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Karolingische Renaissance


Die karolingische Renaissance, auch als karolingische Renovatio oder karolingische Erneuerung bezeichnet, war eine Phase der kulturellen Erneuerung im 8. Jahrhundert. Initiator dieser Reformen war Karl der Große, Herrscher des Karolingerreiches (Frankenreich).

Das Karolingerreich und auch das Merowingerreich zuvor sahen sich in einer Nachfolge des römischen Reiches. Und so sollte im Frühmittelalter die Antike wiederbelebt werden, indem man bspw. Latein spricht und die Baukunst an antiken Stilen ausrichtet. Demnach war die karolingische Renaissance eine Protorenaissance, welche der eigentlichen Renaissancezeit des 15. Jahrhunderts vorausging (Renaissance = Wiedergeburt der Antike).

Steckbrief

Karolingische Renaissance
Bedeutung:Reformbewegung unter Karl dem Großen (Initiator)
Zeit:Frühmittelalter, 8. Jahrhundert, Teil der Vorromanik (Kulturepoche)
Nachfolger:Romanik (Kunstepoche)
Bereiche:Bildungsreform, Schriftreform, Kirchenreform, Moralreform Wiederbelebung der antiken Kulturwelt
Gesetze:Admonitio generalis (789)
Ort:Karolingerreich (Mitteleuropa, Norditalien)

Was ist die karolingische Renaissance

Die Herrschaftszeit der Karolinger sollte eine kulturelle und intellektuelle Wiederbelebung sein. Inspiriert wurde Karl der Große von den Errungenschaften des römischen Reichs und der griechischen Kultur aus der Antike.

Die karolingische Renaissance war demnach eine Kultur- bzw. Reformbewegung, welche das Ziel hatte – die Literatur, die Kunst, die Philosophie, die Architektur, die Rechtswissenschaft und selbst die Schriftlehre wiederzubeleben (Renaissance = französisch für Wiedergeburt). Als Vorbild nahm man sich die Gelehrten der Antike.

Demnach ist die karolingische Renaissance als eine Blütezeit des Frühmittelalters zu verstehen, in welcher Kunst, Musik, Literatur usw. gezielt gefördert wurden.

Welches ist das bedeutendste Beispiel der karolingischen Renaissance

Das bedeutendste architektonische Beispiel der karolingischen Renaissancezeit ist der Aachener Dom. Dieser war früher die Pfalzkapelle der Aachener Königspfalz. Zur Königspfalz wurde Aachen schon während der Regierungszeit von Pippin den Jüngere (Vater von Karl den Großen).

Doch während der Regierungszeit Karls nahm Aachen an Bedeutung zu. Die Stadt wurde die Lieblingspfalz des Herrschers und behielt ihre Bedeutung über das ganze Mittelalter hinweg. Denn Karl der Große ließ sich in seiner Lieblingspfalz einen Dom bauen, welcher mit Bögen und Kuppelgewölben (römischer Stil) besticht.

Aachener Dom und Katschhof (Vorplatz), Bildlizenz: Ivo Antonie de Rooij / Shutterstock.com

Aachener Dom und Katschhof (Vorplatz), Bildlizenz: Ivo Antonie de Rooij / Shutterstock.com

Die Grundsteinlegung erfolgte 795 und bereits 803 war der Zentralbau fertiggestellt. Bedeutend war der Dom im Mittelalter, da sich dort die römisch-deutschen Könige zwischen 936 bis 1531 krönen ließen.

Interieur des Aachener Doms, Bildlizenz: Paolo Bigliardi / Shutterstock.com

Interieur des Aachener Doms, Bildlizenz: Paolo Bigliardi / Shutterstock.com

Warum heißt es karolingische Renaissance

Die Reformbewegung fand vor allem am Hof der karolingischen Herrscher statt. Die Karolinger waren ein Herrschergeschlecht des Frühmittelalters, welche das Frankenreich regierten. Und dieses Frankenreich entstand im 5. Jahrhundert als Nachfolgereich des römischen Reiches.

Zuerst wurde das Frankenreich von den Merowingern (Dynastie) regiert, bevor die Karolinger an die Macht kamen. Und die Karolinger wollten eine Veränderung, eine Neuordnung und Neuausrichtung – angelegt an die alte Zeit (Antike).

Besonders stark wurden diese Reformen unter Karl den Großen angestrebt, weshalb die karolingische Renaissance direkt mit seinem Namen verknüpft ist. Aber auch sein Sohn (Ludwig der Fromme) förderte die Reformgedanken seines Vaters weiterhin.

Wann begann die Karolingische Renaissance

Die karolingische Renaissance begann im 8. Jahrhundert. Als tatsächlicher Beginn dieser Reformen wird das Jahr 789 genannt. Denn in diesem Jahr erließ Karl der Große die Admonitio generalis. Das waren Anordnungen (Kapitularien), welche die Bildungs- und Kirchenreform innerhalb des Frankenreiches regeln sollten.

Was war die gedankliche Grundlage für die karolingische Renaissance

In Europa des Mittelalters gab es eine Reihe von Herrscher, welche das römische Reich wiederherstellen wollten. Dabei sollte die Rechtsstruktur, die Kultur aber auch die Besitztümer (Reichsgebiete) des alten Roms wieder hergestellt werden. Jene Wiederherstellung ist in einer Formel bzw. Schwur überliefert: Renovatio imperii Romanorum.

Zu diesem Formel bekannten sich die Kaiser des Oströmischen Reiches (Byzantinischen Reiches) und die Herrscher des Frankenreiches. Denn beide Reiche verstanden sich als Nachfolgestaaten Roms, übernahmen den Rechtekanon (römisches Recht) und die Staatsreligion. Und Karl der Große verstand sich als symbolischer Repräsentant des Römischen Kaiserreichs und strebte die renovatio an. Letztlich war die Wiederherstellung der Grenzen des Weströmisches Reiches auch die Grundlage dafür, dass Karl der Große im Jahr 800 zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt werden konnte.

Warum brauchte Europa die karolingische Renaissance

Als Karl der Große 771 an die Macht kam, hatte er zwei Ziele. Und zwar wollte er die territorialen Ausdehnung des Frankenreichs und die vollständige Christianisierung aller Franken erreichen. Eroberte er ein Gebiet, wurde es Teil des Frankenreichs und die Menschen, welche dort lebten – mussten zu Christen werden.

Demnach war die Expansion des Reichs unmittelbar mit der Verbreitung des Christentum verknüpft. Der Grund dafür war Einheit. Glaubten alle Menschen an den gleichen Gott, hatten alle Bewohner auch das gleiche Identitätsmerkmal. Da sich aus der Religion auch Verhaltensregeln oder Normen ableiten und begründen lassen, war der Einheitsgott höchst identitätsstiftend und das Christentum ein Einheitsmacher.

Ein Grund dafür, weshalb das Römische Reich unterging – war die Uneinigkeit. Während der Völkerwanderung zogen germanische, slawische und hunnische Stämme ins Reich ein. Und die Gesellschaft schaffte es nicht, diese Neuankömmlinge zu integrieren und auf einem gemeinsamen Kulturkanon einzustimmen.

Karl der Große wollte ein neues Weltreich (Kaiserreich) erschaffen und brauchte eine gemeinsame Kultur, um dies zu erreichen.

In welchen Bereichen wirkte die karolingische Renaissance

In den Admonitio generalis (Anordnungen) wurde beschlossen, dass an sämtlichen Klöster die lateinische Sprache unterrichtet werden sollte. Solche Lateinschulen unterrichteten auch Musik, indem die Schüler religiöse Lieder sangen. Neben Lesen und Schreiben lernten die Schüler auch die Grammatik und die Bedeutung einzelner Wörter.

Sämtliche Kathedralen und Klöster wurden verpflichtet, solche Schulen für Jungen einzurichten. Die Bildungsreform hatte das Ziel, die Gesellschaft auf eine gemeinsame Kultur einzustimmen, aber auch die Kirche zu reformieren. Denn die Bibeltexte vermitteln Moral, Disziplin und andere Tugenden. Und man konnte davon ausgehen, dass der Klerus mit guten Beispiel vorangehen würde.

Latein

(siehe auch Hauptartikel: Geschichte der lateinischen Sprache)
Die lateinische Sprache überlebte das Römische Reich. Aber bereits am Ende der Antike veränderte sich die Sprache, da Begriffe aus der Umgangssprache einflossen. Man unterscheidet deshalb zwischen dem Klassischen Latein (Hochlatein) und dem Spätlatein, welches Umgangssprache zuließ.

Jenes Spätlatein war dennoch eine Bildungssprache und unterschied sich vom Vulgärlatein (Umgangssprache). So richtig überlebt, hatte allerdings nur das Vulgärlatein. Und aus dieser lateinischen Umgangssprache entwickelte sich im Frühmittelalter diverse andere Sprachen, welche Vorläufer der romanischen Sprachen (z.b. französisch, spanisch) sind. Grund war die Teilung Europas und Sprachunterschiede sorgten dafür, dass sich das Vulgärlatein mit anderen Sprachen mischte.

Da die Vulgata (lateinische Bibel) immer noch die Standardbibel war, gab es ein Problem. Viele Menschen sprachen kein Latein mehr. Und demnach konnte niemand verstehen, was der Priester predigte. Und selbst einige Priester konnten kein Latein mehr verstehen. Um nun einen gemeinsame gesellschaftliche Moralkodex, auf Basis des Christentums zu entwickeln, war es deshalb enorm wichtig – dass so viele Menschen wie möglich, Latein sprachen.

Förderung anderer Sprachen und Literatur

An den Klosterschulen wurden Bibeln und andere Texte angefertigt. Dazu wurden Schreibstuben gegründet. Dort schrieben lateinkundige Mönche die Texte ab und verfielvältigten so die Bibel, einzelne Gebetstexte oder Psalmen.

In so einem Skriptorium schrieb man aber nicht nur die Bibeltexte ab, sondern man malte auch Bilder dazu (Buchmalerei, siehe unten). Bis zur Erfindung des Buchdrucks (1450) durch Johannes Gutenberg blieb dieses Verfahren ein Standard zur Bücherproduktion.

Doch Karl der Große förderte auch andere Sprachen. Denn die militärische Eroberung und die anschließende Zwangschristianisierung erforderte dies.

So gilt das Frühmittelalter als erste Literaturepoche der deutschen Literatur. Denn die Sachsen, die Alemannen usw. mussten nachdem sie erobert wurden, ihren alten Göttern abschwören und den Christengott anerkennen. Da sie dieses Abschwören in ihrer Sprache machen mussten, wurden dafür deutsche Texte angefertigt. Auch diese wurden in den Skriptorien abgeschrieben und vervielfältigt.

So entstanden Taufformeln in deutscher Sprache, wie das Sächsische Taufgelöbnis, welches Karl der Große während der Sachsenkriege anfertigen ließ. Die eroberten Sachsen mussten jene Formel in heuhochdeutscher Sprache vorlesen. Dort stand, dass sie den heidnischen Göttern abschwören, den Teufel abschwören und sich zu dem wahren Gott bekennen würden.

Karolingische Minuskel

Die karolingische Minuskel ist eine Schriftart, welche auf Kleinbuchstaben (Minuskel) basiert. Ursprünglich entstand diese Schrift in einem Kloster in der französischen Kleinstadt Corbie.

Auszug aus der Vulgata von Moutier-Grandval in karolingischer Minuskelschrift, Bildlizenz: gemeinfrei

Auszug aus der Vulgata von Moutier-Grandval in karolingischer Minuskelschrift, Bildlizenz: gemeinfrei

Unter Karl dem Großen wurde diese Minuskelschrift in ganz Europa verbreitet. Anfangs wurde die Schrift nur in der Ada-Schule verwendet. Dort wurde sie dann vereinheitlicht.

Zu Beginn des 9. Jahrhundert wurde diese Schriftsystem in den karolingischen Schreibzentren in Aachen, Tours und Reims übernommen. Von dort breitete sich der Schrifttyp über ganz Europa aus und ersetzte die Großbuchstaben (Majuskel) der lateinischen Schrift. Auch das Kursive wurde verdrängt. Schließlich wurde die karolingische Minuskel im Früh- und frühen Hochmittelalter der Standardschrifttyp für Bücher.

Im späteren Hochmittelalter entstanden aus dem karolingischen Minuskel die gotische Minuskel, woraus dann die humanistischen Minuskel im 15. Jahrhundert entwickelt wurden. Die Humanisten verbreiteten diesen Schrifttyp weiter, wodurch die Kleinbuchstaben in der heutigen Schrift entstanden.

Karolingische Kunst

Die Epoche der Karolingische Kunst vollzog sich zwischen 800 bis 900. Sie gilt als Vorläufer der Romanik, weshalb man auch von vorromanischer Kunst spricht. Wohlmöglich war die Kaiserkrönung Karl des Großen im Jahr 800 entscheidend für die Kunstoffensive. Denn die Krönung wurde in Rom vollzogen. Und auf seiner Italienreise konnte Karl die Überreste der großartigen Kuppelbauten des römischen Reiches bewundern.

Nördlich der Alpen gab es hingegen nur Bauten und Kunst, welche an die Völkerwanderungszeit erinnerte. Und Kunst erzählt immer die Geschichte eines Volkes. Und eine gemeinsame Geschichte ist ein Merkmal, welches ein Volk zusammenschweißt. Demnach ist Geschichte genauso identitätsstiftend, wie Sprache oder Religion. Und Karl der Große brauchte eine Kunst, welche eine gemeinsame Geschichte erzählt und die Gelehrsamkeit des Abendlandes herausstellt.

Karolingische Buchmalerei

Ein Schlüsselmedium war die Bibel, welche die Kunst abbilden, transportieren und verbreiten sollte. In den Schreibstuben wurden die Bibeln abgeschrieben und in den Malwerkstätten wurden Bilder hinzugefügt.

Die sogenannte Ada-Schule war die Hofschule Karls des Großen. Dort entstanden die ersten illuminierten Manuskripte, an deren Rändern kleine Schnörkeleien und Verzierungen sichtbar waren.

Das Evangelistarium von Godescalc (etwa 781) gilt als erstes Schlüsselwerk der karolingischen Buchmalerei. Es folgte das Ada-Evangeliar im ausgehenden 8. Jahrhundert.

Godescalc-Evangelistar, Bildlizenz: gemeinfrei

Godescalc-Evangelistar, Bildlizenz: gemeinfrei

Die Ada-Schule wurde wohlmöglich von einer Äbtissin, namens Ada, geleitet. Diese wird in verschieden Quellen auch als Schwester von Karl dem Großen erwähnt. Heute sind noch 8 illustrierte Handschriften aus der Ada-Schule erhalten, welche im UNESCO-Register „Memory of the World“ gelistet sind.

Karolingische Architektur

Die karolingische Architektur war ein bewusster Versuch, die römische Architektur nachzuahmen. Weiterhin sollten Elemente der byzantinischen Bauweise einfließen und dadurch eine Innovation geschaffen werden.

Das Kloster Lorsch gilt als Paradebeispiel karolingischer Baukunst. Der Klosterbau wurde als dreibogige Halle erbaut, wobei das Tor dominiert wird. Die Bogenfassade ist mit Säulen durchsetzt. Der Klosterbau steht etwa 10 km nördlich von Worms.

Weltkulturerbe Kloster Lorsch, Bildnachweis: tina7si / Shutterstock.com

Weltkulturerbe Kloster Lorsch, Bildnachweis: tina7si / Shutterstock.com

Der karolingische Baustil orientierte sich am römischen Architekten und Erfinder Vitruv (1. Jahrhundert v.Chr.). Dieser schrieb eine Abhandlung über Architektur mit dem Titel: de architectura.

Während der karolingischen Renaissance wurde das Architekturbuch des Vitruv mehrfach verfielfältigt. Doch die karolingischen Architekten kopierten nicht einfach nur die römischen Formen, sondern passten ihre Pläne den königlichen Wünschen und religiösen Zeremonien an.

Demnach wurde der römische Baustil im Karolingerreich sukzessiv verfeinert. Man lernte stets dazu und schaffte so eine Baukunst, welche im 11. Jahrhundert in die Romanik mündete.

Zwischen 768 und 855 gab es einen regelrechten Bauboom im karolingischen Reich. Es entstanden 27 Kathedralen, 417 Klöster und 100 königliche Residenzen.

Karolingische Währung

Das karolingische Pfund war eine Gewichtseinheit während der karolingischen Zeit. Ein Pfund wog 408 Gramm. Und ein Silberpfund entsprach 240 Denaren (Pfennigen). Damit war über ein einheitliches Gewichtssystem ein einheitliches Geldsystem, basierend auf der Gewichtseinheit, geschaffen wurden.

Dieses karolingische Pfund wurde zur Grundlage für eine Währungsreform, welche Karl der Große um 793 vollzog. (Karlspfund)

Das Karolingische Münzsystem beeinflusste ganz Europa. Denn Gold war Mangelware und nur über den Fernhandel zu beziehen. Das Silber hingegen existierte nördlich der Alpen. Und damit konnte ein Silberpfund zur Standardwährung werden.

Das karolingische Geldsystem wurde von König Offa aus Mercia im 8. Jahrhundert nach England importiert. Dort übernahmen dieses System auch andere königliche Herrscher während der englischen Heptarchie (Siebenherrschaft). Heute ist das englische Pfund die älteste Währung der Welt, welche immer noch im Gebrauch ist.

Welche Auswirkungen hatte die karolingische Renaissance

Die karolingischen Reformen hatte eine unmittelbare Wirkung auf eine kleine Gruppe von Literaten. Man nimmt an, dass die Reformen auch einen Bildungseffekt bei allen Franken auslöste. Aber diese Hypothese ist auch umstritten.

Auf jeden Fall hatten die Reformen eine unermessliche Wirkung auf das, was die Karolinger am sehnlichsten wollten. Und zwar wurde die Gesellschaft moralisch erneuert bzw. reformiert.


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