Religionsgeschichte von der Urgeschichte bis heute
Religion ist der Glaube an eine überirdische Macht oder System, welches die Welt ordnet. Grundlage dieses Ordnungsglaubens sind bestimmte Werte oder Normen, welche die jeweilige Religion vorgibt. Auf Grundlage dieser Werte und Normen werden gewisse Verfahrens- und Verhaltensregeln abgeleitet, welche als Gebote und Verbote definiert werden.
Jede Religion behauptet von sich, dass sie auf übermenschlichen Gesetzen und nicht auf menschlichen Entscheidungen basiert. Die großen Religionen (Weltreligionen) müssen für sich in Anspruch nehmen, dass diese Ordnung für möglichst viele Menschen zutrifft. Dies sollte den Menschen erklärt werden, weshalb Missionare ausgeschickt wurden, um das Wort ihres Gottes zu verkünden. Große Verkündigungsreligionen sind der Islam, das Christentum oder der Buddhismus.
Außerdem muss die göttliche Ordnung zu jeder Zeit, an jedem Ort und für jeden Menschen immer wahr bzw. zutreffend sein. Dieser Universalismus kommt nicht ohne Erklärungen aus. Deshalb basieren alle Universalreligionen auf zielgerichtete Erzählungen, welche ein unerklärliches Phänomen so darstellen, dass es für die Glaubensgemeinschaft als göttliche Ordnung erscheint.
Inhalt
Warum ist nur der Mensch zur Religion fähig
Der Grund, weshalb der Mensch überhaupt zu Religion, Glauben und Spiritualität fähig ist, liegt in unserer Sprache. Ein Tier kann Laute von sich geben und es kann über Gerüche oder Körpersprache kommunizieren. Aber nur in der menschlichen Sprache kann man über Dinge reden, welche in der physischen Welt nicht existieren.
Einen Hund kann man nicht dazu überreden, auf einen Teil seiner Leckerlies zu verzichten, um damit eine Hundeschule zu finanzieren. Doch jeder Mensch zahlt Steuern aus genau solchen Gründen.
Nur der Glaube macht Religion möglich
Letztlich ist das menschliche Leben von Erwartungen geprägt. Wir wachen frühmorgens auf und könnten liegenbleiben. Aber stattdessen quälen wir uns aus dem Bett und fahren zur Arbeit. Denn wir haben eine Vorahnung davon, was passiert – wenn wir dem nicht nachgehen.
Eine Katze, ein Hund und jedes andere Tier würde so etwas niemals machen. Sie handeln aus Instinkten heraus. Aber das menschliche Handeln wird größtenteils von Zukunftserwartungen und Möglichkeiten gesteuert, von denen wir eigentlich nicht wissen, ob diese wirklich so eintreffen werden oder nicht. Wir besitzen demnach einen Glauben, welchen Tiere nicht haben.
Damit unser Handeln uns nicht absolut sinnlos vorkommt, erfinden wir eine passende Erzählung dazu. Bei der Aufstehgeschichte geht es um den Arbeitsplatz, welchen wir nicht verlieren wollen oder die Verantwortung, welche wir tragen. Aber, da wir nicht wissen – ob wir wirklich den Job verlieren oder ob nicht jemand anderes die Verantwortung übernehmen könnte – bleibt das Ganze eine Geschichte bzw. eine Wette auf eine mögliche Zukunft. Und letztlich ist Religion genau das, eine Wette auf die ferne Zukunft.
Und diese Zukunftsvisionen bestimmen unseren Alltag. So packen wir einen Regenschirm ein, wenn wir glauben – dass es heute noch regnen wird. Wir vertrauen auf Wettervorhersagen, den Wirtschaftsprognosen im Fernsehen und wir lieben Horoskope. Nur der Mensch kann bereits zum Frühstück schon 20 Sachen erfinden, an welche er glaubt. Kein Tier ist zu solch einer Leistung fähig.
Religion ist nur durch fiktive Sprache möglich
In der menschlichen Sprache gibt es Worte von rein spiritueller Bedeutung. Man kann sagen, dass der Mensch eine fiktive Sprache oder Glaubenssprache entworfen hat.
Zu dieser Glaubenssprache gehören Worte, wie Gott, aber auch wie Staat, Rechtssystem oder Finanzkapitalismus. All dies sind Konzepte, welche in der physischen Welt eigentlich nicht existieren. Der Mensch hat sie sich irgendwann einmal ausgedacht, einen Namen dafür vergeben und dem ganzen dann eine Bedeutung beigestiftet.
Doch jetzt kommt’s….
Sobald eine Gemeinschaft an solche Konzepte glaubt, werden sie wahr. Denn ein Staat oder ein Rechtssystem sind durchaus real, sobald ein Volk daran glaubt und seine Handlung danach ausrichtet. Wenn wir an Gesetze glauben, handeln wir danach. Unser Glaube und unsere Handlungen machen ein fiktives Gesetz zu etwas Realen. Ohne den Glauben – kann kein Staat, keine Religion und kein Rechtssystem existieren.
Nun kann man einwerfen, dass auch Tiere eine Lautsprache haben. Ja das stimmt. Aber kein Tier kann lügen. Wenn ein Hund aufgrund einer Gefahr bellt, dann weil dort eine Gefahr ist. Würde der Hund, welcher vom Wolf abstammt, leichtfertig lügen – würde man diesen aus dem Rudel verbannen. Denn jede Lüge bringt das Rudel in Gefahr und kann somit nicht geduldet werden.
Hinzu kommt, dass die Lüge rein objektiv betrachtet – keinen Nutzen hat. Nun kann man einwerfen, dass der Hund aus Spaß bellt und seinen Rudelmitgliedern einen Streich spielen möchte.
So eine kleine Lüge kann durchaus Spaß bereiten. Und sehr viele Menschen spielen gerne Streiche oder erfinden kleine Lügen, um sich und ihre Mitmenschen zu unterhalten. Also wieso sollte der Hund das nicht auch tun? Die Antwort ist ganz einfach: Kein Tier hat eine Vorstellung von der Zukunft.
Religion ist mit der Vorstellung von Zeit verknüpft
Der Mensch kennt Zeitformen, wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ein Tier kennt solche Konzepte nicht, da es auch keine Zeit kennt. Denn Zeit ist ebenfalls eine Erfindung des Menschen, welche in der physischen Welt nicht existiert.
In der Natur gibt es zwar Jahreszeiten, aber das Naturgesetz dahinter ist Veränderung. Alles verändert sich stets und ständig. Doch das menschliche Gehirn schiebt eine Zeitkomponente ein, um diese Zustandsänderungen im Verlauf besser beschreiben zu können.
Der Mensch denkt in Abfolgen, kann Chronologien erstellen und kennt Konzepte wie davor oder danach. Dies macht es uns möglich, in Kategorien wie Anfang und Ende zu denken. Wir sind das einzige Lebewesen der Welt, welches über seine Geburt oder seinen Tod nachdenken kann. Da ein Tier keine Zeit kennt, kann es solche Konzepte nicht begreifen.
Religion wird durch Ursache-Wirkung-Zusammenhänge möglich
Aber das Zeitdenken ermöglicht dem Menschen nicht nur, zeitliche Abfolgen zu begreifen, sondern auch kausale. Das bedeutet, dass der Mensch eine Ursache und mögliche Wirkung zusammenführen kann. Dabei liegt die Ursache in der Vergangenheit und die Wirkung in der Gegenwart oder in der Zukunft.
Nur diese kausalen Zusammenhänge machen es überhaupt erst möglich, dass man einen Menschen einreden kann – einen Kirchenzehnt zu leisten, um ins Himmelreich aufgenommen zu werden. Kein Hund würde sich dazu hinreißen lassen, freiwillig auf den zehnten Leckerlies zu verzichten, um nach seinem Tod in den Hundehimmel zu kommen.
Warum gibt es Religionen
Anzunehmen ist, dass der Glaube an etwas Übernatürlichen eine Form des Problemlösens war. Dadurch, dass der Mensch eine Sprache erfand – welche ein vorher und nachher kennt – kann er Ursache und Wirkung in Zusammenhang setzen. Falls es für irgendein Ereignis keine Ursache gibt, erfindet der Mensch die Erklärung dazu.
Und falls diese Ursache auch noch so blöd erscheint, wird diese solange rational ausgeschmückt bis sie passt. Denn ein bedeutendes Ereignis kann im menschlichen Verstand nicht ohne Ursache stehen bleiben. Dies würde uns mental so stark verunsichern, dass wir weiter nach den Ursachen suchen.
Und wenn während der menschlichen Urgeschichte irgendwo ein Blitz einschlug, wurde nach der Ursache des Problems gesucht. Im menschlichen Verständnis geht es heute noch darum, die Ursache so zu beeinflussen, dass das Ergebnis positiver ausfällt. Im Falle des Blitzeinschlags wurden Opfergaben für den Blitzgott bereitgestellt, wodurch dieser gnädig gestimmt werden sollte. Dadurch schien das Problem gelöst.
Falls der Blitz nochmal einschlägt, reichten wohlmöglich die Opfergaben nicht aus. Demnach wurden mehr Opfergaben oder andere gebracht. Und wieder hatte man das Problem gelöst.
Wie entstand die Religion
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er mal die Wahrheit spricht.
Dieses Sprichwort kennen die meisten.
Tatsächlich sind alle Dinge, welche wir über die Zukunft erzählen – reine Spekulationen und Unwahrheiten. Und die Erzählungen, welche wir über die Vergangenheit berichten, werden durch Kausalzusammenhänge ergänzt.
Da die Ursache-Wirkungsprinzipien, welche wir kennen – auf unseren individuellen Erfahrungen basieren – wird selbst die Vergangenheit individuell unterschiedlich verklärt. Demnach handelt es sich ebenfalls um Unwahrheiten oder Halbwahrheiten.
Die ersten Homo sapiens konnten es sich aber keineswegs leisten, irgendwie zu flunkern. Wenn ein Jäger sagte: Vorsicht Löwe! Tja, dann musste sich die Gruppe darauf verlassen können. Demnach wurde Sprache anfangs nur dazu genutzt, um wahre Informationen auszutauschen. Halbwahrheiten oder gar Lügen hätten das Überleben des ganzes Stammes gefährdet.
Noch heute fällt es den meisten Menschen, irgendwie schwer zu lügen. Unser Körper reagiert auch darauf, indem sich der Puls erhöht und man ein Gefühl der Aufregung verspürt. Einige Menschen bekommen sogar einen roten Kopf beim Lügen. Demnach ist die Lüge schon etwas, gegen was sich unser Organismus immer noch wehrt.
Aber es gab durchaus Erzählungen, welche halbfertig präsentiert werden konnten. Zum Beispiel eine Erzählung darüber, wie man dem Löwen entkommen ist. So kann ein Überlebender am Feuer seinen Clanmitgliedern berichtet haben, dass man nur ins Wasser rennen braucht, um dem Löwen zu entkommen. Solche Erzählungen haben überdauert, da nur Überlebende ihre Erfahrungen berichten konnten.
Falsche Entscheidungen führten dazu, dass der Löwe den Flüchtling fangen und fressen konnte, weshalb nur wirklich gute Entscheidung weitererzählt werden konnten. Und diese Erfahrungen wurden dann von einem Clanmitglied zum nächsten weitergegeben, wodurch der ganze Stamm profitierte.
Demnach gab es bereits vor der Erfindung von Religionen, diverse Geschichten – welche über eine Vergangenheit berichteten, deren Erkenntnisse dann in die Zukunft transferiert wurden. Doch irgendwann muss ein Stammesangehöriger beschlossen haben, dass es durchaus Sinn macht, die Löwengeschichte ganz neu zu erzählen. Dann wurde aus „Vorsicht Löwe!“ die Erzählung, dass der Löwe nun der Schutzgeist des Stammes ist.
Wirkung von Veränderungen
Zu solchen Neuerzählungen kam es wohlmöglich bei wirklich gravierenden Änderungen. Schon in der Altsteinzeit gab es mehrere Klimaveränderungen. Und in den Kälteperioden, welche mehrere hundert Jahre andauerten, starben in einem Stamm haufenweise Artgenossen.
Die Erzählung was tatsächlich ist, half nicht weiter. Auch die Erzählung über die Ursache des Kälteeinbruchs half nicht wirklich weiter. Stattdessen halfen jetzt Geschichten darüber, wie man der Kälte begegnen kann.
Dass die Menschen in den Kälteperioden abwanderten, zeigt – dass Alternativen gedacht worden waren. Man begann damit, Pläne zu entwerfen. Es muss eine Erzählung darüber existiert haben, dass es irgendwo besser sein könnte als am gegenwärtigen Ort.
Man begann also damit, sich ein theoretisches Paralleluniversum anderswo auszudenken, in dem die Dinge anders passieren könnten. Die Welt und ihre Bedeutung wurde neu verhandelt und Spekulation über eine mögliche Zukunft kamen auf.
Dies muss der Zeitpunkt gewesen sein, wo die Spekulation über eine mögliche Zukunft erstmalig die Realität in der Priorisierung überstieg. Der Glaube an die Spekulation muss dann durch gemachte Erfahrungen belegt werden, wodurch sich dieser dauerhaft durchsetzen konnte.
Geschichte der Religion
Religionen der Steinzeit
Religionen entstanden in der Urgeschichte, wohlmöglich bereits in der Altsteinzeit. Die Wildbeuter lebten allerdings inmitten der Natur und sahen sich selbst als ein Teil davon. Um Nahrung zu beschaffen, sammelten sie entweder Pflanzen oder jagten Tiere. Man bezeichnet die Träger der steinzeitlichen Wildbeuter-Kultur deshalb auch als Jäger und Sammler.
Jene Wildbeuter begriffen alle Lebewesen als gleichwertig. Somit war im steinzeitlichen Bewusstsein das erbeutete Tier keineswegs minderwertiger, nur weil es in der Nahrungskette unter bzw. vor dem Menschen stand. Denn auch Spitzenprädatoren, wie Löwen oder Tiger, welche in der Nahrungskette höher als Menschen bzw. weiter hinten stehen – werden nicht als höherwertig gesehen.
Heute sieht sich der Mensch als wertvollstes Wesen. Er begreift sich als höherwertiger gegenüber Tieren und Pflanzen. Dieses Bewusstsein eignete sich der Mensch an, als er begann – Tiere und Pflanzen zu besitzen. Und dieser Besitz kam mit dem Übergang zu Ackerbau und Viehzucht auf. Jener Kulturwandel wird als Neolithische Revolution bezeichnet und vollzog sich während der Jungsteinzeit, also der letzten Steinzeitepoche. Demnach kam mit dem der landwirtschaftlichen Revolution zugleich eine spirituelle Neuerzählung auf.
Die Religion der Menschen in der Alt- und Mittelsteinzeit wird als Animismus bezeichnet. Heutige Wildbeuter-Kulturen praktizieren den Animismus immer noch. Zentraler Bestandteil ist, dass jedes natürliche Objekt eine eigene Natur (Seele) hat. Demnach hat der Wind eine Seele, genauso wie der Baum, der Stein, der Mensch, das Jagdwild oder der Fluss.
Aber die steinzeitlichen Wildbeuter lebten regional unterschiedlich. Ihre gesellschaftliche Ordnung entsprach einem Stamm, welcher sich grundlegend vom benachbarten Stamm unterschied. Demnach gab es in den ersten beiden Steinzeitepochen zahlreiche unterschiedliche Religionen. Wählte der eine Stamm ein Wildschwein als heiliges Tier, so ernannte der Nachbarstamm einen Hirsch zum Schutzpatron. Die einzelnen Religionen basierten auf unterschiedliche Erfahrungen jedes einzelnen Stammes.
Aus der Religion eines Stammes leiteten sich Wertvorstellungen, Handlungen und Überlebensstrategien ab. Da jeder Wildbeuter-Stamm lediglich ein Territorium von mehreren Quadratkilometern bewohnte, musste jedes einzelne Stammesmitglied die natürliche Ordnung seines Gebietes kennen und achten.
Beginn der Jenseitsmythologien
Als Erfinder des Jenseits werden die Neandertaler genannt. Die Jetztmenschen (Homo sapiens) haben diese Mythologie übernommen oder eine eigene entwickelt. Aus dem Jenseitskult der Steinzeit entstanden in der Bronzezeit neue Konzepte. So kennt die ägyptische Mythologie ein Totenreich und Totengericht. In Mesopotamien dachte man mit dem Kianag-Kult an die Toten.
Während der Antike gab es Hades, dem Wächtergott der Unterwelt und Tartaros als personifizierte Unterwelt. Dem stand Elysium, als Insel der Glückseeligen, gegenüber. In moderneren Religionen gibt es andere Jenseitskonzepte, wie das Paradies, das Nirwana oder Himmel und Hölle.
Dass die Idee eines Jenseits bereits in der Altsteinzeit existierte, lässt sich belegen. Denn sowohl Neandertaler aus auch die ersten Jetztmenschen begruben ihre Toten unter der Erde. Durch das Vergraben der Toten muss sich in der altsteinzeitlichen Gedankenwelt die Idee festgesetzt haben, dass es neben der irdischen Welt noch eine überirdische geben könnte.
Aber die Vorstellung eines Jenseits basiert auf einer Teilung der irdischen Welt. Diese mythologische Annahme ist erst entstanden als die Götter und die Toten aus der Welt der Lebenden verbannt worden.
In der Gedankenwelt der frühen Menschheit (Animismus) gab es dieses Konzept noch nicht. Denn die ersten Menschen glaubten daran, dass sie sich die Welt mit Geistern, Toten und Göttern teilen. Irgendwann kam man auf die Idee, dass die Götter auf unzulänglichen Bergen wohnen und die Toten in entlegenen Schluchten. Erst ab diesem Zeitpunkt teilte man die Welt in irdische, überirdische und unterirdische Welten auf.
Religionen im Altertum
Die Neolithische Revolution in der Jungsteinzeit garantierte eine Überproduktion an Nahrungsmitteln. Dies führte zu einem Bevölkerungsanstieg.
Ab einer bestimmten Bevölkerungsgröße lässt sich das Zusammenleben einer Gesellschaft nicht mehr durch Naturgeister regeln. Es braucht dann Gesetze und Regeln. Außerdem braucht es Hierarchien und Rangfolgen in einer Zivilisation. Eine Religion muss so etwas abbilden können.
Man stelle sich vor, dass ein Bauer zu einer Fee an seinem Fluss betet oder den Geist in seinem Baum verehrt. Nun nimmt durch Ackerbau und Viehzucht die Bevölkerung stark zu. Damit nimmt auch das Territorium zu, in welchem das Bauernvolk lebt. Der regionale Baumgeist oder die Feen am Fluss können dann nicht mehr die Bedürfnisse in anderen Teilen des Stammesgebietes befriedigen. Es braucht nun andere Wesen, welche die natürliche Ordnung repräsentieren.
Die Konflikte einer wachsenden Welt lassen sich ohne Hierarchien in der Glaubenswelt nicht lösen. Und eine extrem anwachsende Bevölkerung hatte Problem, welche gelöst werden mussten.
Die Menschen begannen an noch höhere Wesen zu glauben, welche sie Götter nannten. Das Götterbild im Altertum war polytheistisch. Das bedeutet, dass es mehrere Götter gab – welche in einer gewissen Rangfolge standen. Die Götter unterhielten Beziehungen zueinander und waren einem bestimmten Lebensbereich zugeordnet, welchen sie repräsentierten. So gab es Götter für den Ackerbau, fürs Wetter, für Kriege und für die Schifffahrt. Es gab Schutzgötter für einzelne Städte, genauso wie für Frauen, Kinder und Alte.
Der Polytheismus kam aber keineswegs über Nacht. Stattdessen wurden in den frühen Agrargesellschaften allmählich die Schutzfeen und Naturgeister von Göttern ersetzt. Diese repräsentierten eine Ordnung, welche nötig war – um eine stetig anwachsende Gemeinde beherrschbar zu halten.
Mit den Göttern wuchs allerdings auch der Status des Menschen. Denn die Menschheit konnte die Götter entweder gnädig oder zornig stimmen. Demnach hatte der Mensch erstmalig den Glauben, dass er die Welt – in welcher er lebt, mitgestalten könne. Das Mitgestaltungsrecht konnte zwar nicht primär ausgeübt werden, aber die Gunst der Götter zu gewinnen – ließ Handlungsmöglichkeiten zu. Der Mensch stieg also durch den Polytheismus auf und stellte sich selbst unter die Götter.
Geburt des Schicksals
Im Altertum waren die Götter keineswegs die höchsten Wesen im Kosmos. Denn in sämtlichen Mythologien des Altertums kannte man Schicksalsgöttinnen, deren Plan sich auch die Götter unterwerfen mussten. So gab es in der griechischen Mythologie die Moiren und Ananke, welche auch das Leben der Götter beeinflussten. Die römische Mythologie erwähnt die Parzen und Necessitas als Schicksalsgötter.
Bei den Germanen und Wikinger waren die Nornen jene Schicksalsgöttinnen, welche letztlich die Götterdämmerung (Ragnarök) einleiteten. Und im hinduistischen Polytheismus wird Atman als Weltseele genannt, welche sämtliche Götter, Geister, Menschen, Tiere und Pflanzen beherrscht.
Die Konsequenz im Polytheismus ist, dass es eine oberste Macht gibt, der auch die Götter unterworfen sind. Für die Menschen bedeutet dies, dass es keinen Sinn macht – diese oberste Macht anzurufen. Denn den Schicksalsgöttern war es völlig egal, ob ein lokaler König stirbt oder den Thron behält. Den Schicksalsgöttern war es auch egal, ob die Regenzeit einsetzt und ausfällt. Deshalb widmete die Menschheit den Schicksalsgöttern auch keine Aufmerksamkeit.
Es wurden also keine Tempel für die Moiren gebaut, noch Feste für sie abgehalten. Stattdessen bauten die Menschen diverse Tempel für Apollon, Athene oder Zeus. Diese Wesen waren zwar nicht allmächtig, aber immerhin machtvoller als die Menschen. Man glaubte, dass diese Wesen irgendeinen Schutz bieten könnten oder positiven Beitrag leisten könnten. Das Schicksal der Welt konnten die Götter aber nicht aufhalten oder ändern.
Monotheistische Anfänge
Der Monotheismus stellt einen Gott über alle anderen Wesen. Die erste monotheistische Religion wurde im Alten Ägypten begründet. Denn im Jahr 1350 v.Chr. erklärte Pharao Echnaton den Sonnengott Aton zum höchsten Wesen des Universums. Dann erhob Echnaton den Aton-Kult zur Staatsreligion. Doch dieser Versuch scheiterte, da nach Echnatons Tod die Vielgötterei (Polytheismus) in Ägypten wieder eingeführt wurde.
Die Faszination, dass man die höchste irdische Macht irgendwie doch erreichen könne, brachte das Volk der Israeliten auf den Weg. Unter Führung von Moses flohen die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Der Auszug aus Ägypten dauerte 40 Jahre und wird als Exodus bezeichnet. Während der 40-jährigen Reise erfuhr Moses auf dem Berg Sinai die Macht des Gottes Jahwe (JHWH). Dort erhielt er die zehn Gebote für sein Volk.
Außerdem versprach Jahwe dem Volk der Israeliten ein gelobtes Land im Osten, welches sie bewirtschaften konnten. Die Israeliten verstanden sich fortan als ein Volk, welches von Gott auserwählt wurde.
Das auserwählte Volk zog in den Nahen Osten, besiedelte das Land Kanaan und Palästina. Dort angekommen, wurde das Land unter den Israeliten in 12 Territorien aufgeteilt. Unter den zwölf Stämmen Israels tat sich der Stamm Juda hervor, aus dem später das Königreich Juda hervorging. Das Judentum (Ableitung von Juda) war eine der ersten monotheistischen Religionen – welche bis in die Neuzeit überdauerte.
Das Judentum behauptet seither, dass sich die oberste Macht des Universums durchaus für die Belange der Menschheit interessiere. Jedoch beschränkt sich das Interesse der obersten Macht lediglich auf das Volk der Israeliten (Juden). Da Jahwe den Israeliten das gelobte Land versprochen und zugewiesen habe, gilt das Interesse auch dem Gebiet (heute Israel). Dieser Gott hat andersgläubigen Menschen nichts zu bieten, weshalb das Judentum auch niemanden bekehren will.
Aufspaltung des Monotheismus
Für die nächsten Jahrhunderte blieb das Judentum eine regionale Religion, beschränkt auf dem Landstreifen im Nahen Osten, welche wir heute Israel nennen.
Um die Zeitenwende (Jahr 0) herum, wurde in diesem Gebiet ein junger Mann – namens Jesus von Nazareth – geboren. Zu seiner Zeit war das heutige Israel eine Provinz des römischen Reiches.
Im römischen Reich verehrte man immer noch viele Götter. Das war nicht weiter schlimm, da der Polytheismus keine Bekehrung vorsieht. Auch fremde Götter wurden geduldet. Deshalb konnten die Juden im besetzten Israel (Palästina) ihren Gott durchaus behalten, während die römischen Statthalter an ihre Götter glaubten.
Doch das Volk der Israeliten blickte bereits auf eine lange Besatzungsgeschichte zurück. So wurde das Gebiet in den letzten Jahrhunderten zuerst von Babyloniern und schließlich von den Persern erobert, dann von den Griechen und schließlich von den Römern besetzt.
Im Volk der Israeliten existierte eine Erzählung bzw. Prophezeiung, wonach es einen Erlöser (Messias) geben soll – welcher das Volk und das Land wieder vereint. Einige der Israeliten sahen in Jesus von Nazareth diesen Erlöser, folgten ihm und verbreiteten diverse Erzählungen über Wunder, welche Jesus vollbracht haben soll.
Für die Römer wurden die Jesuserzählung zur Bedrohung, weshalb der römische Statthalter Pontius Pilatus den Erlöser gefangen nahm und schließlich kreuzigen ließ.
Da aber so ein Erlöser nicht einfach am Kreuz sterben darf, kam mit seinem Tod eine zweite Wundererzählung auf. Und zwar soll Jesus von den Toten auferstanden sein. Demnach war Jesus nicht nur der König der Juden, sondern auch jemand – welcher den Tod überwunden hatte. Er wurde somit zum Sohn Gottes erklärt, welcher für die Sünden aller Menschen am Kreuz starb.
Den neuen Namen, welchen man Jesus gab, war Jesus Christus. Und Christus bedeutet Gesalbter. Die Salbung war ein religiöses Ritual, welchem sich Jesus vor seinem Tod unterzog. So eine Salbung diente der Heilung (Heiligung) und war ein Prozess, bei dem die politische und religiöse Macht auf ihn überging. Dadurch wurde er offiziell zum Messias (Erlöser) erklärt.
Von der Sekte zur Weltreligion
Aber nicht alle Juden sahen in Jesus den Erlöser. Stattdessen warten Anhänger des Judentums heute noch auf den Messias. Doch die Anhänger Jesu spalteten sich für immer von ihren jüdischen Landsleuten ab.
Was als kleine religiöse Sekte des Judentums begann, wurde in den nächsten Jahrhunderten zur bedeutendsten Weltreligion überhaupt.
Die Sektenführer um Jesus Christus nahmen an, dass Jesus für die Sünden aller Menschen am Kreuz gestorben war. Außerdem ist er wieder auferstanden. Diese Erfolgsgeschichten mussten erzählt werden.
Dieses Weitererzählen sollte den massiven Unterschied zum Judentum ausmachen. Denn während sich das Judentum lediglich auf das Volk der Israeliten beschränkte, sollte das Christentum für alle Menschen sein. Denn schließlich ist Jesus für alle Menschen gestorben und nicht nur für Seinesgleichen.
Einer der ersten Sektenführer war Paulus von Tarsus, welcher im 1. Jahrhundert n. Chr. lebte. Dieser begann damit herumzureisen und überall die Kunde zu verbreiten, was Jesus Christus geleistet hatte.
Dazu eröffnete Paulus im östlichen Mittelmeerraum diverse Glaubensgemeinschaften, wo er neue Missionare ausbildete. Die Christen spezialisierten sich auf die Missionierung. Und so gelang es ihnen, die römische Religion abzulösen.
Ab 380 n.Chr. wurde das Christentum zur Staatsreligion im römischen Reich erhoben. Und dieses Reich war damals das größte Territorialreich, weshalb der Weltreligionsstatus bereits erreicht war.
Dem christlichen Vorbild eiferte der Islam nach. Auch dieser entstand als Sekte bzw. religiöse Sondergemeinschaft. Im 7. Jahrhundert erhielt der Prophet Mohammed seine Berufung durch den Engel Gabriel auf den Berg Hira, in der Nähe von Mekka (Saudi-Arabien).
Die neue Lehre verbreitete sich zunächst in Mohammeds Familie. Später begann Mohammed damit, öffentlich zu predigen und die neue Religion verbreitete sich über ganz Arabien.
Als Mohammed im Jahr 632 n.Chr. starb, beschlossen seine Anhänger die neue Religion weltweit zu verbreiten. Die islamische Expansion vollzog sich innerhalb von zwei Jahrhunderten und machte den Islam zur zweitgrößten Weltreligion.
Atheistische Religionen
(siehe auch Hauptartikel: Geschichte des Atheismus)
Der Atheismus stellt, anders als der Theismus, keine Götter ins Zentrum der Weltanschauung. Stattdessen basieren atheistische Religionen auf Naturgesetzen.
Die bekannteste atheistische Religion ist der Buddhismus, welcher ganz ohne Götter auskommt. Diese Religion stammt aus Indien und stellt die Lehre des Siddhartha Gautamas in den Mittelpunkt.
Parallel zum Buddhismus entwickelten sich aber auch andere atheistische Religionen in Asien, wie der Jainismus in Indien, der Daoismus oder die Lehren des Konfuzius (Konfuzianismus). Letztere kamen in China auf und sind ebenfalls bis heute erhalten.
Aber nicht nur in Asien entwickelten sich atheistische Konzepte. Im Mittelmeerraum entwickelte sich der Stoizismus während der Antike, genauso wie der Epikureismus oder der Kynismus.
Heute werden die antiken Lehren eher als Philosophie verstanden anstelle von Religion. Der Grund ist, weil die Götter fehlten. Doch all diese atheistischen Religionen erhoben für sich den Anspruch, einen Lebensweg auf Basis von Naturgesetzen zu entwerfen.
Religion auf Basis von Erkenntnissen
Da der Buddhismus wohlmöglich die einzige Philosophie ist, welche in der westlichen Religion als Religion bezeichnet wird, schauen wir uns diese etwas genauer an. Religionsgründer war Siddhartha Gautama. Dieser lebte im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. in einem kleinen Königreich im heutigen Nepal. Er war Thronfolger dieses Königreichs und konnte um sich herum, nur Leid beobachten.
Wer arm war, wollte reich sein. Und wer reich war, wollte noch reicher sein bzw. hatte Angst davor, seinen Reichtum zu verlieren. Verheiratete Menschen wollen keinen oder einen anderen Partner. Und wer unverheiratet war, sehnt sich nach Liebe. Der Glücklose sucht das Glück und der Glückliche hat Angst, dass ihn das Glück verlässt. Egal wie man es dreht und wendet, man kann dem Leidzustand nicht entkommen.
Gautama erkannte, dass äußere Umstände (Armut, Reichtum) für die Zufriedenheit eines Menschen keine Rolle spielen. Also beschloss er, der Ursache des Leids auf den Grund zu gehen. Er fand heraus, dass das Verlangen und Begehren die Menschheit quält. Ein reicher Mensch begehrt mehr Reichtum, was in seinem Befinden ein Leidgefühl hervorruft.
Gautama erkannte, dass der reichste Mensch nicht derjenige ist – welcher alles besitzt. Nein, der reichste Mensch ist der, welcher nichts braucht.
Auf dieser Grundlage verfasste Gautama eine Lehre, entwarf verschiedene ethische Verhaltensweisen um in einem Zustand des Nichtbegehrens zu gelangen. Ein Grundsatz Gautamas war, dass er jeden Zustand – egal ob positiv oder negativ – einfach hinnahm. Er vollzog demnach keine innere Bewertung und teilte die Welt um sich herum nicht in positiv und negativ ein.
Ein Durchschnittsbürger der westlichen Welt ist immer auf der Suche nach Dingen, welche er optimieren kann. Die Frage lautet also immer: Was könnte besser sein?
Im Buddhismus lautet die Frage immer: Was ist Wirklichkeit und was erfinde (bewerte) ich dazu?
Verankert wurden die Lehren des Gautama mit verschiedenen Meditationstechniken, durch welche man in den Zustand der geistigen Ruhe gelangen soll. Diesen Zustand bezeichnen Buddhisten als Nirwana (deutsch: Erlöschen). Da Siddhartha Gautama eine Erleuchtung fand, gilt er als Buddha (der Erwachte).
Alle anderen atheistischen Religionen beschäftigen sich ebenfalls mit dem Grundgesetz des Leids und gehen der Frage nach, wie man ein wirklich erfülltes Leben führen kann.
Religion im Mittelalter
Das Mittelalter war die Zeit des Monotheismus. So wurde das Christentum zur beherrschenden Religion in Europa, während der Islam zur dominanten Religion in Asien, Nordafrika und dem Nahen Osten wurde.
Zwischen den monotheistischen Religionen entfachte ein Konkurrenzkampf, welcher bereits in seiner inneren Logik verankert ist. Denn wenn eine monotheistische Religion einen anderen Gott zulassen würde, bedeutet dies – dass Gott doch nicht das mächtigste Wesen des Kosmos ist.
Alle Monotheisten glauben daran, dass ihr Gott die vollständige Botschaft kennt und verlautbart hat. Demnach muss ein anderer Gott ein falscher Gott sein. Deshalb fühlen sich alle Anhänger von monotheistischen Religionen dazu genötigt, das Existenzrecht anderer Götter abzusprechen.
Die Fanatiker wandten sich zuerst ihrem Staatsgebiet zu. So wurde Europa im Frühmittelalter christlich geeint. Das bedeutet, dass germanische oder slawische Gottheiten genauso verboten wurden, wie römisch-griechische.
Die Einigung geschah als Zwangsmissionierung, brachte allerdings hervor, dass das Christentum als einheitsstiftende Kultur alle Völker vereinen konnte. Europa wurde zum christlichen Abendland, welches sich vom heidnischen Morgenland angrenzen konnte. Als Vater Europas wurde Karl der Große ausgerufen, welcher einen bedeutenden Beitrag für die Christianisierung leistete.
In Asien und Nordafrika geschah ähnliches. Überall wurden die Menschen zwangsislamisiert. Bereits am Ende des 1. Jahrtausends waren die meisten Menschen in Europa, Westasiens und Nordafrikas Anhänger dieser beiden Weltreligionen.
Das Judentum als dritter Player der monotheistischen Religionen fiel hingegen zurück. Denn noch während der Antike wurden die Juden aus dem Gelobten Land vertrieben. Die jüdische Diaspora (deutsch: Zerstreuung) begann im Jahr 135 n.Chr., als der römische Kaiser Hadrian allen Juden das Siedlungsrecht in Jerusalem absprach.
Fortan lebten die Juden zerstreut in Europa. Dort verbreitete sich allerdings die Erzählung, dass die Juden eine Mitschuld am Tod von Jesus Christus haben. Diese Schulderzählung findet sich in den Evangelien des Neuen Testaments und trug dazu bei, dass Juden in Europa immer wieder verfolgt und ermordet wurden. Sie galten bereits in der Antike als Feinde der Menschheit, wurden im Mittelalter zu Brunnenvergiftern (Schuld an der Pest) und zu Ritualmördern erklärt.
Polytheistische Monotheismus
Innerhalb des Monotheismus gab es immer wieder Zweifler, welche sich eine Hintertür offen ließen. Denn für einige Menschen war der allmächtige Gott vielleicht doch zu weit weg, so dass dieser nicht immer zuhörte.
Zwar vertrieben die Monotheisten alle anderen Götter, ließen aber dennoch Heilige und Engel zu – welche mitunter besser zuhören würden. So entstanden Kulte um einzelne Heilige, welche einem polytheistischen Götterbild ähneln.
Jede Stadt und jedes Dorf erklärte einen Schutzheiligen zum Hüter der Gemeinde, widmete ihm eine Kirche und ein Fest. Bestimmte Berufsgruppen ordneten sich einem Heiligen unter, welcher ihnen Segen, Gesundheit und Schutz bringen soll.
Dualistische Monotheismus
Der Monotheismus hatte bereits im Mittelalter deutliche Erklärungsprobleme. Denn die Menschen fragten sich zunehmend, warum Leid geschieht. Wenn es einen allmächtigen Gott gibt, welcher die natürliche Ordnung vorgibt und dieser Gott tatsächlich gut ist – warum gibt es Leiden und Schmerz auf der Welt. Diese Frage brachte die Monotheisten lange zur Verzweiflung.
Aber zum Glück kann man bei anderen Religionen abschauen. Der Zarathustrismus ist eine Religion, welche zwischen 1800 und 600 v.Chr. in Zentralasien entstand. Der Religionsbegründer hieß Zarathustra und dieser lehnte die alten Götter der iranischen Religion ab. Weiterhin ablehnend empfand er das Kastensystem der Iraner.
Zarathustras Religion kannte einen Gott, namens Ahura Mazda. Dieser war Schöpfergott. Aber er hatte einen Gegenspieler, namens Angra Mainyu. Dieser verkörperte die Unordnung, war ein Betrüger und böser Denker.
Der Zarathustrismus war eine Vorstufe des Monotheismus oder vielleicht sogar als monotheistische Religion gedacht. Dennoch brachte er eine dualistische Weltsicht auf den Markt, an welcher sich monotheistische Religionen bedienen konnten. Die Weltanschauung heißt: „Gut gegen Böse“. Laut Dualisten gibt es keinen allmächtigen Gott, sondern es gibt gute und böse Mächte, die einen immerwährenden Kampf austragen.
Das dualistische Konzept war im Altertum sehr anziehend und erfolgsversprechend. Denn im 1. Jahrtausend n. Chr. war der Zarathustrismus noch eine Weltreligion mit etwa 1 Mio. Anhängern. Im Neupersischen Reich wurde die Religion sogar zur Staatsreligion erklärt. Dann kam die Islamische Eroberungen über Persien und es folgten die Zwangsislamisierungen.
Für Monotheisten bleibt bei der dualistischen Weltsicht allerdings ein Problem bestehen. Wenn es das Böse gibt, muss es irgendjemand erschaffen haben. Und wenn der monotheistische Gott alles erschaffen hat, muss er demnach auch das Böse erschaffen haben.
Somit löst der dualistische Ansatz zwar das Ordnungsproblem, erschafft aber zugleich ein Absichtsproblem. Diese Frage wird mit dem freien Willen des Menschen erklärt, welchen Gott einrichtete, damit der Mensch zwischen Gut und Böse wählen kann. Aber auch diese Vorstellung hinkt, da ein guter Gott keinen bösen Menschen erschaffen würde.
Politischer Monotheismus
Weiterhin beanspruchte jede monotheistische Religion für sich, dass man dem allgütigen Gott im Kampf gegen das Böse zur Seite stehen müsse. Das Böse war meistens im anderen Gott zu finden, weshalb sich im christlichen Weltbild die Kreuzzüge gegen böse Muslime erklären lassen.
Für einen Teil der muslimischen Welt ist der Dschihad als heiliger Krieg gegen die bösen christlichen Kreuzfahren gedacht. Der dualistische Ansatz schaffte demnach nicht nur eine Erklärung, warum es das Böse gibt sondern auch eine politisch motivierte Erklärung, was genau das Böse ist.
Religion der Neuzeit
Der Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit wird als Renaissancezeit beschrieben. In dieser Zeit entstand ein neues religiöses Konzept, welches sich ganz leicht an das monotheistische Christentum anknüpfen lies. Dieses Konzept ist der Humanismus, also die Erhöhung des Menschen zu einem gottähnlichen Wesen.
Humanisten gehen davon aus, dass in jedem Menschen ein einzigartiges Wesen wohnt, welches als die menschliche Natur beschrieben wird. Diese menschliche Natur unterscheidet uns von Tieren, Pflanzen und anderen Lebewesen. Und diese menschliche Natur ist so einzigartig, dass sie geschützt werden muss. Einen Menschen zu töten, bedeutet demnach auch die menschliche Natur zu töten. Seit Beginn der Neuzeit ist dieser Akt etwas Unmenschliches.
Die menschliche Natur stellt das höchste Gut dar, wonach die Humanisten sämtliche Regeln und Gesetze ableiten. Andere Gesetze müssen sich stets unterordnen. Aus dem Humanismus gingen die Menschenrechte hervor, aber auch die Erkenntnis – dass menschliches Leben immer wertvoller sein muss als tierisches Leben.
Wie bereits beschrieben, wurden die Nutztiere zum Zeitpunkt der Neolithischen Revolution heruntergestuft. Der Humanismus stuft nun alle Tiere – also auch die Wildtiere – herab. Dem Menschen gehört, laut humanistischen Gedankenbild, dieser Planet. Sämtliche Tiere, Pflanzen und alle anderen Lebewesen haben zwar eine Daseinsberechtigung aber kein Mitspracherecht.
Und die Daseinsberechtigung der Tierwelt stützt sich allerdings auch nur auf der Vorstellung, dass der Mensch sie braucht. So braucht der Mensch bspw. die Bienen, da diese mittels Bestäubung zur Vermehrung der Pflanzen beitragen. Ohne Pflanzen keine Nahrung – also müssen Bienen geschützt werden.
Klimaschutz ist wichtig, nicht um den Planeten zu erhalten, sondern um die Menschheit zu erhalten. Der humanistische Ansatz wägt bei jeder Entscheidung das Wohl der Menschheit ab. So können Wälder abgeholzt und den Tieren ihre Lebensgrundlage geraubt werden, solange es der Menschheit nützt.
Die Menschenrechte sind letztlich die religiösen Gebote, welche eingehalten werden müssen und über regionalen und nationalen Belangen stehen. Aus den Menschenrechten leiten sich internationale Vereinbarungen, wie das Völkerrecht, ab.
Religion heute
Alle Religionen sind heute ein Mischmasch aus Konzepten, welche von anderen Religionen übernommen wurden. So gibt es selbst im Buddhismus, welcher ohne Götter auskommen sollte, ein Pantheon von Buddhas und Erleuchtungswesen (Bodhisattva).
Zwar gilt im Buddhismus immer noch, dass Reichtum, Glück und Wohlstand nur Zwischenziele und somit vernachlässigbar sind – aber die Mehrheit zieht dennoch weltliche Ziele vor. Und deshalb gibt es gottähnliche Wesen, welche man anrufen kann.
Ähnlich geht es den anderen Weltreligionen. Ein durchschnittlicher Gläubiger ist begeisterter Humanist – stellt also den Menschen über jedes andere Lebewesen. Gleichzeitig glaubt er an einen übermächtigen Gott (Monotheismus), welcher sogar das Schicksal beeinflussen kann. Und da Gott sich nicht um Alles kümmern kann, gibt es die Heiligen und Schutzpatronen – welchen man parallel verehrt (Polytheismus).
Fast alle Gläubigen übernahmen ein dualistisches Weltbild – bekennen sich also zu Himmel und Hölle oder Gut gegen Böse. In den Bräuchen der Durchschnittsgläubigen sind sogar noch animistische Tendenzen erhalten geblieben.
So blieben Myrrhe und Weihrauch als Schutzpflanzen gegen böse Geister erhalten, genauso wie das Schmücken des Tannenbaums zu Weihnachten. Ursprünglich war dieser Brauch in der nordischen Mythologie beheimatet, als man den Weltenbaum (Yggdrasil) mit Opfergaben schmückte.
Die Vermischung von religiösen Bräuchen und Sitten wird in der Religionswissenschaft als Synkretismus bezeichnet. Dieser Zustand ist keineswegs ungewöhnlich, wenn man sich die Geschichte der Religion anschaut. Denn es überlebten animistische Sitten und Bräuche während der Polytheismus. Und die Vielgötterei lebte in einzelnen Bräuchen im Monotheismus weiter. Wohlmöglich ist der Mischmasch an Religionen die einzig wahre Religion.
Viele Sitten und Bräuche nehmen wir heute nicht mehr als religiös wahr. Denn die Religion verlor in den letzten Jahrhunderten immer mehr an Bedeutung. Wissenschaftlicher bezeichnen dieses Phänomen als Säkularisierung.
In Europa begann die Säkularisierung mit der Aufklärung zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Da die USA zu diesem Zeitpunkt bereits kolonisiert und somit isoliert waren, entwickelte sich die Religionsgeschichte dort anders. Es gab keine Aufklärung. Deshalb gibt es in der USA heute noch mehr christliche Fundamentalisten als in Europa.
Solche Unterschiede äußern sich bspw. beim Verständnis für Abtreibung oder dem Bibelschwur bei Gericht. Auch die öffentlich zur Schau gestellte Todesstrafe blieb lange in den USA erhalten, da das humanistische Menschenbild anders war als in Europa. Dennoch schreitet auch in den USA eine rasante Entchristlichung voran.