- 2 Was bedeutet Neandertaler
- 3 Wer waren die Neandertaler
- 4 Nach wem ist der Neandertaler benannt
- 5 Wer fand den ersten Neandertaler
- 6 Auf welchen Zeitgeist stieß der Neandertaler-Fund
- 7 Welche Folgen hatte der erste Neandertaler-Fund
- 8 Wann lebten die Neandertaler
- 9 Sind die Neandertaler unsere Vorfahren
- 10 Wie unterschiedlich waren Jetztmensch und Neandertaler
- 11 Waren Adam und Eva auch Neandertaler
- 12 Wer waren die Vorfahren des Neandertalers
- 13 Wo lebten die Neandertaler
- 14 Konnten Neandertaler sprechen
- 15 Welche Werkzeuge und Waffen hatten Neandertaler
- 16 Welche Kleidung hatten die Neandertaler
- 17 Welche Kunst hatten die Neandertaler
- 18 Waren Neandertaler blutrünstige Kannibalen
- 19 Waren Neandertaler stärker
- 20 Waren Neandertaler schlauer
- 21 Warum sind die Neandertaler ausgestorben
- 22 Wieso konnten sich Neandertaler und Jetztmensch paaren
- 23 Warum existieren Vorurteile gegenüber dem Neandertaler
- 24 Literatur
Steckbrief
Neandertaler | |
Erstes Auftreten: | Pleistozän vor 230.000 oder 130.000 Jahren |
Aussterben: | vor etwa 40.000 oder 30.000 Jahren |
Lebensraum: | Europa, Kleinasien, Vorderasien |
Vorfahren: | Heidelbergmensch (Homo heidelbergensis) aus der europäischen Homo erectus Linie |
Nachfahren: | keine |
Systematik | |
Ordnung: | Primaten (Primates) |
Überfamilie: | Menschenartige (Hominoidea) |
Familie: | Menschenaffen (Hominidae) |
Unterfamilie: | Homininae |
Tribus: | Hominini |
Gattung: | Homo |
Art: | Homo neanderthalensis |
Körperliche Merkmale: | |
Körpergröße: | 1,60 m bis 1,77 m |
Gewicht: | 60 bis 80 kg |
Gehirnvolumen: | 1600 bis 1750 cm³ |
Körperbau: | untersetzt, kräftig und muskulös |
Lebensweise: | |
Nahrung: | Pflanzen, Wurzeln, Tiere |
Lebensweise: | Großwildjäger, in Gruppen lebend, Kunst- und Kulturschaffend |
Steinwerkzeuge: | ja - Keilmesser als Weiterentwicklung des Fauskeils |
Waffen: | Steinzeitwaffen wie Langspeer, Steinmesser und Geröllkeule |
Feuerbeherrschung: | ja |
Sprachentwicklung: | vermutlich |
Besondere Merkmale | |
Benutzte Werkzeuge, entwickelte den Faustkeil zum Bockmesser und Keilmesser weiter | |
erste Menschenart, welche Kultur (Kunst) schuf |
Was bedeutet Neandertaler
Der Artname des Neandertalers geht auf den ersten Fundort eines Exemplars zurück. Dessen fossilen Überreste wurden 1856 im Neandertal (Nordrhein-Westfalen, Deutschland) gefunden, weshalb man die lateinische Bezeichnung „neanderthalensis“ wählte. Übersetzt bedeutet der Artname: Mensch aus dem Neandertal.
Das „Th“ im Neanderthalensis geht auf die Altdeutsche Schreibweise zurück, wonach Tal als Thal geschrieben wurde. Demnach wurde 1856 (Fundjahr) das Neandertal als Neanderthal geschrieben. Diverse Rechtsschreibreformen später verschwand das „h“ aus der deutschen Bezeichnung, blieb aber im internationalen Artnamen (lateinischen) erhalten.
Früher bezeichnete man den Neandertaler noch als Homo sapiens neanderthalensis und den Jetztmensch als Homo sapiens sapiens. Denn man ging davon aus, dass sowohl der Jetztmensch als auch der Neandertaler zwei Unterarten des Homo sapiens sind.
Heute weiß man, dass beide eigenständige Menschenarten sind bzw. waren, weshalb die Unterarten-Taxonomie überflüssig und falsch ist. Dennoch bestand dieser Irrtum bis in die 1970-er Jahre. Und auch heute noch findet man in alten Geschichtsbüchern den Jetztmensch als Homo sapiens sapiens anstelle von Homo sapiens.
Wer waren die Neandertaler
Der Neandertaler war eine Menschenart, welche mit dem Jetztmenschen zeitgleich existierte. Im Stammbaum der Menschheit waren die Neandertaler nicht die Vorfahren des modernen Menschen, sondern lediglich eine zweite Menschenart, welche parallel existierte.
Nach wem ist der Neandertaler benannt
Der Neandertaler ist nach dem Neandertal benannt. Und dieses Tal, welches sich zwischen Erkrath und Mettmann erstreckt, hieß bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch Hundsklipp oder das Gesteins.
Mit Pferdewagen reisten die Menschen aus Düsseldorf, Erkrath, Mettmann und Umgebung an, um im Geisteins einfach nur wandern zu gehen. Das Kalksteintal galt als Ort der Muße, der Lyrik und Maler kamen, um die idyllischen Kalksteinfelsen auf ihren Bildern festzuhalten. Rund ums Tal entstanden Gasthöfe, in welchen sich die Menschen stärkten, bevor sie ins Tal wanderten.
Einer dieser Wanderer war der Bremer Theologe und Kirchenlieddichter Joachim Neumann (1650 – 1680). Zwischen 1674 und 1679 war er Rektor der Düsseldorfer Lateinschule. Üblich war zur damaligen Zeit, dass man die Personen mit ihrem lateinischen oder griechischen Namen bezeichnete. Und Neander ist die griechisch-lateinische Übersetzung zu Neumann. Demnach war Joachim Neumann vielmehr als Joachim Neander bekannt.
Im Gesteins hielt Neander seine Predigten und Vorlesungen ab. Schon zu seinen Lebzeiten wurde der Kalkstein im Gesteins abgebaut bis am Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr viel übrig war. Im Volksmund verschwand der eigentliche Name und stattdessen nannten es die Städter fortan Neandersstuhl, Neandershöhle oder Predigterstuhl. Die offizielle Umbenennung erfolgte dann Mitte des 19. Jahrhunderts.
Wer fand den ersten Neandertaler
1856 fanden zwei Bergarbeiter im Kalksteinbruch des Neandertals die Gebeine eines menschlichen Skeletts. Doch zunächst dachte man, dass die Knochen von einem Höhlenbären stammen könnten.
Der Besitzer des Steinbruchs war Wilhelm Beckershoff. Und dieser übergab die Knochen an seinen Freund Johann Carl Fuhlrott. Nach Untersuchung der Gebeine stellte Fuhlrott eindeutig fest, dass die Knochen menschlich seien.
Aber Fuhlrott wollte eine zweite Meinung und zog die Bonner Professoren Hermann Schaaffhausen und Franz Josef Carl Mayer heran. Letzterer war Professor der Anatomie in Bonn gewesen und stellte fest, dass der ehemalige Besitzer der Gebeine sein ganzes Leben auf einem Pferd verbracht haben muss. Er ordnete das Skelett einem russischen Kosaken zu, welcher bei den Napoleonischen Befreiungskriegen (1813 – 1815) starb.
Trotz der Skepsis von Mayer ließen sich Fuhlrott und Schaaffhausen sich nicht beirren und stellten fest, dass das Skelett prähistorisch sein musste. Am 2. Juni 1857 präsentierten Fuhlrott und Schaafhausen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit ihre Erkenntnisse über den Neandertal-Fund. Mit dem Fund wurde die Paläoanthropologie als Wissenschaft geboren.
Auf welchen Zeitgeist stieß der Neandertaler-Fund
Der erste Neandertalerfund löste eine hitzige Debatte um die Stellung des Menschen aus. Denn als man 1856 das erste Fossil eines Neandertalers bei Mettmann (Neandertal) fand, herrschte in Europa ein christlich geprägtes Weltbild. Laut diesem Weltbild hatte Gott den Menschen am 6. Tag der Schöpfung erschaffen. Und der Mensch war ein Abbild Gottes.
Zwar hatte der Renaissance-Humanismus die Stellung des Menschen schon einmal neu verhandelt – aber lediglich den Menschen gottähnlicher werden lassen. Auch die Aufklärung, welche die Vernunft als oberste Tugend anpries, veränderte daran nichts. Denn man glaubte, dass der Mensch das einzig vernunftbegabte Wesen auf dem Planeten sein kann, da er dem Gottesabbild entspricht.
Bereits 1758, also rund 100 Jahre vor dem Fund, stellte Carl von Linne eine zoologische Systematik auf. Er verordnete den Menschen in eine Ordnung mit Halbaffen, Affen und Fledermäusen. Und er nannte die Ordnung „Herrentiere“ bzw. Primaten. Seine Zeitgenossen reagierten mit Empörung, schon deshalb – weil der Affe im Mittelalter als ein vom Teufel geschaffenes Zerrbild des Menschen galt.
Etwa hundert Jahre nach Linne, veröffentlichte Charles Darwin sein Werk über die Entstehung der Arten und deutete an, dass Licht auf den menschlichen Ursprung fallen werde („Light will be thrown on the origin of man and his history“).
In Deutschland waren es Carl Vogt und Ernst Haeckel, welche die Evolutionstheorie von Darwin aufgriffen und wissenschaftlich verbreiteten. Im Jahr 1863 behauptete Haeckel auf einem Vortrag, dass es ein evolutionäres Bindeglied zwischen Menschen und Affen geben würde, welches irgendwann gefunden wird.
Diesen Missing Link bezeichnete Haeckel als Pithecanthropus alalus (sprachloser Affenmensch). Aber Haeckel prophezeite, dass man weitere Puzzlestücke in Asien finden würde.
Welche Folgen hatte der erste Neandertaler-Fund
Das bei Mettmann gefundene Fossil eines Neandertalers wurde durch den Befund von Mayer herabgestuft. Eine Vielzahl von Wissenschaftlern ging davon aus, dass das Skelett nicht von einem Urmenschen, sondern von einem Korsar aus dem Napoleonischen Kriegen stammen müsse.
Ein prominenter Gegner der Urmenschendebatte war der Pathologe Rudolf Virchow. Er tat das Fossil als Einzelfall ab und behauptete: Solange man nicht weitere solcher Funde findet, bleibt der Neandertal-Fund eine merkwürdige Einzelerscheinung.
Und einen solchen Fund gab es bereits. Denn schon 1848 – also auch 8 Jahre vor dem Neandertalfund – wurde im Kalksteinbruch Forbes’ Quarry in Gibraltar ein Schädel gefunden. Dieser wurde der wissenschaftlichen Society von Gibraltar übergeben, welche den Schädel in ihrer wissenschaftlichen Sammlung als Kuriosum aufnahmen.
1863 besuchte der Zoologe George Busk das britische Überseegebiet Gibraltar und wurde auf den Schädel aufmerksam. Er untersuchte das Fossil und ordnete es zum Fund von Neandertal. Damit war bewiesen, dass das Fossil aus dem Neandertal keine Einzelerscheinung war. Der Schädel von Gibraltar wurde später auf ein Alter von 50.000 Jahren datiert.
Zur damaligen Zeit war ein weiterer Fund noch unrelevant. Und zwar fand der belgische Arzt Philippe-Charles Schmerling bereits 1829 – also 27 Jahre vor Neandertal – einen Schädel im belgischen Engis.
Er beschrieb das Fossil, wodurch dieses Werk als Erstbeschreibung eines Neandertalers gelten sollte. Aber von der wissenschaftlichen Gemeinschaft wurde dies nicht beachtet. Stattdessen wurde das Fossil von Engis als modern verklärt.
Mehr als hundert Jahre später (1936) wurde der Kinderschädel von Engis doch dem Neandertaler zugeordnet. Das Kind lebte vor etwa 70.000 Jahren.
Nachdem George Busk 1863 den Schädel von Gibraltar als urmenschlich einordnete, verstummten allmählich die Zweifler. Fortan suchte man zielstrebig nach dem Ursprungsort der Menschheit, welchen man zunächst in Asien vermutete. Doch prähistorische Funde zeigen, dass Afrika mehrfach Wiege der Menschheit war.
Wann lebten die Neandertaler
Die Neandertaler lebten vor etwa 130.000 Jahren und starben vor etwa 40.000 /30.000 Jahren aus. Der Grund für das Aussterben der Neandertaler ist nicht eindeutig geklärt. Es existieren dazu verschiedene Hypothesen, wie Epidemien, fehlende Jagdgrundlagen, keine Anpassungsmöglichkeiten auf veränderte Umweltbedingungen und weitere Gründe.
In der Erdgeschichte wird die Neandertalerzeit als Pleistozän bezeichnet. Dieses begann vor etwa 2,5 Mio. Jahren. Typisch für das Pleistozän sind die Wechsel von Warm- und Kaltzeiten. Die Neandertaler waren eine sehr robuste Menschenart, welche die Eiszeiten überleben konnte.
Sind die Neandertaler unsere Vorfahren
Nein. Denn die Vorfahren des modernen Menschen entstanden vor etwa 300.000 bis 200.000 Jahren in Afrika. Vor etwa 100.000 Jahren wanderten die ersten Jetztmenschen aus Afrika aus und gelangten in den Nahen Osten. Zu diesem Zeitpunkt existierte der Neandertaler bereits in Europa.
Demnach existierten Jetztmensch und Neandertaler parallel zueinander. Und sie waren nicht allein. Man geht davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt mindestens 3 weitere Menschenarten auf dem Planeten gelebt haben (Homo erectus, Homo floresiensis, Denisova-Mensch).
Als der Jetztmensch vor etwa 45.000 Jahren in Europa ankam, existierten dort noch immer die Neandertaler. Aber rund 15.000 Jahre später waren die Neandertaler ausgestorben.
Für die Zeitspanne, in welcher Neandertaler und Jetztmensch koexistierten, bezeichnet man den modernen Menschen auch als Cro-Magnon-Mensch. Diese Forscherkonvention geht darauf zurück, dass man bis in die 1970-er Jahre glaubte, dass Cro-Magnon-Menschen ein evolutionäres Bindeglied zwischen Jetztmensch und Neandertaler waren. Dies würde die Abstammungsthese stützen. Aber dies wurde bereits widerlegt.
Wie unterschiedlich waren Jetztmensch und Neandertaler
Zu den Unterschieden im geistigen Bereich existieren lediglich Hypothesen. Zwar hatten die Neandertaler ein ähnlich großes Gehirn wie Jetztmenschen, aber man weiß dennoch nicht hundertprozentig, zu welchen kognitiven Leistungen sie fähig waren.
Was man untersuchen kann, ist der genetische Unterschied zwischen beiden Menschenarten. Und das tat man 1997. Und zwar, indem man ein Stück Oberarmknochen vom Typusexemplar, welches man 1856 im Neandertal fand, entnahm und molekular untersuchte.
Das Forscherteam bestand aus Svante Pääbo, Matthias Krings und Ralf W. Schmitz. Herausgefunden hat man, dass die fossile Neandertaler-DNA zur DNA heutiger Menschen durchschnittlich 27 Abweichungen in ihren Basenpaarungen hat. Dies ist eine ganze Menge, wenn man bedenkt – dass sich heutige Menschen nur um etwa 6 bis 8 Basenpaarungen unterscheiden.
Und diese 6 bis 8 Basenpaarungen in der DNA-Sequenz bewirken, dass jeder Mensch unterschiedlich aussieht und sich in seinem Wesen unterscheidet. Man kann sich nun denken, was weitere 19 Veränderungen (27-8) ausmachen würden.
Waren Adam und Eva auch Neandertaler
In der Bibel werden Adam und Eva als Urmenschenpaar erwähnt. Enthalten ist die Erzählung im Buch Genesis der Bibel. Zwar ist hier die Rede von Urmenschen, gemeint sind aber die Stammeltern der heutigen Menschheit (Jetztmenschen). Demnach waren Adam und Eva die Urahnen der heutigen Menschenart (Homo sapiens, Jetztmensch).
Im Buch Genesis wird zwar die gesamte biblische Schöpfungsgeschichte (6 Tage Werk) behandelt, aber über Frühmenschen und Evolution steht dort kein Wort. Laut diesem Bericht schuf Gott den Menschen am sechsten Tag (aus dem Nichts) und krönte damit seinen Schöpfungsakt.
Wer waren die Vorfahren des Neandertalers
Die Vorfahren des Neandertaler waren vermutlich die Heidelbergmenschen (Homo heidelbergensis), welche vor 600.000 Jahren erstmalig auftraten und vor circa 200.000 Jahren ausstarben. Vermutlich bewirkte eine Klimaänderung, dass sich aus dem Heidelbergmensch der robustere Neandertaler entwickelte.
Die Heidelbergmenschen entwickelten sich in Europa aus einer ausgewanderten Afrika-Population des Homo erectus. Aus der in Afrika verbliebenen Population des Homo erectus entwickelte sich vor 300.000 bis 160.000 Jahren der Jetztmensch als Parallelspezies.
Wo lebten die Neandertaler
Dass die Neandertaler nur in Mitteleuropa vorkamen, ist ein Irrtum, welcher sich durch den ersten Neandertaler-Fund ergab. Das erste Fossil eines Neandertalers wurde 1856 in einer Kalkgrube nahe Düsseldorf gefunden. Da sich diese Kalkgrube im Neandertal befand, erhielt der Neandertaler seinen Namen. Lange nahm man an, dass die Neandertaler nur in Deutschland lebten. Doch weitaus mehr Funde wurden später in Frankreich und Spanien erschlossen.
Allerdings wurden später auch Funde in Vorderasien und Nordafrika gemacht. Da sich das Klima in der Steinzeit mehrfach änderte, geht man von großen Volkswanderungen aus. So besiedelten die Neandertaler in Warmzeiten auch Nord– , Mittel– und Westeuropa. In den Kaltzeiten zogen sich die Neandertaler nach Süden zurück, lebten auch im Nahen Osten, Anatolien und in den Shanidar-Höhlen im Irak. Die Shanidar-Überreste sind zugleich die einzigen Neandertalerfunde östlich des Jordans.
Konnten Neandertaler sprechen
(siehe auch Hauptartikel: Fragen und Antworten zur Entwicklung der Sprache in der Steinzeit)
1983 fand man in der Kebara-Höhle in Israel das Skelett eines Neandertalers, bei welchem das Zungenbein erhalten war. So ein Zungenbein ist ein Knochen, welcher notwendig ist, um die Zunge stabil zu halten, was die Grundlage für die Lautbildung ist. Man kann deshalb annehmen, dass Neandertaler zur Lautbildung fähig waren.
Ein weiteres Indiz, welches für eine Sprachentwicklung der Neandertaler spricht, ist die Mutation eines Gens, namens Forkhead-Box-Protein P2 (FOXP2). Dieses Gen veränderte sich vor rund 200.000 Jahren entscheidend. Und vermutlich konnten mehrere Menschenarten, neben dem Jetztmenschen, sprechen. Für Neandertaler und Homo erectus wird dies angenommen. Allerdings fand man nur beim Neandertaler auch in Zungenbein, welches notwendig ist – um den Stimmapparat eine gewisse Motorik zu versetzen.
Welche Werkzeuge und Waffen hatten Neandertaler
(siehe auch Haupartikel: 10 Werkzeuge der Steinzeit)
In der Steinzeit kannte die Menschen bereits Schlag-, Stich- und Fernwaffen. Die Schöninger Speere gelten als älteste Distanzwaffen der Welt. Die Menschenart, welche diese nutzte, waren die Heidelbergmenschen (Homo heidelbergensis). Diese gelten als direkte Vorfahren des Neandertalers. Demnach nutzten die Neandertaler – neben dem Keilmesser – auch Speere. Andere Waffen waren Steinaxt und Geröllkeule.

Der Chopper gilt als erstes Werkzeug der Menschheit. Dieses nutzten bereits die Urmenschen (Homo rudolfensis, Homo habilis). Erst die Frühmenschen (Homo erectus) entwickelten die Steinwerkzeuge entschieden weiter. Es entstand der Faustkeil als Universalwerkzeug der Steinzeit.
Die Neandertaler entwickelten dann eine neue Abschlagtechnik (Levalloistechnik), wodurch der Faustkeil noch weiter verfeinert wurde. Diese neuen Steinwerkzeuge wurden nach ihrem Fundort benannt (Abbevillien, Acheuléen, Micoquien, Moustérien). Demnach unterscheidet man auch bei den Neandertalern verschiedene Kulturen, je nach gefundenen Steinwerkzeug.
Welche Kleidung hatten die Neandertaler
Die typische Kleidung der Neandertaler bestand aus Fellen. Doch neben Pelzkleidung gab es auch Lederkleidung. Anhand von Oberarmknochen der Neandertaler lässt sich die Vermutung anstellen, dass diese einen Großteil ihrer Zeit mit Reinigen von Pelzen verbrachten. Sie waren demnach ausgezeichnete Kürschner, welche die Tierfelle reinigten – um aus Fell einen Pelz zu machen.
Welche Kunst hatten die Neandertaler
Die Cueva de La Pasiega ist eine Felsbild-Galerie in Spanien. Diese Galerie entstand vor etwa 65.000 Jahren in den Höhlen von Monte Castillo. Zu dieser Zeit waren die Neandertaler die einzige Menschenart in Europa. Denn die ersten Funde des anatomisch modernen Menschen tauchen erst vor 40.000 Jahren auf. Demnach wird angenommen, dass die Neandertaler die Erfinder der Höhlenmalerei waren.
In den Höhlen der Schwäbischen Alb kam eine ganze Künstlerkolonie zusammen, welche Tierfiguren schnitzen und erste Musikinstrumente entwarfen. Es ist unklar, ob diese Kleinkunst durch die Neandertaler oder durch die modernen Menschen entstanden.
Waren Neandertaler blutrünstige Kannibalen
Das Bild vom menschenfressenden Neandertaler kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. Denn zwischen 1899 und 1905 fand man Überreste von Neandertalern im kroatischen Krapina, welche auf Kannibalismus hindeuten.
Der Entdecker der Krapina-Höhlen war Dragutin Gorjanović-Kramberger. Und dieser erkannte deutliche Blessuren an den Krapina-Neandertalern. Um 1901 stellte Gorjanović-Kramberger die Hypothese auf, dass bei den Neandertalern von Krapina ein Kannibalismus möglich gewesen sein könnte.
Bruchstellen an Schädeln deuten darauf hin, dass das Gehirn entfernt wurde. Auch die Vermischung von Menschen- und Tierknochen galten als Indiz von Kannibalismus. Schnittwunden an den Knochen deuten zudem daraufhin, dass die Knochen durch Steinwerkzeuge entfleischt wurden.
Einige Forscher gehen deshalb davon aus, dass Kannibalismus, Skalpieren und Entfleischen postmortal (nach dem Tod) erfolgten. Andere Forscher sehen in den Schnittwunden ein symbolische Markierung, welche zu einem Neandertaler-Ritus gehörte – welcher unbekannt ist. Die Frage, ob die Krapina-Neandertaler tatsächlich Kannibalen waren, wurde bisher nicht eindeutig geklärt.
Waren Neandertaler stärker
Neandertaler waren etwas kleiner als heutige Menschen. Dafür waren sie aber massiver und gedrungener. Wohlmöglich hatten sie Arme, wie sie heutige Kraftsportler haben. Diese physische Stärke und Robustheit mussten sie auch mitbringen, denn sie überstanden immerhin zwei Eiszeiten. Und sie jagten echtes Großwild, wie Mammuts oder Bären. Dies erforderte nicht nur Kraft sondern auch Mut.
Homo sapiens spezialisierte sich stattdessen auf etwas kleinere Wildtiere, wie Rentiere. Deshalb konnten beide Menschenarten für eine gewisse Zeit auch in einer eigenen ökologischen Jagdnische koexistieren.
Bei sämtlichen Skeletten, welche man bei Neandertalern fand – waren Knochenbrüche erkennbar. Ein ähnliches Muster an Knochenbrüche findet man heute bei Stuntmans oder bei Rodeo-Reitern. Nur dass die Neandertaler nicht Pferde bestiegen, sondern gegen Mammuts kämpften. Die steinzeitlichen Eiszeitjäger waren demnach äußerst waghalsig, mutig oder vielleicht sogar übermütig.
Waren Neandertaler schlauer
Neandertaler hatten einen größeren Schädel als heutige Menschen. Daraus suggeriert man, dass dort ein größeres Gehirn hineinpasste. Die Angaben zum Gehirnvolumen des Neandertalers belaufen sich zwischen 1600 cm³ und 1800 cm³, was ähnlich groß wie beim Jetztmenschen bzw. sogar größer ist.
In einiger Literatur wird sogar erwähnt, dass das Gehirnvolumen des Neandertalers um 15 % größer war als jenes, welches in unseren Schädel steckt. Wenn wir also ein Riesenhirn haben, hatten Neandertaler wohlmöglich ein Megahirn.
Als man 1856 die Überreste des Neandertalers bei Mettmann fand, überlegte man sich einen Namen. Es wurde der Artname Homo stupidos (stupid = dumm) vorgeschlagen. Denn man glaubte, dass dieser Untermensch niemals über die Gedanken eines Tieres hinauskam.
Die Reputation, dass der Neandertaler nur ein dummer Barbar war – hält sich bis heute. Dieser Irrtum rührt daher, dass Religionen, Humanismus und auch die Aufklärung dazu beitrugen – dass der Jetztmensch sich als Krone der Schöpfung versteht. Deshalb versteht sich die Menschheit als gottähnlich. Und aus seiner Geschichte heraus – hängt der Mensch dem Monotheismus nach – wodurch ein zweiter Gott neben ihm nur schwer ertragbar ist.
Tatsächlich waren Neandertaler überaus schlau. Sie herrschten über das Feuer, konnten kochen, Kleidung herstellen und waren begabte Künstler. Denn auch die ersten Höhlenmalereien stammen vom Neandertalern. Darüber hinaus stellten sie Schmuck her und schnitzten Musikinstrumente aus Knochen. Selbst ihre Toten wurden beerdigt, weshalb man davon ausgeht – dass Neandertaler ein spirituelles Bewusstsein vom Jenseits und von Religion hatten.
Ob Neandertaler tatsächlich schlauer waren, lässt sich nur vermuten. Eine gewisse Zeitspanne lang, war dies sicher so. Aber Homo sapiens hatte wohlmöglich einen Vorteil gegenüber den Neandertaler, welcher sich erst Generationen später herausstellte. Und dies war soziale Intelligenz.
Warum sind die Neandertaler ausgestorben
Wenn Neandertaler stärker und schlauer waren als Jetztmenschen, bleibt die Frage offen: Wieso war der Jetztmensch die einzige Menschenart, welche am Ende der Altsteinzeit noch lebte?
Tja, diese Frage ist bis heute nicht eindeutig erklärt. Es existieren eine Vielzahl von Hypothesen, welche teilweise gegenläufig sind – aber dennoch ihre Berechtigung haben.
Zwei große Hypothesenlager kann man ausmachen. Das erste Lager schwört auf Verdrängung. Demnach kam der Jetztmensch, konnte sich besser anpassen – wodurch langfristig der Neandertaler verschwand. Das zweite Lage geht davon aus, dass sich Neandertaler und Menschen paarten und Kinder miteinander hatten.
Fakt ist: Als der Mensch vor etwa 45.000 Jahren in Europa ankam, waren Neandertaler die Herrscher des Kontinents. Etwa 15.000 Jahre später, waren sie ausgestorben. Und überall dort, wie die heutige Menschheit auftauchte- starb wenige Jahrhunderte oder Jahrtausende später die Megafauna (Großwild) aus. Bis heute hat der Mensch fast jede Tierart an den Rand der Ausrottung getrieben. Wohlmöglich liegt Ausrottung in der Natur des Menschen.
Verdrängung
Eine Hypothese, welche das Aussterben der Neandertaler erklären soll, ist die Verdrängungshypothese. Demnach kam Homo sapiens in den Nahen Osten (vor 100.000 Jahren) und nach Europa (vor 45.000 Jahren) und traf dort auf den Neandertaler. Man teilte sich den Lebensraum und die Nahrung.
In der Biologie gilt das Gesetz der Verdrängung. Das bedeutet: Wenn zwei Tierarten die gleiche ökologische Nische (Lebensraumnische, Nahrungsnische) besetzen, kommt es zum Konkurrenzkampf innerhalb der Nische und letztlich wird sich irgendwann eine Tierart durchsetzen. Die andere Tierart wird in eine andere Nische verdrängt oder ist zum Aussterben verdammt.
Doch der unterlegenden Tierart bleibt die Strategie der Einnischung. Man weicht also aus, indem man bspw. die Nahrungsnische am Tag verlässt und nachtaktiv wird. Solche Nischenprozesse fanden in der Evolution immer wieder statt – aber nicht beim Menschen. Der Neandertaler und der Jetztmensch teilten sich den gleichen Lebensraum, konkurrierten um eine Vielzahl an Nahrung und waren sich auch ansonsten sehr ähnlich.
Bessere Fruchtbarkeit
Angenommen wird, dass die Reproduktionsrate beim Sapiens höher war als beim Neandertaler. Dadurch waren irgendwann mehr Jetztmenschen in einem begrenzten Lebensraum als Neandertaler. Und diese Überzahl an Jetztmenschen bewirkte, dass sie den Neandertalern die Ressourcen (Nahrung, Verstecke usw.) nahmen – wodurch sich langfristig der Sapiens durchsetzen konnte.
Fehlende Nahrung
Ein weiterer Aspekt der Verdrängungshypothese ist, dass dem Neandertaler die Nahrungsquellen ausgingen. Diese lebten vom Großwild (Mammut, Bären) und Klimawandel, Konkurrenz zum Jetztmenschen bewirkten – dass ihnen irgendwann die Nahrung ausging.
Die Frage bleibt: Wieso soll dem Neandertaler die Nahrung ausgehen und dem Jetztmensch nicht?
Tja, der Jetztmensch war konditionell besser aufgestellt. Sein Lauffuß konnte aufgrund der längeren Achillessehne mehr Energie über den Fuß absorbieren, weshalb man zum Langstreckenlauf fähig war. Die robusteren Neandertaler konnten dies nicht.
Der Jetztmensch wurde zum Hetzjäger, welcher seine Beute einfach zu Tode hetzen konnte. Neandertaler mussten große Tiere erledigen, welche nicht wendig und schnell waren.
Laut dieser Hypothese konnte der Jetztmensch ganze Rentierrudel zu Tode hetzen, während der Neandertaler überfallartig ein Mammut erbeuten musste. Als die Mammuts verschwanden, schwand auch die Nahrungsquelle.
Krankheiten
Eine anderer Aspekt der Verdrängungshypothese geht davon aus, dass Homo sapiens in Afrika diversen Krankheiten ausgesetzt war. Diese rafften ihn massenweise dahin. Aber einige Exemplare überlebten und wurden irgendwann immun.
Als dann Homo sapiens in den Nahen Osten auswanderte, schleppte er die Krankheiten ein. Und da die Neandertaler kein Immunsystem hatten, welches diese Krankheiten kannte – starben sie reihenweise weg. Den Rest erledigte die oben beschriebene Phänomene der Verdrängungshypothese.
Weiterentwicklung
Homo sapiens kam zweimal in den Nahen Osten. Einmal vor 100.000 Jahren und dann noch einmal vor etwa 70.000 Jahren. Beim ersten Versuch Afrika zu verlassen, trafen die Sapiens im Nahen Osten auf Neandertaler. Schnell war klar, wer Herr im Haus ist und wenige Jahre später verschwanden die Sapiens aus dem Nahen Osten.
Irgendetwas ist aber in den nächsten 30.000 Jahren passiert. Denn als Homo sapiens vor 70.000 Jahren ein zweites Mal in den Nahen Osten kam, blieb er. Stattdessen verschwanden in der Folge die Neandertaler.
Auch hier ist sich die Forschung uneinig darüber, was da in Afrika mit dem Jetztmenschen geschehen ist. Die gängigste Theorie geht davon aus, dass sich neue kognitive Fähigkeiten beim afrikanischen Sapiens entwickelten, welche dazu beitrugen – dass er gegenüber dem Neandertaler überlegen war.
Mit Neuschaltung im Kopf kam Homo sapiens zurück, hatte bessere Argumente für sein eigenes Überleben und sorgte so dafür, dass der Neandertaler aussterben musste. Dieses Upgrade im Kopf heißt wohlmöglich Sozialkompetenz bzw. soziale Intelligenz (nächster Abschnitt).
Soziale Intelligenz
Da der Mensch bei der Neuschaltung im Kopf kein größeres Gehirn bekam, musste etwas Neues freigeschaltet worden sein. Viele Forscher glauben, dass dieses Upgrade die soziale Intelligenz war.
Intelligenz hat viele Facetten, welche bei räumlichen Denken beginnen, über planvolles Denken weitergehen und schließlich bei Merkfähigkeit enden.
Aber ganz so einfach ist nicht. Denn die wohl entscheidende Intelligenz beim Erfolg der Menschheitsgeschichte war die soziale Kompetenz. Das bedeutet: Der Mensch kann Beziehungen zu anderen Menschen eingehen, kann sich Beziehungen vorstellen, kann in verschiedenen Ebenen einer Beziehung denken, kennt Partner seines Gegenübers und weiß, wie der Gegenüber zu seinen Partner steht.
Dadurch konnte der Jetztmensch ein Netzwerk zu anderen Menschen aufbauen, was Arbeitsteilung und auch Erfahrungsteilung möglich macht.
Wenn früher ein Mensch das Rad erfand, wusste es danach jeder in seiner Umgebung. Eine zukünftige Generation musste das Rad nicht neu erfinden. Stattdessen hat man einfach die Erfahrung und Erkenntnis übernehmen dürfen.
Mit diesem Upgrade im Kopf wurde die biologische Evolution immer bedeutungsloser. Stattdessen setzte die kulturelle Evolution ein, wodurch die Menschheit nicht nur das Rad erschuf, sondern auch Atombomben, Nanotechnologie und Künstliche Intelligenz.
Homo puppy
Der Erfolgsautor Rutger Bregman stellt in seinem Buch „Im Grunde Gut“ ein Erfolgskonzept vor, welches an der sozialen Intelligenz der Menschheit ansetzt. Er bezeichnet den Jetztmenschen als Homo puppy (puppy = Puppe).
Laut Bregman erhielt die Menschheit als sie sich auf Sozialkompetenz spezialisierte, ein ganzes Paket an Veränderungen. Sie wurde nämlich zahm (puppy), sah freundlicher aus, wurde allgemein schwächer und verlor ihre Wildheit. Der Kopf wurde kleiner, die Wülste über den Augen verschwanden – wodurch das Gesicht des Jetztmenschen kindlicher, freundlicher und ungefährlicher wirkte.
Folgt man dieser Hypothese hatten liebenswürdige Menschen, denen man vertraute, es deutlich leichter im Steinzeitleben. Denn aufgrund ihrer liebenswürdigen Art und ihres freundlichen Auftretens, gepaart mit kindlichen Zügen – durften sie sich einfach öfter fortpflanzen.
Dadurch hatten sie mehr Nachwuchs als ihre wilden Brüder und Schwestern. Und viele Generationen später setzte sich Liebenswürdigkeit als generelle Eigenschaft der Art (Sapiens) durch. Schließlich waren die Sapiens, gegenüber Neandertaler, anschlussfähiger, gingen bessere Beziehungen ein, halfen einander und schafften so ihr Überleben.
Vermischung
Alle bisherigen Hypothesen sind alles Aspekte, welche die Verdrängungshypothese stützen. Aber es gibt noch eine zweite Hypothese, welche Beachtung findet. Und zwar die Vermischungshypothese.
Diese geht davon aus, dass sich Sapiens und Neandertaler tatsächlich näher kamen und gemeinsam Kinder zeugten. Da sich die heutige Menschheit als Krone der Schöpfung versteht – war diese Hypothese in der Vergangenheit zutiefst umstritten und sogar moralisch kaum denkbar.
Doch 2010 wurden Teile des Neandertaler-Genoms entschlüsselt. Dabei stellte sich heraus, dass bis zu 4 % der Gene beim modernen Menschen aus Europa und dem Nahen Osten von Neandertalern stammen.
Bis dahin glaubten sämtliche Forscher an die Verdrängungshypothese, weil diese auch politisch gewollt war. Nun musste sich die Verdrängungshypothese neuen Erkenntnissen hingeben und die Vermischungshypothese erhielt neuen Fahrtwind.
Eine zweites Forschungsteam veröffentlichte nur wenige Monate später einen Bericht, wonach das Genom von allen Ureinwohner Melanesiens (Inselgruppe Südpazifik) eine bis zu sechsprozentige Übereinstimmung mit dem Genom der Denisova-Menschen hat.
Übersetzt bedeutet dies: Der Jetztmensch paarte sich mit Neandertalern und Denisova-Menschen und herauskamen keine Hybride, sondern die heutige Menschheit. Demnach lebt ein Stück des Erbguts von Neandertalern und Denisova-Menschen in uns weiter. Die Arten verschmolzen dabei nicht, sondern Neandertaler- und Denisova-Gene sind einfach nur im Jetztmensch-Genom enthalten.
Wieso konnten sich Neandertaler und Jetztmensch paaren
Es stellt sich die Frage: Wie können zwei unterschiedliche Arten zusammen Nachwuchs haben. Man kann schließlich auch kein Pferd mit einem Zebra kreuzen. Oder doch?
Tatsächlich spielt bei der Fortpflanzung der genetische Abstand zweier Arten eine entscheidende Rolle. Beide Arten müssen Chromosomen haben, welche bei der geschlechtlichen Fortpflanzung neu kombiniert werden können. Demnach müssen die Chromosomensätze beider Arten kompatibel sein. Und dies geht nur, wenn der letzte gemeinsame Vorfahre noch nicht lange zurückliegt.
Denn in der Evolution gilt Mutation als entscheidender Faktor. Irgendwann sind so viele Mutationen über die Gene hinweggefegt, dass zwei Arten bzw. deren Chromosomensätze nicht mehr kreuzbar sind. Am Anfang der Artentstehung sind es lediglich Varianten. Doch irgendwann werden es – durch dauerhafte Mutationen (Genänderungen) – zwei völlig unterschiedliche Arten.
Doch es geht noch weiter. Denn auch zwei unterschiedliche Arten können Nachwuchs bekommen. Diesen Nachwuchs bezeichnet man als Hybride. So gibt es bspw. Esel-Pferde-Hybride, welche als Maulesel oder Maultier bezeichnet werden.
Entscheidend ist, dass Maultiere, Maulesel oder jegliche andere Hybride – selbst keinen Nachwuchs mehr haben können. Denn der genetische Abstand in den Chromosomenpaaren reicht zwar aus, um eine erste Neukombination zu erschaffen, reicht aber nicht mehr um funktionstüchtige Keimzellen (Eizellen, Spermien) zu bilden. Hier schiebt die Natur einen Riegel vor. Demnach sind Nachkommen unfruchtbar.
Wenn man nun den genetischen Abstand zwischen Neandertaler, Jetztmensch und Denisova-Mensch betrachtet – die Mutationsrate der Chromosomen kennt – kann man ein Zeitfenster ausrechnen – wann eine Paarung mit zeugungsfähigen Nachwuchs noch möglich war. Und dieser Zeitpunkt war vor etwa 50.000 Jahren. Ein paar Generationen später war der genetische Abstand bereits so groß, dass die Verbindung für immer gekappt war. Bei der Vermischung zwischen Denisovas und Jetztmensch geht man von etwa 15.000 vor heute aus.
Warum existieren Vorurteile gegenüber dem Neandertaler
Die allgemeine Vorstellung über die Neandertaler zeichnet ein Bild eines Mannes mit einer Keule, welcher sich hinter einem Felsen versteckt und dort lauert. Er ist roh, dumm und zu keinerlei Kultur fähig. Außerdem laufen Neandertaler stets gebückt herum.
Diese Vorurteile kamen durch die Kannibalen Funde von Krapina auf. Einige Forschen verdammten den Neandertaler fortan außerhalb der menschlichen Geschichte und gaben ihm keinen Platz im Stammbaum der Menschheit.
Einen wesentlichen Anteil an diesen Vorurteilen verdanken wir dem französischen Paläontologen Marcellin Boule. Denn zwischen 1908 und 1911 fand man in der Höhle bei La Chapelle-aux Saints ein fast vollständiges Skelett eines Neandertalers, welcher vor etwa 50.000 Jahren lebte.
Dieses Skelett gehörte einst einem Neandertaler-Greis, welcher dort bestattet wurde. Doch anstatt die Bestattungszeremonie und die Pflege des Alten als eine Sozialleistung hervorzuheben, postulierte Boule – dass die Neandertaler stets gebückt herumliefen. Der tschechische Maler František Kupka griff diese Vorstellung auf und veröffentlichte 1909 eine Zeichnung von einem Neandertaler. Zu sehen war ein Neandertaler in gebückter Haltung, wild dreinblickend mit einer Keule in der Hand.
Dieser Stereotyp sollte sich lange halten. Und 1960 gestaltete Zdenek Burian verschiedene Illustrationen über dumpfe Neandertaler mit Hängeschultern. Die Werke des Tschechen wurden weltberühmt, setzten sich im kollektiven Bewusstsein fest- weshalb noch in den 1990-er Jahren in Schulbüchern dieser Stereotyp auftaucht.
In Romanen und Medienartikel, welche mit dem Attribut „Paläo-Fiktion“ versehen werden, tauchen die Abgrenzungen zwischen Jetztmensch und Neandertaler auf und beleben die Debattenkultur. So veröffentlichte der Spiegel im Jahr 2000 einen Artikel unter dem Titel: „Der Todeskampf der Flachköpfe“. Beschrieben wird ein eiszeitlicher Blitzkrieg zwischen Neandertalern und Jetztmenschen, welcher siegreich für Homo sapiens endete.
Literatur
- Rebecca Wragg Sykes (Autor), Jürgen Neubauer (Übersetzer), Der verkannte Mensch: Ein neuer Blick auf Leben, Liebe und Kunst der Neandertaler, ISBN: 3442316561*
- Michael Schaper (Herausgeber), GEOkompakt 41/2014 – Der Neandertaler: Warum der Urmensch in uns weiterlebt: Die verblüffende Geschichte der Eiszeitjäger, ISBN: 3652003519*
- Svante Pääbo (Autor), Sebastian Vogel (Übersetzer), Die Neandertaler und wir -: Meine Suche nach den Urzeit-Genen, ISBN: 3421070202*