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Rechtssysteme der Geschichte


Das Rechtssystem ist die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sowie Institutionen – welche diese Rechtsnormen anwenden. Angewandt auf einen einzelnen Staat, einer Gesellschaft oder Gerichtsbarkeit wird das Rechtssystem auch als Rechtsordnung bezeichnet.

Welche Rechtssysteme gibt es

Die nationalen Rechtsordnungen lassen sich in 4 Klassen aufteilen:

  • Zivilrecht,
  • Gewohnheitsrecht,
  • religiöses Recht,
  • Common Law (englischsprachigen Raum)

Darüber hinaus existieren Mischformen.

Zivilrecht

Das Zivilrecht ist im römischen Reich verwurzelt. Es wurde im 19. Jahrhundert in Westeuropa verbreitet. Ausschlaggebend war das Zivilgesetzbuch der Franzosen (Code civil), welches 1804 von Napoleon Bonaparte eingeführt wurde. Diese ist in Frankreich immer noch in Kraft.

Parallel führte man ab 1900 im deutschen Reich das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ein, welches ebenfalls auf dem Zivilrecht basiert. Das BGB diente in vielen Staaten als Vorlage zur Ausarbeitung eines nationalen Gesetzbuches, so etwa in Japan, Taiwan, Südkorea, der Republik China (Taiwan), Brasilien, Estland, Lettland, Griechenland oder Thailand.

Die meisten Zivilrechtssysteme beruhen auf Gesetzen, welches niedergeschrieben sind. Ganz anders ist es bei Gewohnheitsrechtssystemen.

Gewohnheitsrecht

Gewohnheitsrechte beruhen auf mündlichen Überlieferungen. Sie wurden niemals niedergeschrieben, sondern über einen langen Zeitraum angewandt. Dadurch haben alle Beteiligten im Rechtsverkehr diese Rechte als verbindlich akzeptiert, obwohl diese niemals schriftlich fixiert worden.

Die meisten Gewohnheitsrechte befassen sich mit Standards der Gemeinschaft, welche an einem bestimmten Ort lange etabliert sind. Im Völkerrecht hat das Gewohnheitsrecht eine Bedeutung, so etwa bei der Bekämpfung von Sklaverei oder Piraterie.

Auf deutschem Boden hatte das Gewohnheitsrecht eine größere Bedeutung vor der Einführung des BGB (1. Januar 1900). Zwar galt schon damals das römische Recht (Zivilrecht). Aber es hatte noch keine schriftlich fixierte Grundlage. Demnach war das römische Recht bis zum 1. Januar ein Gewohnheitsrecht, welches aber gleichrangigen Charakter hatte.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung werden Gewohnheitsrechte genauso anerkannt wie Gesetze.

Religionsrecht

Religionsrechte umfassen ethische und moralische Normen, Verordnungen oder Gesetze – welche auf Grundlage religiöser Traditionen beschlossen worden. Die Theokratie ist eine Staatsform, bei welcher Gott als oberster Herrscher akzeptiert wird. In solchen Staaten gelten religiöse Rechte, welche sich aus der jeweiligen Heiligen Schrift abgeleitet worden.

Die bedeutendste christliche Theokratie ist der Heilige Stuhl, welcher völkerrechtlich den Staat Vatikanstadt und die römisch-katholische Kirche vertritt. Das vatikanische Rechtssystem ist im kanonischen Recht verwurzelt. Der Bischof von Rom (Papst) hat die volle gesetzgebende, durchführende und richterliche Gewalt inne. Eine Gewaltenteilung gibt es nicht.

Auf dem Berg Athos in Griechenland lebt eine Mönchsgemeinschaft, welche einen autonomen Status genießt. Die christlich-orthodoxen Mönche leben ebenfalls in einer Theokratie zusammen.

Amtlich wird die Mönchsrepublik als „Autonome Mönchsrepublik Heiliger Berg“ bezeichnet. Die Gemeinschaft wird von einem Zivilverwalter und 20 Mönchen regiert, welche aus Klöstern vom Berg stammen. Der Zivilverwalter wird vom griechischen Außenministerium ernannt.

Hauptsitz der Mönchsrepublik ist ein Büro in der Stadt Karyes, welche etwa 400 Meter über dem Meeresspiegel liegt.

Islamische Theokratien existieren in Afghanistan, im Iran und vielleicht in Saudi-Arabien. In Afghanistan regieren die Taliban auf Grundlage von Verordnungen, da eine rechtmäßige Verfassung nicht existiert. Die Verordnungen werden auf Grundlage der Scharia (islamisches Recht) beschlossen.

Im Iran ist es ähnlich. Das Staatsoberhaupt des Irans wird als Oberster Führer bezeichnet. Er gilt als höchste staatliche, politische und religiöse Autorität des Landes. Der Amtsinhaber wird auf Lebenszeit ernannt. Seit 1989 ist Ali Khamenei der oberste Führer des Irans.

Saudi-Arabien bezeichnet sich selbst als Königreich Saudi-Arabien und nennt sich einen souveränen islamischen Staat. Der Islam soll laut Grundgesetz lediglich eine offiziell anerkannte Religion sein. Einige Kritiker bezeichnen Saudi Arabien aber als islamischen Gottesstaat, in welcher religiöse Minderheiten verfolgt werden und ein Religionswechsel nicht möglich ist.

Common Law

Common Law ist ein Rechtssystem, in welchem auf richterliche Beschlüsse aus der Vergangenheit zurückgegriffen wird. Demnach wird eine Entscheidung auf Grundlage von richterlichen Beschlüssen gefällt und nicht auf Grundlage von bestehenden Gesetzen. Dadurch unterscheidet sich das Common Law vom Zivilrechtsystem.

Die richterlichen Entscheidungen, welche als Grundlage der Rechtsprechung dienen, werden als Präzedenzfälle bezeichnet.

Seinen Ursprung hat das Common Law im mittelalterlichen England nach der normannischen Eroberung (1066). Damals sollte ein einheitliches Rechtssystem geschaffen werden, welches die lokalen Volksgerichte verdrängte. Dann wurde das englische Rechtssystem auf den britischen Inseln verbreitet. Man begann in Wales und Irland. Später wurde das Common Law in allen Überseegebieten Englands etabliert. So auch in den USA, Westindien oder Bermuda.

Heute leben etwa ein Drittel der Weltbevölkerung in einem Rechtssystem, welches auf dem Common Law beruht. In vielen Teilen wurde das Common Law mit dem Zivilrecht kombiniert, so etwa in den Indien, Südafrika und Israel. In den USA, Kanada, Großbritannien und Australien blieb das ursprüngliche Common Law bestehen.

Welches war das erste Rechtssystem der Geschichte

Im 22. Jahrhundert v. Chr. entwickelten die Sumerer erste Gesetzestexte. Das erste erhaltene Gesetzbuch formulierte Ur-Nammu, Herrscher der sumerischen Stadt Uruk. Das Gesetzbuch bestand aus Aussagen („wenn … dann…“).

Um 1760 v.Chr. entwickelte König Hammurapi von Babylon das babylonische Gesetz weiter. Zudem ließ er seinen Gesetzestexte im gesamten Königreich ausstellen. In die Geschichte ging der Hammurapi-Codex als wichtigste Rechtsordnung des Alten Orients ein.

Weitaus früher entwickelten die Ägypter ein Rechtssystem, welches auf dem Konzept der Maat basierte. Die Maat war eine Göttin und Personifizierung von Recht, Harmonie, Moral und Anstand. Die Ägypter glaubten, dass der ägyptische König die Maat auf Erden durchsetze. Er war demnach Diener der Maat. Man glaubte, dass der Pharao die Maat mit seinem Herzen empfing und mit seinem Mund verordnete.

Älteste Belege für das Maat-System lassen sich in den Pyramidentexten von Unas ablesen. Dieser war letzter Pharao der fünften Dynastie im Alten Ägypten (Altes Reich). Seine Regierungszeit ist auf Mitte des 24. Jahrhunderts v. Chr. angegeben (etwa 2380 bis 2350 v. Chr.).

Welches Rechtssystem ist am meisten verbreitet

Heute wird das Zivilrechtsystem in etwa 150 Ländern praktiziert. In ganz Europa (außer auf den britischen Inseln) ist dieses Rechtssystem verbreitet. Damit handelt sich um das weit verbreitetste Rechtssystem der Geschichte. Der Grund dafür ist, dass das römische Reich dieses Rechtssystem im gesamten Mittelmeerraum etablierte. Das Rechtssystem der Engländer war zu diesem Zeitpunkt nicht einheitlich, weshalb das spätere Common Law (ab 1066) niemals aufholte.

Verbreitung der Rechtssysteme: Common Law (rot), Religionsrecht (grün), Zivilrecht (hellblau) und Mix-Systeme (verschiedenfarbig), Bildlizenz: gemeinfrei

Verbreitung der Rechtssysteme

Was für ein Rechtssystem hat Deutschland

Deutschland hat heute das Zivilrecht, welches auf dem germanischen Zivilrecht hergeleitet wurde. Ab 1900 wurde das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt, welches vom römischen und germanischen Recht gleichermaßen beeinflusst wurde.

Warum basiert das deutsche Rechtssystem auf dem römischen Recht der Antike

Das deutsche Staatsgebiet wurde von den Römern in der Antike als Germanenland (Germania magna) bezeichnet. Die Entstehung des deutschen Rechtssystems bis zum BGB von 1900 soll kurz skizziert werden.

Germanische Stammesrecht

Das germanische Zivilrecht basiert auf dem germanischen Stammesrechten. Da die Germanen kein einheitlicher Staat waren, existierten je nach Stamm unterschiedliche Rechte.

Die jeweiligen Stammesrechte waren Gewohnheitsrechte und wurden auch nicht von Stammesangehörigen aufgeschrieben. Einzige Schriftquelle ist die Germania vom römischen Historiker Tacitus, welcher diese im 1. Jhd. n. Chr. verfasste. In seinem Werk beschreibt Tacitus verschiedene Riten und Bräuche der Germanen, woraus Historiker diverse Gewohnheitsrechte ableiten. Allerdings sind dies lediglich Interpretationen.

Vermischung des römischen und germanischen Rechts

Als das weströmische Reich unterging (476 n. Chr.), etablierten sich auf dem germanischen Gebiet diverse romanisch-germanische Staaten. Diese Staaten übernahmen die Rechtskultur des römischen Reiches. So entstand im 5. Jahrhundert das germanische Zivilrecht als eine Mischung aus germanischen Gewohnheitsrechten und römischen Recht (ius civile).

Gleichzeitig setzte sich in der Spätantike und im Frühmittelalter das Christentum immer weiter durch. Fortan trafen die Rechtsnormen des römischen Rechts auf einen neuen Wertekanon, welcher rechtlich fixiert werden sollte.

Rechtssystem im Frankenreich

Das Frankenreich war der bedeutendste Folgestaat des römischen Reiches. Regiert wurde der Staat zunächst von den Merowingern, bevor die Karolinger an die Macht kamen. Bedeutendster Karolinger war Karl der Große. Denn Karl der Große eroberte im 8. und 9. Jahrhundert weite Teile Europas, um diese christlich zu vereinen.

Sowohl das Merowingerreich als auch das Karolingerreich begriffen sich als Nachfolgereich des weströmischen Reiches. Demnach galt dort das römische Rechtssystem.

Rechtssystem im Heiligen Römischen Reich

Nach dem Tod von Karl zerfiel das Großreich ins West- und Ostfrankenreich. Aus dem Westfrankenreich entstand später Frankreich und der Ostteil wurde unter Otto I. zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Auch dieses Reich betrachtete sich als Nachfolgereich des Römischen Reiches. Die Herrscher im Heiligen Römischen Reich bezeichneten sich weiterhin als römisch-deutsche Kaiser.

Im Heiligen Römischen Reich überdauerte das römische Recht bis 1806 (Auflösung des Reiches). Die deutschen Länder strebten danach eine Wiedervereinigung an. Und 1871 war es dann soweit. Unter Reichskanzler Otto von Bismarck wurde das Deutsche Kaiserreich gegründet. Es handelte sich um den ersten deutschen Nationalstaat der Geschichte. Oberhaupt des Reiches war Kaiser Wilhelm I., welcher zugleich der König von Preußen war.

Rechtssystem im deutschen Kaiserreich

Das deutsche Kaiserreich war ein Zusammenschluss verschiedener deutscher Staaten, darunter das Königreich Bayern, Pommern, Ost- und Westpreußen, die Provinz Hannover und Provinz Brandenburg. Die deutschen Gebiete waren ein Flickenteppich bestehend aus 35 Fürstentümern und vier freien Städten. Das Königreich Preußen war der dominante Staat in diesem Flickenteppich.

Mit der Reichsgründung von 1871 sollte auch eine einheitliche Rechtsprechung angestrebt werden, was mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 gelang.

Welches Rechtssystem hat die USA

Grob gesagt, hat die USA das Rechtssystem der Common Law. Allerdings gibt es Ausnahmen. So verwenden sämtliche Bundesgerichte und 49 Bundesstaaten der USA das Common Law. Dieses hat sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts etwas verändert, da sich an Präzedenzfällen orientiert wird. Demnach orientierten sich die Richter an Fällen des jeweils anderen, was zu einer Veränderung führte.

Der US-Bundesstaat Louisiana basiert auf dem französischen und spanischen Zivilrecht. Einen weiteren Sonderweg schlug Puerto Rico ein, welcher das Zivilrecht Spaniens übernahm.

Welches Rechtssystem haben Österreich und die Schweiz

Das Rechtssystem in Österreich und der Schweiz ist das Zivilrecht. In Österreich wurde 1812 das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Heilige Römische Reich nicht mehr, weshalb Österreich als ehemals deutsches Reichsmitglied einen rechtlichen Alleingang ging.

Das ABGB ist somit das älteste deutsche Gesetzbuch, welches Gültigkeit erlangte. Auch dieses basiert auf dem römischen und germanischen Zivilrecht.

Die Schweiz entwickelte das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) ab 1907/08. Es trat allerdings erst 1912 in Kraft. Stark beeinflusst wurde ZGB vom deutschen BGB.

Welches Rechtssystem hat Kanada

In Kanada gilt das Common Law. Eine Ausnahme bildet die Provinz Quebec, wo das französische Zivilrecht vorherrscht. Die Provinz Quebec war lange Zeit französisches Hoheitsgebiet, während der restliche Teil von Kanada zum englischen Commonwealth gehörte. Deshalb ist in Quebec heute noch die französische Sprache die alleinige Amtssprache und dass französische Rechtssystem blieb ebenfalls bestehen.