Skip to main content

Urmenschen


Ausstellung eines Urmenschen (Neandertalers), Düsseldorf, 16. Februar 2024, Neanderthal Museum, Bildnachweis: Esin Deniz / Shutterstock.com

Ausstellung eines Urmenschen (Neandertalers), Düsseldorf, 16. Februar 2024, Neanderthal Museum, Bildnachweis: Esin Deniz / Shutterstock.com


Der Begriff Urmenschen vereint alle Menschenarten, welche bereits ausgestorben sind, unter einem Oberbegriff. Demnach sind dies alle Arten aus der zoologischen Gattung der Homo (deutsch: Mensch), welche in der Urgeschichte lebten. Der Jetztmensch (homo sapiens) zählt nicht dazu. Stattdessen werden Menschenarten, wie z.B. homo erectus und homo neanderthalensis, welche zeitgleich mit dem Jetztmenschen lebten, durchaus dazu gezählt – da deren letzter Nachkomme bereits als ausgestorben gilt. Das Aussterben einer Menschenart ist demnach das entscheidende Kriterium und nicht die geschichtliche Zeitepoche. Dennoch unterscheidet die Forschung mitunter zwischen Urmenschen, Frühmenschen, Vormenschen und dem Jetztmenschen (Homo sapiens).

Steckbrief

Name:Urmenschen
Bedeutung:Sammelbezeichnung für alle ausgestorbenen Menschenarten
Vertreter:Homo rudolfensis, Homo habilis, Homo ergaster, Homo erectus, Homo heidelbergensis, Homo neanderthalensis (Neandertaler)
zeitliches Auftreten:vor circa 2,5 Mio. Jahren bis vor 40.000 oder 30.000 Jahren
örtliches Auftreten:Zunächst Afrika, vermutlich Ostafrika. Später auch Asien und Europa.
Körpergröße:etwa 100 cm (Homo habilis) bis 185 cm (Homo ergaster, Hochrechnung des gefundenen Nariokotome-Jungen)
Gehirnvolumen:650 cm³ (Homo habilis) bis Neandertaler (1.750 cm³)
Nahrung:zunächst pflanzlich dann tierisch
Wohnstätte:Lebten als Jäger und Sammler in Zelten, bestehend aus Tierhäuten und Fellen als Überhang und Knochen als Gestänge.

Was bedeutet Urmenschen

Eigentlich bedeutet Urmensch: Mensch der Urgeschichte. Zur Urgeschichte gehören die Steinzeit, die Kupferzeit, die Bronzezeit und die Eisenzeit. Schon während der Steinzeit sind alle Menschenarten, bis auf den Jetztmenschen, ausgestorben. Demnach ist der Begriff „Urmensch“ eigentlich hinfällig, da in der Kupfer- bis Eisenzeit keine archaischen Menschenarten mehr lebten.

Das Problem bei der Definition ist, dass der Urmensch-Begriff im 18. und 19. Jahrhundert definiert wurde. Damals bezeichnete man jedes Relikt, welches man fand und dass auf eine ausgestorbene Menschenart hindeutete, als Überbleibsel eines Urmenschen. Diese Tradition hielt bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts an.

Im Jahr 1836 wurde die Urgeschichte, welche mehr als 2 Mio. dauerte, erstmalig etwas genauer unterteilt. Der dänische Altertumsforscher Christian Jürgensen Thomsen führte das Dreiperiodensystem ein, wonach man die Urgeschichte in Stein-, Bronze- und Eisenzeit unterteilt. Die Kupferzeit ist Teil der Steinzeit, da diese nur regional auftrat.

Anhand dieser Neuordnung stellte man fest, dass der Begriff „Urmensch“ eigentlich überhaupt nicht passt, da die gefundenen Überreste lediglich in die Steinzeit passen. Demnach wären Begriffe, wie Steinzeitmensch viel genauer. Da aber auch die Steinzeit mehr als 2 Mio. andauerte, ist auch diese Begrifflichkeit eher wage.

Unterschied Urmensch, Frühmensch, Vormensch

In der meisten Literatur bezieht sich der Begriff „Urmensch“ lediglich auf die allerersten Menschenarten, wie Homo rudolfensis und Homo habilis. Alle später auftretenden Menschenarten, wie Neandertaler oder Homo erectus, werden als Frühmenschen bezeichnet. Alle Vertreter der Menschenähnlichen (Tribus Hominini), welche man weder als Affe noch als Mensch bezeichnen will und die zeitlich vor den Urmenschen existierten, werden als Frühmenschen zusammengefasst.

Warum sagt man Urmenschen

Abgegrenzt werden Urmenschen immer gegen unsere heutige Art Homo sapiens, die in ihrer frühesten Form zunächst in Afrika existierte und deutlich kürzer in Europa vertreten ist. Fossile Funde sprechen für eine Existenz seit 300.000 Jahren, genetische Untersuchungen belegen ein Vorkommen seit mindestens 100.000 bis 200.000 Jahren. Die Bedeutung des Wortes Urmensch hat sich in den vergangenen drei Jahrhunderten häufig geändert, abhängig vom Forschungsstand und den jeweiligen Knochenfunden.

So wurde zu früheren Zeiten beispielsweise der Cro-Magnon-Mensch vom Homo sapiens abgegrenzt und als eine Art Bindeglied betrachtet. Spätere Untersuchungen zeigten jedoch, dass es sich bereits um einen frühen Homo sapiens handelte. Zeitlich gesehen umfasst die aktuelle Definition frühmenschliche Arten im Erdzeitalter des Pleistozän, das vor 11.700 Jahren endete. Gemeinsamkeiten unter den ausgestorbenen Arten bestehen in einem großen Hirnvolumen von über 600 cm³ und dem zumindest rudimentären Einsatz von Werkzeugen wie Keilen.

Welche Merkmale hatten die Urmenschen

Die Unterscheidung, ob es sich bei einem Fossil um einen Affen oder Menschen handelt, wurde lange durch die Größe des Schädels bestimmt. So ging man davon aus, dass die ursprünglichen Menschen ein größeres Gehirn hatten als Affen. Die Marke für das Gehirnvolumen wurde anfangs auf 700 cm³ und später auf 800 cm³ gesetzt. Alle darunterliegenden Schädelgrößen, welche so ein Hirnvolumen nicht fassen konnten, wurden der Affenwelt zugeordnet.

Doch dann fand man den Schädel von Homo habilis, dessen Gehirnvolumen lediglich 600 cm³ groß gewesen sein musste. Das Problem beim Homo habilis aber war, dass dieser Steinwerkzeuge herstellte und benutzte. Und diesen Umstand konnte man nicht ungeachtet lassen, da die Steinzeit nun einmal mit dem Beginn des Steinwerkzeugbaus begann. Demnach wurde die Marke für das Hirnvolumen auf 600 cm³ heruntergesetzt.

Neben dem Werkzeugbau und dem Hirnvolumen ist der aufrechte Gang ebenfalls ein Indiz für die Urmenschen. Aber mittlerweile weiß man, dass die Vormenschen (Australopithecus) bereits aufrecht standen und gehen konnten. Die ältesten Fußspuren der Welt, welche auf einen aufrechten Gang hindeuten, stammen aus Laetoli (Tansania), sind 3,5 Mio. Jahre alt und stammen vom Australopithecus afarensis. Demnach ist der zweibeinige Gang zwar Merkmal aller Urmenschen, aber kein Alleinstellungsmerkmal.

Wer zählt zu den Urmenschen

Der Homo ergaster trat vor ungefähr 1,4 bis 2 Millionen Jahren auf und ist vermutlich der erste als solcher bezeichnete Urmensch. Andere Quellen gehen von Homo rudolfensis als erster Art der Gattung Homo aus. Dieser lebte vor 2,5 Millionen Jahren. Aber Steinwerkzeuge konnten dem Menschen vom Rudolfsee – wie er genannt wird – bisher nicht nachgewiesen werden.

Aus Homo ergaster entwickelte sich der Homo erectus, auf den viele weitere Arten zurückgehen. Er war weit verbreitet, sodass fossile Funde über einen langen Zeitraum und auf verschiedenen Kontinenten gemacht werden konnten. Homo erectus war auch die erste Menschenart, welche Afrika verließ.

Der Aussterbezeitpunkt von Homo erectus ist nicht genau belegt, allerdings gingen aus ihm unabhängig voneinander verschiedene andere Arten hervor: Der Homo floresiensis in Ostasien, der Homo heidelbergensis und der Neandertaler in Europa, sowie der Homo sapiens in Afrika. Der Homo heidelbergensis gilt als Vorläufer des Neandertalers und lebte vor 600.000 bis 200.000 Jahren in Europa. Dessen Nachfolger, der Neandertaler, lebte parallel zum Homo sapiens, starb jedoch vor ungefähr 40.000 Jahren aus bislang unbekannten Gründen aus.

Der Homo habilis, übersetzt der geschickte Mensch, existierte bis vor ungefähr 1,5 Millionen Jahren in Ostafrika und ist damit einer der sehr frühen Vertreter der menschlichen Gattung. Ihm wird die erste Nutzung von Steinwerkzeugen zugesprochen.

Homo floresiensis lebte wohlmöglich gleichzeitig zum Homo sapiens, nach aktuellen Erkenntnissen aber ausschließlich auf der indonesischen Insel Flores. Er besiedelte diese wahrscheinlich vor 100.000 bis 60.000 Jahren und zeichnete sich durch einen ungewöhnlich kleinen Wuchs aus. Neben den bereits Genannten existieren weitere Arten der Gattung Homo, bei denen die Forschung noch nicht klar belegen kann, ob es sich tatsächlich um eigene Arten, Unterarten oder möglicherweise eine bereits bekannte Art mit lediglich einzelnen abweichenden Merkmalen handelt.

Welche von den erwähnten Menschenarten zu den Urmenschen gehören und welche als Frühmenschen anerkannt sind, unterscheidet sich je nach Literatur.

Vom Sammler zum Jäger

Vorfahren des Homo erectus (H. ergaster, H. habilis, H. rudolfensis) waren zunächst Sammler. Erst Homo erectus entwickelte sich zum Jäger. Er folgte den großen Tierzügen quer durch Afrika und erlegte das begehrte Großwild. Die erlegten Tiere wurden mit den scharfen Faustkeilen zerlegt und verteilt. Die Jagdweise war vermutlich eine Ausdauerjagd, bei welcher die Tiere zu Tode gehetzt wurden. Speere und andere Waffen sind erst für Homo heidelbergensis und den Neandertaler sicher archäologisch belegt.

Faszinierenderweise kannte der Homo erectus das Feuer. Er konnte es bewahren, aber auch entfachen und zum Braten oder Garen des Fleisches nutzen. Die ältesten Feuerstellen der Welt, welche als historisch gesichert gelten, befinden sich in der Wonderwerk-Höhle in Südafrika und sind etwa 1 Mio. Jahre alt.

Fleisch wurde auch geräuchert und getrocknet. Diese schlichten Konservierungsverfahren ermöglichten dem Urmenschen eine erfolgreiche Ausbreitung von Afrika nach Europa und weiter nach Ostasien.

Was haben Urmenschen gegessen

Die ersten Urmenschen (H. rudolfensis, H. habilis) aßen überwiegend pflanzliche Kost. So etwas können Forscher am Gebiss und an der Zusammensetzung des Zahnschmelzes ablesen. Tierische Nahrung gab es auch, aber selten. Die ersten Urmenschen waren gelegentliche Aasfresser, welche die Überbleibsel erlegter Tiere verspeisten, nachdem die großen Raubtiere davon abließen.

Mit ihren Steinwerkzeugen zertrümmerten sie die Röhrenknochen der Tiere, um das nahrhafte Knochenmark aus dem Knochen zu lutschen. Dass sie das Fleisch verzehrten, scheint unüblich gewesen zu sein, da die großen Raubtiere kaum Fleischreste zurückließen. Außerdem wird totes Fleisch schnell von Zersetzern (Bakterien, Fliegen) befallen, was ein Krankheitsrisiko darstellt.

Mit Homo erectus änderte sich die Lebensweise und der Mensch wurde selbst zum Jäger. Tierische Nahrung stammte von Hirschen, Rehen, Wildschweinen. Die Jäger der Eiszeit (Neandertaler, Homo Heidelbergensis) waren auch Großwildjäger und erlegten selbst Mammuts, Elefanten oder Bären. Der Jetztmensch und dessen Vorfahren (Cro Magnon Mensch) konzentrierte sich auf die Jagd von Rentiere.

Tierische Nahrung der Urmenschen bestand aus:

  • Knochenmark aus den mit den Faustkeilen zertrümmerten Knochen
  • jegliches Fleisch eines gefundenen oder erlegten Tieres
  • Innereien
  • Vogeleier
  • Fische
  • Muscheln

Pflanzliche Nahrung der Urmenschen war:

  • Nüsse, die mit den Zähnen oder den Faustkeilen geknackt wurden
  • Samen
  • Beeren
  • Pilze
  • Blätter
  • Wurzeln
  • Kräuter, auch Heilkräuter

Seit Homo erectus war die pflanzliche Nahrung in vielen Zeiten lediglich eine Notlösung, wenn der Jagderfolg ausblieb. Der Homo erectus ernährte sich, vermutlich zu mindestens 80 Prozent, von Fleisch. Evolution und Ernährung hängen eng zusammen. Denn durch den Fleischkonsum stieg auch die Energieversorgung, was ein größeres Gehirn ermöglichte.

Welchen Vorteil hatte Fleischnahrung für die Urmenschen

Fleisch macht schneller satt als Pflanzen. Eine gewisse Menge (Volumen, Masse) an Fleisch hat mehr Kalorien als die gleiche Menge an Pflanzen. Die Kaloriendichte ist einfach höher. Heute nimmt man schneller zu, wenn man mehr Fleisch isst. Aber die Urmenschen konnten die Kalorien (Energie) nutzen, um diese in den Ausbau ihres Gehirns zu stecken. Das menschliche Gehirn verbraucht etwa 25 Prozent aller im Körper benötigten Energiereserven.

Mit dem Anwachsen des Gehirns wurden sämtliche andere Leistungen eingebüßt. So benötigt bspw. ein Schimpansen-Gehirn lediglich 8 Prozent der Energiereserven. Und obwohl Schimpansen viel kleiner als Menschen sind, deren Muskeln ebenfalls schmächtiger sind, übersteigt die Körperkraft eines Schimpansen die des Menschen um ein Vielfaches. Der Grund ist das kleinere Gehirn und weniger vorgehaltene Energiereserven.

Dennoch ist es gerade das breite Nahrungsspektrum, das den Urmenschen so erfolgreich werden ließ. Er konnte sich gegen Nahrungskonkurrenten durchsetzen, weil er essen konnte, was sich anbot. Waren es keine Früchte, dann war es vielleicht Aas. Je nach Region, in der er lebte, waren die Nahrungsquellen andere. Homo erectus war ein Allesfresser, so wie alle nachfolgenden Menschenarten ebenfalls Generalisten waren. Neben dem Jetztmenschen sind die Schimpansen die einzigen Menschenaffen, welche ebenfalls Allesfresser sind.

Bevor sich der Urmensch zum Jäger entwickelte, war er ein Sammler pflanzlicher Nahrung. Sie war der Grundstock frühmenschlicher Ernährung. Während der Entwicklung des Homo erectus wurde die Jagd auf Wild immer wichtiger. Seine Wanderungen führten ihn aus seiner tropischen Stammheimat weg. Die Tropen kennen keine Jahreszeiten, sondern lediglich ein Tageszeitenklima. Pflanzliche Nahrung stand ganzjährig zur Verfügung.

Je weiter sich der Urmensch vom Äquator entfernte, desto deutlicher wurden die jahreszeitlichen Unterschiede, was die Verfügbarkeit pflanzlicher Nahrung angeht. Wenn sie nur noch ein Sommerhalbjahr gesammelt werden konnte, musste die Jagd den Mangel ausgleichen.

Welchen Vorteil brachte das Feuer für die Urmenschen

Wie sich Homo erectus das Feuer zunutze machte, ist unklar. Möglicherweise wurde er mit Bränden nach einem Blitzeinschlag konfrontiert und es gelang ihm, eine kleine Flamme am Leben zu erhalten. Irgendwann ist es ihm gelungen, selbst Feuer zu machen. Das wiederum erleichterte dem Urmenschen die Besiedelung kühlerer Regionen nach seinem Auszug aus Afrika.

Eine weitere Frage ist die, wie Homo erectus dazu kam, Fleisch im Feuer zu garen. Wie kam er auf solche Ideen? Denn verbranntes Fleisch hat für alle Tierarten, außer für Menschen und Wespen, einen ekelhaften Geruch. Der Geruch des ekelhaft Empfundenen schützt die Tiere davor, selbst verbrannt zu werden.

Also wie und warum Homo erectus darauf kam, Fleisch zu braten, ist noch nicht eindeutig geklärt. Es könnte beispielsweise so gewesen sein, dass nach Buschbränden verbrannte Tiere zurückblieben, deren Fleisch länger genießbar war als das von gewöhnlichem Aas. Auf jeden Fall hatte im Feuer gegartes Fleisch mehrere Vorteile. Es war besser zu verdauen und frei von gefährlichen Bakterien. Das Feuer selbst bot zudem Schutz vor Raubtieren.

Mit der Entwicklung des Feuers bekam die Menschheit eine Schlüsseltechnologie in die Hand, welche es ermöglichte, die Umwelt nach ihren Bedingungen zu ändern. Fortan gab es angesetzte Waldbrände, regelrechte Brandrodungen, um Tiere nicht zu jagen, sondern einfach zu verbrennen. Mit dem Feuer hielt die Menschheit eine Technologie in der Hand, welche zufällig zu ihnen kam – aber den Graben zur Tierwelt für immer verbreitete. Der Mensch stieg zum Spitzenprädator in seinem Ökosystem auf. Gleichzeitig konnte sich die Menschheit auch in kälteren Regionen ausbreiten, wodurch Homo erectus bis nach Asien vordringen konnte.

Warum waren Urmenschen geschickte Jäger

Falls man an die Jagd der Urmenschen denkt, meint man meist die Eiszeitjäger, zu denen der Neandertaler und der Homo heidelbergensis gehörten. Diese erlegten Mammuts mit Speeren und stellten sich Bären und Nashörner, welche damals noch in Europa lebten.

Die Jagd erfunden hatte allerdings Homo erectus, genauso wie die Beherrschung des Feuers. Aus ihm gingen die beiden genannten Menschenarten hervor. Der Unterschied des Homo erectus zu den älteren Hominiden war seine spezielle und neuartige Anatomie. Während bei dem älteren Frühmenschen, Homo rudolfensis, die Arme noch länger waren als die Beine, war es beim Homo erectus anders. Ältere Frühmenschen waren an das Leben auf Bäumen und in dichten Wäldern angepasst. Sie konnten sich zwar kurzfristig auf zwei Beinen halten, aber besser von Ast zu Ast hangeln, ganz ähnlich wie die modernen Schimpansen.

Homo erectus hingegen konnte aufgrund seines aufrechten Ganges und seinen langen Beinen auch längere Strecken gehen und größere Distanzen überwinden. Diese neue Ausdauerleistung ermöglichte Homo erectus auch, aus Afrika auszuwandern – wahrscheinlich um dem Jagdwild zu folgen. In Europa entwickelte sich die ausgewanderte Population des Homo erectus zum Heidelbergmenschen und Neandertaler. Vermutlich war diese Anpassung notwendig, um robuster zu sein und den Klimawandel (Eiszeiten) zu überstehen.

Großwildjagd

Der Urmensch jagte vor etwa 780.000 Jahren im heutigen Israel Damwild. Vor gut 370.000 Jahren erbeutete er im heutigen Thüringen Elefanten und Nashörner. Vor etwa 300.000 Jahren jagte er im heutigen Niedersachsen Pferde. Als Jagdwaffe diente der Speer. Speerspitzen konnten schon vor 500.000 Jahren aus Stein sein. Eine Ausgrabungsstätte in Südafrika beförderte Hunderte von etwa sieben Zentimeter langen Speerspitzen aus Stein zu Tage. Es entstanden Steinindustrien, um Feuerstein abzubauen und so zu schärfen, dass er als Waffe (Messer, Pfeilspitze) eingesetzt werden konnte.

Es gab aber auch Speere komplett aus Holz. Bei Ausgrabungen in Thüringen wurden sieben Speere gefunden, die jeweils 2,50 Meter lang und komplett aus Holz waren. Diese Speere ähneln den heutigen Wettkampfspeeren und waren mächtige Jagdwaffen, mit denen der Homo erectus auf Großwildjagd gehen konnte. Faszinierend an den „Mehrkomponentenspeeren“ ist die Tatsache, dass sie aus verschiedenen Materialien geschaffen sind und eine mächtige Durchschlagskraft hatten. Verbunden wurden die Steinspitzen mit den Rundhölzern mithilfe von Tiersehnen und Akazien-Harz.

Archäologen erprobten diese Jagdwaffen des südafrikanischen Urmenschen und schossen Modellspeere mit einer Armbrust auf schon erlegte Springböcke. Die Versuche waren erfolgreich. Die Speere drangen in die Tierkörper ein und überstanden dies unbeschadet. Diese aufwendig hergestellte steinzeitliche Jagdwaffe war also wiederverwendbar.

Neuere Waffen und Werkzeuge

Der Faustkeil war das Standardwerkzeug des Homo erectus. Damit konnten die erlegten Tiere zerlegt werden. Es fanden sich entsprechende Schnittspuren an den Knochen. Vermutlich wurde der Faustkeil auch als eine Art Wurfgeschosse verwendet und war somit ebenso wie der Speer eine Jagdwaffe. Als leichte Messer dienten lange, scharfe Knochensplitter.

Gemeinschaftsjagd

Die anatomischen Vorteile des Urmenschen, die ihn zu einem der erfolgreichsten Hominiden werden ließen, zwangen ihn aber gleichzeitig, sein Verhalten zu verändern, sich Schwierigkeiten zu stellen und Lösungen zu finden. In den europäischen Kältesteppen der Zwischeneiszeiten folgten die Urmenschen den riesigen Tierherden, um sie zu jagen. Dies taten sie mit sehr viel Geschick. Um Kräfte zu sparen und den Jagderfolg zu maximieren, trieben sie die Tiere in Fallen. Dazu war es aber notwendig, dass sich mehrere Homo erectus-Horden zu einer Jagdgemeinschaft zusammenschlossen.

Der Urmensch lebte in verstreuten Horden. Wenn sich die Tiere aber zu ihren großen Wanderungen aufmachten, schlossen sich die Horden zusammen und trieben die Tiere mit Gebrüll und gezielt gelegte Buschfeuer in sumpfiges Gelände oder zu Abhängen, die sie hinunterstürzten. Hier konnten die Tiere dann getötet und zerlegt werden. Archäologen haben in Spanien eine solche Schlachtstätten ausgegraben. Vor etwa 300.000 Jahren wurden hier 30 Elefanten, 25 Pferden, 25 Hirschen, zehn Wildrindern und sechs Nashörnern geschlachtet. Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass der Homo erectus zu Ausdauerjagden von bis zu 5,5 Stunden fähig war, ohne Wasser mitzuführen (dazu hätte es Behältnisse gebraucht) und unter Bedingungen, wie sie heute in der Kalahari vorherrschen.

Ein solches gemeinschaftliches Jagdereignis diente auch zum Austausch von Informationen oder von Werkzeugen, vielleicht auch von Frauen. Das ist deswegen anzunehmen, weil eine solche Jagd geplant und organisiert werden musste. Es ist anzunehmen, dass Homo erectus sich also zu dieser Zeit schon sprachlich ausdrücken konnte, obwohl der archäologische Beweis dafür fehlt.

Ohne Sprache ist eine Kooperation dieses Ausmaßes nicht denkbar. Nach der Jagd, der Zerlegung und Verteilung der erlegten Tiere, gingen die Urmenschen wieder auseinander und lebten bis zur nächsten Tierwanderung ein Jahr später wieder als nomadische Sammler und sporadische Jäger.

Wie haben Urmenschen gesprochen

Urmenschen konnten wohlmöglich nicht sprechen, da ihnen die Sprechwerkzeuge fehlten. Die Sprache ist belegt für Homo sapiens und wohlmöglich für den Neandertaler – da in dessen Zunge ein Zungenbein (Knochen) existierte, welche die Feinmotorik – die zum Sprechen notwendig ist – garantierte.

Die Römer, Ägypter, Griechen, alten Inder und Chinesen haben uns viele alte Texte hinterlassen, sodass moderne Linguisten sich der gesprochenen Sprache nähern können. Aber dies hilft ebenfalls nicht weiter. Der Urmensch kannte noch keine Schrift! Deswegen nennen Archäologen diese Zeit Urgeschichte oder Vorgeschichte.

Geschichte, als tatsächliche Rekonstruktion der Vergangenheit, ist an Schrift gebunden, an die Überlieferung von Fakten in Texten. Die gab es weder in der Eisenzeit, Bronzezeit, noch in der davor liegenden Steinzeit. Archäologen können also weder über das gesprochene Wort, noch das geschriebene, Erkenntnisse aus der Urgeschichte gewinnen.

Es gibt aber noch andere Ansätze. Linguisten und Anatomen können ebenfalls dazu beitragen, herauszufinden, ob der frühe Mensch bereits gesprochen hat. Warum sprechen wir? Weil wir’s können. Unser Kehlkopf und unser Mundraum sind anatomisch so ausgebildet, dass wir Laute (Linguisten nennen sie Phon) ausbilden können. Diese können Bedeutungen tragen. Dann nennt man sie Phoneme.

Der Laut „a“ zum Beispiel kann bereits Erstaunen, Überraschung oder Schmerz ausdrücken. In anderen Regionen kann er andere Bedeutungen haben. Der moderne Mensch ist aber in der Lage, ein „a“ zu artikulieren. Archäologen gehen deshalb davon aus, dass auch der prähistorische Mensch dies konnte, zumindest der Homo sapiens, der vor knapp 300.000 Jahren in Afrika entstand und danach die gesamte Erde besiedelt hat. Was wir nicht wissen ist, welche Sprache er gesprochen hat.

Hier kann die Linguistik ein wenig helfen. Oder zumindest versuchen zu helfen. Linguisten können rekonstruieren, wie sogenannte Ursprachen ausgesehen haben könnten. Sie rekonstruieren dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Sprachen, die miteinander verwandt sind. Deutsch und Englisch zum Beispiel.

Wird der berühmteste Römer, Julius Caesar, denn nun mit K (Griechisch), Ts (Deutsch), scharfem S (Englisch) oder weichem S (Französisch) oder gar Tsch (Italienisch) gesprochen? Vergleiche mit Texten aus der Antike und den enthaltenden Schriftsprachen führen zu der Annahme, dass das Klassische Latein tatsächlich ein k-Laut war, der später in unterschiedlichen Regionen anders ausgesprochen wurde.

So ähnlich können auch Ur-Wörter rekonstruiert werden. Diese sind aber immer nur Annahmen. Ob diese Urwörter so wirklich existierten, wissen wir nicht. Leider ist es nicht möglich, diese Ursprache bis in die fernste Vergangenheit zu rekonstruieren. Ursprachen lassen sich nur wenige tausend Jahre in die Vergangenheit verfolgen, so wie das Ur-Indoeuropäische, welches für die Zeit um 2000-3000 v. Chr. angesetzt wird. Was davor gesprochen wurde, wissen wir nicht und werden es auch nicht wissen können. Was wir aber sagen können, ist, dass der Jetztmensch (homo sapiens) mindestens seit 300.000 Jahren die anatomische Fähigkeit hatte, zu sprechen.

Bei den Vorgängerformen, dem Urmenschen und dem Frühmenschen, sind sich die Anthropologen nicht sicher. Untersuchungen der Skelettfunde der frühesten Menschenformen, also Australopithecus, Homo habilis und Homo erectus, sind nicht ergiebig. Es gibt zu wenige Knochen und auch zu wenige Beispiele für den Kehlkopfbereich. Aussagen, ob diese Ur- und Frühmenschen bereits in der Lage gewesen wären zu sprechen, sind nicht eindeutig.

Dementsprechend sind Archäologen, wie auch Anthropologen, darüber zerstritten. Bislang gibt es keine Beweise, dass diese Urmenschen eine Sprache hatten oder gar sprechen konnten. Einige Forscher verweisen jedoch darauf, dass bereits Tiere eine primitive Art von Kommunikation besitzen. Möglicherweise gab es bei den ältesten Ur- und Frühmenschen bereits sehr primitiv ausgebildete Laute, wie Klicken, Grunzen usw. Aber dies ist empirisch nicht beweisbar und die meisten Forscher lehnen solche Aussagen als Spekulation ab.

Was haben Urmenschen gedacht

Ein weiterer Ansatz für den Spracherwerb der Urmenschen stammt aus der kognitiven Archäologie. Diese untersucht, welche Gedankenprozesse unsere Vorfahren gehabt haben könnten. Sie wird vor allem auf die Bildsprache von prähistorischen Höhlen- und Felszeichnungen angewendet. Zeugen diese nicht von einer Art „Kunstschaffen“? Und was ist mit prähistorischen Musikinstrumenten, wie der Flöte aus dem Hohle Fels? Wenn der Homo sapiens zu jenem Zeitpunkt bereits Kunst und vielleicht auch Spiritualität ausdrücken konnte, dann konnte er sicherlich auch schon kommunizieren – mittels einer Sprache.

Ähnliche Ansätze werden für den Neandertaler diskutiert. Auch hier konnten bereits Ansätze einer Kunst und auch einer Spiritualität, zum Beispiel im Rahmen von Bestattungen, nachgewiesen werden. Direkte Beweise für eine Sprache sind dies jedoch nicht. Sie belegen aber, dass sowohl Homo sapiens als auch Neandertaler nicht nur über die notwendigen Sprechorgane verfügt haben, sondern auch über ein Denken, das konkrete und abstrakte Denkprozesse verarbeiten konnte. Sprache war zumindest möglich.

Wir werden aber niemals wissen, wie sich diese in Form einer konkreten Sprache ausdrücken ließ. Bei den Urmenschenformen lassen sich diese kognitiven Prozesse zwar ebenfalls in primitiver Form nachweisen, aber ob sie Ausdruck eines abstrakten Denkens waren, ist nicht klar. Nur wenige Artefakte, also Objekte aus jener Zeit, lassen sich als „Kunst“ oder „Kult“ interpretieren.

Die meisten Steinwerkzeuge waren Alltagswerkzeuge, die nicht besonders entwickelt waren. Australopithecus nutzte über Jahrmillionen nur Geröllgeräte und die Faustkeile, die mit dem Homo erectus in Verbindung gebracht werden, laufen ebenfalls fast eine Million Jahre ohne Veränderungen durch. Aber auch hier lässt sich nur zusammenfassend sagen: Ob sie sprechen konnten oder nicht, ist reine persönliche Meinung – wissen werden wir es höchstwahrscheinlich nie.

Literatur

  • Friedemann Schrenk (Autor), Die Frühzeit des Menschen: Der Weg zum Homo sapiens (Beck’sche Reihe), ISBN: 3406736009*
  • Dierk Suhr (Autor), Das Mosaik der Menschwerdung: Vom aufrechten Gang zur Eroberung der Erde: Humanevolution im Überblick, ISBN: 3662568292*
  • Charles River Editors (Autor), Homo habilis: The History of the Archaic Hominins and Their Use of Stone Tools, ISBN: 979-8519688284*

Weitere Artikel

Mehr Beiträge zur Steinzeit findest du in unserem Steinzeitlexikon.


Ähnliche Beiträge