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Steinzeit-Sprache


Der Spracherwerb beim Steinzeitmenschen geht auf eine Mutation des FOXP2-Gens zurück. Etwa vor 200.000 Jahren veränderte sich das Gen entscheidend, wodurch die Gattung Homo (Mensch) die Fähigkeit zur Sprache entwickelte. Neben dem Homo sapiens bildeten wohlmöglich auch andere Menschenarten die Fähigkeit zur Sprache heraus.

Bevor wir uns die Sprache der Vormenschen und der Steinzeitmenschen anschauen, müssen wir klären, welche anatomischen Voraussetzungen für die Sprachentwicklung gegeben sein müssen und wie diese im Laufe der Evolution entstanden sind.

Was war nötig, damit Menschen in der Steinzeit sprechen konnten

Ein Geräusch entsteht, indem die Stimmbänder des Kehlkopfes in Schwingung versetzt werden.Damit Sprache möglich wird, muss die Zunge und der Gaumen koordiniert werden. Dadurch wird eine undifferenzierte Geräuschschwingung in ein differenzierbaren Laut gewandelt.

Diese Rachenraum-Koordination geschieht über Muskeln und Bänder, welche am Zungenbein befestigt sind.Damit die Zunge über mehr Bewegungsfreiheit verfügt, musste sich der Gaumenraum vergrößern. Dafür musste sich der Kehlkopf absenken, wodurch die Zungenwurzel abrutschte, so dass die Zunge auf der ganze Länge beweglich wurde.

Um die Motorik, nach einem bestimmten Muster zu erzeugen, bedarf es einem Sprachzentrum im Gehirn. In diesem Zentrum sind Lautmuster gespeichert, welche in motorische Befehle übersetzt werden können – die dann an die Zunge und den Rachenraum gesendet werden.
Die Schnittstelle zwischen Zunge, Hirnnerv und Gehirn ist eine Öffnung an der Schädelbasis – welche als Canalis nervi hypoglossi bezeichnet wird.

Zunge

Die Zunge ist ein Tastorgan, welches bei der Geschmacksfindung und bei der mechanische Schluckbewegung eine besondere Rolle spielt. Aber die Zunge ist beim Menschen auch ein Sprachorgan. Denn erst durch die Stellung der Zunge im Rachenraum können differenzierte Laute entstehen, welche dann zu Wörtern zusammengesetzt werden.

Ein undifferenzierte Geräusch entsteht über die Stimmbänder, welche durch Atemluft in Schwingung versetzt werden. Dadurch wird eine Schallwelle in einer bestimmten Frequenz ausgestoßen, welche als Geräusch über das Ohr wahrnehmbar wird.

Zusammenspiel im Rachenraum

Doch wie wird aus dem Geräusch nun ein Vokal, ein Konsonant oder ein Wort?
Um ein Geräusch in ein Wort zu wandeln, bedarf es einem hochkomplexen Zusammenspiel zwischen Mund, Nase, Zunge, Lippen und Gaumen. Man kann dies einmal selbst ausprobieren, in dem man zwei einfache Konsonanten (M und N) einmal ausspricht und dabei die Stellung der Zunge, der Lippen usw. beobachtet.

  • Bei einem M sind die Lippen zusammengepresst und die Zunge liegt im Rachen.
  • Bei einem N ist die Zunge angespannt und presst an den oberen Gaumen und die obere Zahnreihe.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine gewisse Bewegungsfreiheit im Rachenraum vorhanden sein muss, damit Sprache möglich wird. Auch müssen Muskeln koordiniert werden, damit einzelne Buchstaben über die Lippen gehen, die dann als Wort zusammengesetzt werden können.

Zungenbein

Ein Knochen, welcher für den Spracherwerb notwendig ist, ist das Zungenbein. Dieser gebogene Knochen ist gerade einmal 2 bis 3 cm groß und liegt unterhalb der Zunge. An diesem Knochen sitzen Bänder und Muskeln an, welche beim Sprechen entsprechend koordiniert werden – wodurch eine differenzierte Lautbildung überhaupt erst möglich wird.

Auch viele andere Wirbeltiere besitzen ein Zungenbein. Bei den Katzen besitzen bspw. die Großkatzen (Löwe, Tiger, Jaguar, Leopard, Irbis, Nebelparder) ein Zungenbein, die Kleinkatzen aber nicht. Dadurch können bspw. Tiger brüllen. Und Kleinkatzen – wie Geparden oder Pumas besitzen diese Fähigkeit nicht, obwohl sie ähnliche Körpergrößen erreichen.

Kehlkopf

Eine weiteres Organ, welches bei der Sprachentwicklung wichtig ist, ist der Kehlkopf und dessen umgebenes Gewebe. Der Kehlkopf gehört zum Atmungsapparat und zum Verdauungstrakt gleichermaßen und markiert das obere Ende der Luft- und Speiseröhre. Er ist sozusagen das Übergangsstück zwischen Rachen, Speise- und Luftröhre. Damit keine Essensreste in die Luftröhre gelangen, verschließt der Kehlkopf diese – sobald geatmet oder gesprochen wird. Danach öffnet der Kehlkopf die Luftröhre zum Luft holen oder zum Ausatmen, damit wir nicht ersticken.

Der Kehlkopf übernimmt demnach eine Koordinationsaufgabe, um zwischen Verdauung und Atmung permanent zu switchen. Aber am Kehlkopf befinden sich auch Bänder, welche als Stimmlippen oder Stimmbänder bezeichnet werden. Diese werden in Schwingung versetzt, sobald die Atemluft mit einer gewissen Kraft auf sie einströmt. Dadurch entsteht die menschliche Stimme.

Einzigartige Motorik

Damit die Steinzeitmenschen eine Stimme erzeugen konnten, brauchte es eine Vergrößerung des Rachenraums für mehr Spielraum von Zunge und Gaumen, sowie eine Absenkung des Kehlkopfes.

Aber die Sprache des modernen Menschen ist nicht nur eine anatomische Leistung, sondern vielmehr eine Kulturleistung. Und um solch eine Leistung zu vollbringen, muss auch das Gehirn entsprechend fähig sein. Das Sprachzentrum ist eine Region in der Großhirnrinde. Man unterscheidet zwischen zwei Regionen:

  • Brocasche Sprachregion ist für grammatikalische Aspekte verantwortlich. Es sitzt meistens auf der linken Gehirnhälfte.
  • Wernickesche Sprachregion ist für das Sprachverständnis verantwortlich. Es sitz meistens auf der für Sprache dominanten Hirnhälfte. Bei Rechtshändern wäre dies üblicherweise links und bei Linkshändern rechts.

Verbunden sind Wernicke und das Broca-Zentrum über eine Leitungsbahn (Fasciculus arcuatus), welche aus Nervenfasern besteht und Informationen zwischen beiden Arealen austauscht.

Damit das Gehirn mit Blut, Botenstoffen und anderen Informationen aus dem Körper versorgt werden kann, bedarf es bestimmter Öffnungen am Schädel. Dort können Blutgefäße und Hirnnerven durchtreten. Eine dieser Öffnungen nennt sich Canalis nervi hypoglossi. Dort tritt der 12. Hirnnerv hindurch, welcher auch als Zungenmuskelnerv oder lateinisch als Nervus hypoglossus bezeichnet wird. Dieser soll die Motorik der Zunge koordinieren, wodurch aus undifferenzierter Geräuschbildung eine differenzierte Lautbildung entsteht.

Forkhead-Box-Protein P2 (FOXP2)

Das Forkhead-Box-Protein P2 (FOXP2) ist verantwortlich für den Spracherwerb und die Möglichkeit grammatikalische Strukturen aufzubauen oder wiederzuerkennen. Ganz konkret bewirkt das Gen, dass sich ein Längenwachstum und eine Verästelungen bei Neuriten bilden können.

Jene Neuriten sind die verzweigten Enden oder Fortsätze einer Nervenzelle. Sind diese besonders lang und verästelt, entsteht ein neurales Netz aus vielen Nervenzellen (Neuronen) – welche querverbunden sind.

Um etwas Hochkomplexes, wie die Sprache, entwickeln zu können – müssen die Nervenzellen genau diese Länge und Verästelung erreichen und das FOXP2-Gen bewirkt diese Ausbildung.

Aber das Gen kommt bspw. auch in Vögeln, Mäusen und anderen Primaten – neben dem Menschen – vor. Also wieso können diese nicht sprechen, der Mensch aber schon?

Mutation

Eine Theorie besagt, dass das Gen sich vor circa 200.000 Jahren verändert hat. Eine Mutation bewirkte, dass sich einzelne Aminosäuren veränderten. So existierte der letzte gemeinsame Vorfahre zwischen Primaten und Maus vor etwa 40 Millionen Jahren. Beide Säugetiergruppen besitzen das FOXP2-Gen. Doch beide Gene unterscheiden sich in drei Aminosäuren voneinander.

Als sich der Mensch von seinem nächsten Verwandten, dem Schimpansen, trennte – unterschieden sich beide Gene in zwei Aminosäuren. Dies geschah immerhin vor 4,6 bis 6,2 Millionen Jahren. Der Orang-Utan als etwas weiter entfernter Verwandter des Menschen enthält drei Änderungen in der Aminosäuren-Sequenz gegenüber dem menschlichen FOXP2-Gen.

Der Unterschied ist auf den ersten Blick sehr geringfügig. Und zwar wurde am 7. Exon (Teil des Gens) eine Veränderung vorgenommen. So wurde an der 303. Position die Aminosäure Threonin gegen Asparagin ausgetauscht. Und an Position 325 wurde wiederum Asparagin gegen Serin getauscht. Zwei kleine Austausche des ursprünglichen Primatengens bewirken, dass der Mensch sprechen kann und der Schimpanse nicht.

Wann geschah die Mutation des Sprachgens

Die Geschichte eines Gens lässt sich rekonstruieren, indem man die Mutationsrate eines Introns betrachtet. Solche Introns sind funktionslose Abschnitte einer DNA, welche nicht codiert sind. Diese Introns stellen die Verbindung zu den funktionsträchtigen Exons her. Da sie für das Gen oder allgemein Protein keine Funktion erfüllen, mutieren diese schneller und häufiger. Anhand dieser Rate lässt sich ungefähr ermitteln, wie und wann sich die Gene verändert haben.

Beim FOXP2-Gen hat man errechnet, dass dieses Gen vor etwa 100.000 oder 200.000 Jahren die entscheidende Mutation vollzog. Nun gilt anzumerken, dass Homo sapiens und Homo neanderthalensis sich bereits vor dieser Zeit stammesgeschichtlich trennten. Denn laut evolutionären Stammbaum des Menschen geschah dies bereits vor 300.000 oder 400.000 Jahren, also deutlich vor der Mutation des FOXP2-Gens.

Geschah die Mutation des Sprachgens nur beim Jetztmenschen

Eine durchgeführte Erbgutanalyse vom Oktober 2007 – bei der das Genom des Neandertalers vollständig untersucht wurde, ergab – dass in dieser Menschenart das gleiche FOXP2-Gen vorhanden ist, wie beim modernen Menschen.

Dies spricht für einen Gentransfer zwischen Homo sapiens und Homo neanderthalensis. Solch ein Genfluss trat mindestens zweimal in der Gattung Homo auf:

Die Denisova-Menschen ähnelten dem Neandertaler und müssen, genauso wie er, vor etwa 30.000 Jahren ausgestorben sein.

Die Auswirkungen des Genfluss sind heute noch nachweisbar. Denn circa 1 % bis 4 % des Genoms eines Eurasiers oder Nordafrikaners stammt vom Neandertaler. Im Jahr 2011 wurde eine neue Studie zu Genflüssen veröffentlicht, welche nahelegt – dass es einen dritten Gentransfer in der Evolution der Menschheit gab – wonach Afrikaner einen bestimmten Anteil des Genmaterials von anderen ausgestorbenen Menschenarten tragen.

Wann wurde die Sprache erfunden

Um die Geburtsstunde der Sprache zu berechnen, muss man zurückrechnen. Dazu wird die heutige Komplexität der Sprache analysiert und der Zeitdauer gegenübergestellt, welche notwendig gewesen wäre, um diese zu erlangen. Den Forschern ist bewusst, dass die Anzahl der Worte stetig und immer schneller zunimmt. Waren für die ersten 100 Wörter noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte, nötig – stieg der Wortschatz mit zunehmender Sprachdauer immer schneller an.

Diese Annahmen müssen bei einer Rückrechnung betrachtet werden. Es wird aber bereits jetzt deutlich, dass man nicht alle Variablen in so eine Rechnung einfließen lassen kann und man sich einem Ursprungszeitpunkt der Sprache nur ungefähr nähern kann. Eine Berechnung aus dem Jahr 1998 kam zu dem Ergebnis, dass es spätestens vor 100.000 Jahren zu einer Auseinanderentwicklung der Sprachen gekommen sein muss. Zwar entstand damals noch kein Deutsch und Englisch, aber die Ursprache gliederte sich in mindestens zwei Folgesprachen auf.

2002 errechnete ein Forscherteam, dass die afrikanischen Sprachen mindestens 100.000 Jahre und höchstens 350.000 Jahre alt wären. Demnach entstand Sprache vielleicht schon vor dem Neandertaler und vor dem Homo sapiens. Der Sprachforscher Quentin Atkinson stellte im Jahr 2011 eine Methode vor, wonach er den Ursprung der Sprache in Südafrika vor 160.000 Jahren berechnete. Laut ihm musste die Sprache in diesem Gebiet aber spätestens vor 80.000 Jahren entstanden sein, um die heutige Komplexität einzuholen.

Was war die Ursprache

Im südlichen Afrika werden Khoisan-Sprachen gesprochen, welche Klicklaute enthalten. Anhänger einer Ursprachentheorie sehen in ihr die urtümlichste Sprache. Laut den Sprachforschern muss Homo sapiens vor etwa 60.000 Jahren diese Klicksprache gesprochen haben. Danach kam es zu einer Aufspaltung dieser Ursprache in verschiedene Richtungen, wodurch sich andere Sprachfamilien – ohne Klicklaute – entwickelt haben.

Welche Menschenarten konnten sprechen

Ob Steinzeitmenschen, wie Homo neanderthalensis oder Homo erectus sprechen konnten, kann niemand mit Sicherheit sagen. Denn es war schließlich niemand anwesend, als sie es vielleicht taten. Und in der Steinzeit existierte auch noch keine Schrift, welche dies dokumentierten und als Beweis herhalten könnte.

Lange Zeit nahm man an, dass die Sprache eine besondere Kulturleistung des modernen Menschen sei. Und um Homo sapiens noch bedeutender zu machen, stellte man ihm ein weiteres sapiens hinten an und machte ihn dadurch doppelt klug. Aus Homo sapiens wurde ein Homo sapiens sapiens als doppelt vernunftbegabter Mensch, welcher einzig zu Dingen wie Sprache, Bewusstsein, Religion oder Kultur fähig war.

Doch im Jahr 1983 fand man in der Kebara-Höhle in Israel das Skelett eines Neandertalers. Das Besondere an diesem Skelett war, dass es sehr gut erhalten war. Auch ein Zungenbein war erhalten geblieben.

Dieses 60.000 Jahre alte Fossil sorgte für ein Umdenken in der Anthropologie. Denn plötzlich schaute man genauer hin und untersuchte die Schädel gefundener Neandertaler neu. Und plötzlich entdeckte man auch die Schädelöffnung für den Zungenmuskelnerv (Nervus hypoglossus), welche ähnlich groß war – wie bei heutigen Menschen.

Wie sprachen die Neandertaler

Dass der Canalis nervi hypoglossi eine gewisse Größe hat, ist Grundvoraussetzung für eine differenzierte Sprachentwicklung – da die Koordination zwischen Zunge und Gehirn über diesen Nervenkanal erfolgen muss. Aufgrund dieser Schädelöffnung und des anatomisch ausgeprägten Zungenbeins – geht man heute davon aus, dass der Neandertaler sprechen konnte.

In der Anatomie der Neandertaler gab es allerdings eine Besonderheit. Ihr Nasenkanal war ständig geöffnet. Dadurch muss er wohlmöglich stark nasal gesprochen haben, wodurch sich Vokale (a, e, i) etwas anders angehört haben müssen. Die Vertreter der anatomischen Schule verzeichnen deshalb, dass der Neandertaler lediglich zu einer nasalen Sprache fähig war und demnach nicht über den gleichen Vokalraum wie Homo sapiens verfügte. Die Sprache war demnach eingeschränkter.

Konnten noch frühere Menschenarten sprechen

Der Neandertaler entwickelte sich vermutlich in Europa aus dem Homo erectus bzw. dessen europäischer Nachläufer (Homo heidelbergensis). Und der moderne Mensch (Homo sapiens) entwickelte sich zeitgleich, aber unabhängig davon, ebenfalls aus dem Homo erectus. Alle vier Menschenarten liefen aufrecht und beherrschten das Feuer.

Wenn wir also von Steinzeitmenschen reden, betrachten wir mindestens drei oder vier verschiedene Menschenarten – den Neandertaler, den Homo erectus und den archaischen Menschen. Neben diesen drei Menschenarten gesellen sich weitere Frühmenschen, wie bspw. Homo rhodesiensis (vor 300.000 Jahren) oder Homo heidelbergensis (vor 200.000 Jahren) – wobei deren Gültigkeit als eigenständige Spezies immer wieder neu diskutiert wird.

Es ist durchaus anzunehmen, dass bereits Homo erectus über eine Sprache verfügte. Dies galt lange umstritten, da man bis in die 1970-er Jahre annahm, dass lediglich der moderne Mensch zu solchen kulturellen Leistungen imstande war. Alle ausgestorbenen Menschen wurden gern als Untermenschen oder als kulturlose Menschenarten bezeichnet. Dies änderte sich durch Entdeckungen an der Fundstätte Bilzingsleben in Thüringen.

Seit Homo erectus

Die Fundstätte Bilzingsleben befindet sich in Thüringen, im Landkreis Sömmerda. Genutzt wurde die heutige Fundstätte vor etwa 370.000 Jahren als Siedlung oder Lagerplatz. Die Menschenart, welche dort lebte, war wohlmöglich Homo erectus.

Besonders an der Fundstätte ist, dass dort Mammutknochen, Bärenknochen und andere Knochen von Großwild gefunden wurden. Um solches Wild zu jagen, hätte Homo erectus bereits Lanzen, Speere oder andere Fernkampfwaffen erfinden müssen. Als Erfinder solcher Waffen wird aber Homo heidelbergensis gehandelt.

Weiterhin ist eine Jagd auf solches Großwild nur möglich, wenn die Jäger zusammenarbeiten, ihre Jagdweise aufeinander abstimmen und koordiniert vorgehen. Dies setzt voraus, dass eine komplexe Kommunikation und ein planvolles Handeln nötig waren. Beide Fähigkeiten haben eine Sprache zur Grundlage.

Die Fundstätte Bilzingsleben ist deshalb etwas ganz Besonderes für die Archäologie. Denn hier wird die Stellung des Homo erectus als Kulturschaffende Menschenart neu verhandelt. Und wohlmöglich war Homo erectus bereits zu einer primitiven Sprache fähig.

Welche Bedeutung hatte die Entwicklung der Sprache für die Geschichte

Mit der Erfindung der Steinwerkzeuge (seit Homo habilis oder homo rudolfensis) begann die kulturelle Entwicklung. Als dann der Jetztmensch am Ende der Altsteinzeit (vor etwa 12.000) als letzte Menschenart übrigblieb, war die biologische Evolution der Menschheit weitestgehend abgeschlossen. Sämtliche Veränderungen und Fortschritte, welche die Menschheit seitdem heimsuchten – waren kulturell bedingt. Und die Grundlage für diese kulturelle Evolution ist die Sprache.

Informationsträger und Speichermedium

Über Sprache werden Informationen ausgetauscht. Gleichzeitig ist das einzelne Wort ein Speichermedium für Informationen. So wird bspw. beim Wort „Tempel“ eine Definition verknüpft. Solche Definitionen sind Aneinanderreihungen von Merkmalen. Demnach hat sich die Menschheit beim Wort „Tempel“ auf verschiedene Merkmale geeinigt, welche einen Tempel beschreiben und dieses Bauwerk von anderen Bauten abgrenzen soll.

Neben der Definition ist aber auch eine Bedeutung an ein Wort geknüpft. Und anders als Definitionen sind Bedeutungen nicht kollektiv vereinbarte Merkmale, sondern sind individuell unterschiedlich. So hat das Wort „Staat“ in Deutschland eine andere Bedeutung für die Einheimischen als bspw. in China.

In Deutschland soll der Staat die Bürgerrechte garantieren, die Freiheit des Einzelnen schützen und für die allgemeine Wohlfahrt sorgen. Einige deutsche Staatsbürger sehen im Staat eher eine Instanz, welche ihnen Unannehmlichkeiten zumutet oder sie in ihrer Vollmündigkeit beschneidet. In anderen Staaten dient der Staat vornehmlich der Sicherheit und dessen Bedeutung unterscheidet sich grundlegend von deutschen Vorstellungen.

Wenn also mit Sprache irgendwelche Informationen ausgetauscht werden, findet der Austausch durch Wörter statt. Und diese Wörter sind der eigentliche Träger der Informationen, da mit dem Wort immer Definitionen, Bedeutungen, Wertvorstellungen und persönliche Einstellungen verknüpft sind.

Mythen und Geschichten

Aufgrund der Sprache ist der Mensch dazu fähig, nicht physische bzw. immaterielle Sachverhalte zu erfinden. So konnte sich die Menschheit diverse Konzepte – wie Götter oder Ideologien ausdenken. Der Mensch kann Landkarten mit Grenzmarkierungen malen und ein Rechtssystem erfinden, welches diese Grenzen nach außen schützt.

All die Dinge, welche wir nicht sehen können – aber dennoch irgendwie da zu sein scheinen, basieren auf Glauben. Die Menschheit glaubt an Staatsgrenzen, an Rechte – welche vor hundert Jahren aufgestellt wurden, an eine Religion mit Göttern, an die Macht des Geldes genauso wie an die Wissenschaft, welche alleinig alle Antworten liefern soll.

Die verbale Kommunikation der Menschheit basiert demnach auf einer fiktiven Sprache. Es werden Dinge erfunden, definiert und mit einer Bedeutung versehen – welche keineswegs der Realität entspricht. Da aber die ganze Menschheit an diese Konzepte glaubt, an ihnen festhält und ihren Leben danach ausrichtet, werden diese Konzepte zur Lebenswirklichkeit des Einzelnen und auch der Gemeinschaft.

Dass zwei Menschen miteinander klarkommen liegt daran, dass sie sich auf die gleichen Mythen und Geschichten einigen können. Wenn ich heute einen Texter oder Grafiker auf den Philippinen beauftrage, etwas für diese Webseite zu erstellen – einigen wir uns auf das Märchen vom Geld. Denn Geld ist mehr als nur ein Papierschein oder ein Metallstück.

Der Geldwert basiert auf eine kollektivistische Glaubensvorstellung, dass mit dem Papierschein irgendetwas gekauft oder irgendetwas Nützliches gemacht werden kann. Grundlage ist die fiktive Sprache zu welcher der Mensch fähig ist.

Die erste Sprache der Welt

Eine hypothetische Ursprache wird allgemein angenommen. Laut der Hypothese sollen sich von dieser ersten Proto-Sprache alle anderen Sprachen entwickelt haben. Auch die bereits ausgestorbenen bzw. toten Sprachen entwickelten sich aus jener Ursprache heraus.

In der Bibel wird das erste Urmenschenpaar „Adam und Eva“ erwähnt. Diese sprechen die Sprache des Paradieses, welche als Adamitische Sprache bezeichnet wird. Im Buch Genesis wird die Erfindung der Ursprache erwähnt:

„Gott, der Herr, formte aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte es heißen.“ (Gen, 2-19)

Das Bestreben eine mögliche Ursprache zu finden, widmeten sich bereits Forscher der Antike. So soll Pharao Psammetich I. (7. Jahrhundert v.Chr.) einem Hirten zwei Kinder gegeben haben und diesen angewiesen haben, diese sprachlos aufzuziehen. Demnach sollten beide Kinder nie ein Wort hören und nach zwei Jahren sagten sie das Wort: „Bekos“. In der Sprache der Phryger bedeutet dies „Brot“.

Kaspar Hauser Versuche

Ob dies wirklich so geschehen ist, kann historisch nicht gesichert werden. Dennoch fanden solche Experimente mehrfach in der Geschichte statt. Denn das angebliche Experiment des Pharaos wurde vom griechischen Geschichtsschreiber Herodot niedergeschrieben und strahlte in späteren Zeiten eine gewisse Faszination aus.

Bezeichnet werden solche Versuche heute als Kaspar-Hauser-Experimente. Diese sind nach Kaspar Hauser benannt, einem Jungen – den man 1828 völlig verwahrlost in Nürnberg fand. Auch dieser sprach kaum ein Wort und man vermutete, dass Kaspar Hauser lange Zeit irgendwo isoliert gefangen gehalten wurde.

Dennoch blieben die Kaspar-Hauser-Versuche eigentlich erfolglos oder kleinere Resultate werden stark angezweifelt. Denn man kam entweder darauf, dass Phrygisch (8. Jhd. v.Chr.) bzw. Hebräisch (1. Jahrtausend v.Chr.) die Proto-Welt-Sprache gewesen sei. Doch heute weiß man, dass andere Schriftsprachen durchaus älter sind. (siehe unten)

In den 1990-er Jahren stellte Merrit Ruhlen eine Liste von Worten zusammen, welche in allen Folgesprachen erhalten geblieben sind. Diese Liste umfasste 27 Wörter. Allerdings konnte man auch so keine Ursprache bzw. den Ursprungsort der Sprache finden.

Nostratisch

In der Forschung wurde lange Zeit das Nostratische als Ursprache ausgemacht, aus welchem sich sämtliche asiatischen und afrikanischen Sprachen ableiten lassen. Nostratisch war wohlmöglich auch die Sprache, welche auf dem Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds gesprochen wurde – als die Neolithische Revolution begann.

Aber die Neolithische Revolution vollzog sich während der Mittelsteinzeit und erreichte Europa zur Jungsteinzeit. Demnach ist auch diese Sprache keine Ursprache der Altsteinzeit.

Die ältesten Sprachen der Welt

Die ältesten Sprachen, welche wir heute kennen und belegen können, sind:

  • Chinesisch (etwa vor 6.600 Jahren)
  • Ägyptisch (etwa vor 4.000 Jahren)
  • Sanskrit (etwa vor 3.500 Jahren)
  • Sumerisch (etwa vor 3.200 Jahren)
  • Keltisch (etwa vor 3.200 Jahren
  • Hebräisch (etwa vor 3.000 Jahren)
  • Griechisch (etwa vor 3.000 Jahren)
  • Italisch (etwa vor 2.500 Jahren), aus welchem später das Latein hervorging

Alle diese Sprachen sind an ein Schriftsystem gebunden. Die ältesten Schriftzeugnisse wurden in Henan (China) gefunden und werden als Jiahu-Schrift bezeichnet. Ähnlich alt sind die Vinča-Zeichen aus Südosteuropa, welche ebenfalls als älteste Schriftquellen der Welt gedeutet werden. Als Erfindungsort der Schrift werden aber auch Ägypten und Sumer diskutiert. Jene alten Schriftsprachen entstanden aber erst in der Jungsteinzeit bzw. Bronzezeit, weshalb auch diese Sprachen nicht die Ursprache der Menschheit sind.


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