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Atheismus von der Antike bis zur Neuzeit


Die Geschichte des Atheismus ist so alt wie die Geschichte der Religion. Allgemein versteht man unter Atheismus die Verweigerung, an einen absoluten Gott oder an Götter zu glauben. Demnach ist der Atheismus das Gegenstück zum Theismus. (siehe auch: Fragen und Antworten zum Atheismus)

Aber der Atheismus lehnt Religion nicht als Ganzes ab. Denn es gibt auch atheistische Religionen, wie den Buddhismus, welcher gänzlich ohne Gottesverehrung auskommt. Zu den ersten atheistischen Denkschulen gehört die Charvaka, eine altindische Philosophenschule aus dem 6. Jahrhundert v.Chr..

In Indien und anderen Teilen Südostasiens entstanden im 5. und 6. Jahrhundert v.Chr. der Jainismus und der Buddhismus, beides atheistische Religionen.

In China des 4 Jhd. v. Chr. entstand der Daoismus, welcher ebenfalls ohne Götter auskommt. Schließlich gilt auch der Konfuzianismus als eine der ersten atheistischen Religionen Asiens, genauso wie der Zervanismus im alten Perserreich.

Und im Mittelmeerraum gelten der Epikureismus, der Stoizismus und der Kynismus als religiös-philosophische Denkschulen, welche den Atheismus praktizierten.

Ursprung des Atheismus in Südostasien

Atheistische Ideen gab es wohlmöglich bereits zur Zeit der vedischen Kultur auf. Dieser Zeitabschnitt begann im 2. Jahrtausend v.Chr. als Indoiraner in das Indus-Tal vordrangen.

Aus dieser Kultur entwickelte sich der Brahmanismus, welcher wiederum die philosophischen Wurzeln des Buddhismus und des Jainismus bildet.

In der vedischen Religion gab es Mächte, welche sich in der Natur und Menschenwelt offenbaren. Das vedische Pantheon kannte Naturgötter (Devas) und einen Himmelsvater (Dyaus Pita), welcher als Vater anderer Götter auftrat.

Zur vedischen Zeit gab es bereits Gegenpositionen, welche als Nastika bezeichnet werden. Anhänger der Nastika lehnten das vedische Götterbild und die Idee eines Schöpfergottes ab. Aus diesen Schulen entwickelte sich der Jainismus, der Buddhismus und die Charvaka.

Die Anhänger der Charvaka glaubten an ein materialistisches Weltbild, wonach alle Phänomene auf dem Zusammenwirken von Materie zurückzuführen sind. Im Materialismus ist kein Platz für Götter. Stattdessen wird eine Mechanik als Motor der Wirklichkeit vermutet.

Ursprung des Buddhismus

Im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. existierte am Fuße des Himalaya ein kleines Königreich, welches vom Shakya-Clan geführt wurde. Der damalige Prinz war Siddhartha Gautama.

Laut einer Legende soll Gautama in Lumbini, im Grenzgebiet Nepals zu Indien, geboren sein. Dieser Prinz sah das Leiden um sich herum und begann damit, diesem Leiden auf den Grund zu gehen. Er erkannte, dass das Leid der Menschen durch ein nie endendes Begehren entstand.

Auf Grundlage dieser Erkenntnis entwarf Gautama eine neue Philosophie, welche als Dharma bezeichnet wird. Die Dharma-Philosophie wurde von Gautama mit ethnischen Verhaltensregeln ausgebaut, wonach sich seine Anhänger nachhaltig vom Begehren lossagen könnten.

Gautama wird als erster Buddha (deutsch: Erwachte) bezeichnet. Der Buddhismus kennt keine Götter, sondern stellt die Lehre des Gautama in den Mittelpunkt.

Ursprung des Jainismus

Der Jainismus entstand etwa zeitglich zum Buddhismus in Südostasien. Im Zentrum der Lehre steht ebenfalls das Dharma, welche hier als Jain-Dharma bezeichnet wird. Im Jain-Dharma wurden drei Gelübde ergänzt: Gewaltlosigkeit, Besitzlosigkeit und Wahrhaftigkeit. Einer der Begründer des Jainismus war Mahavira, welcher zeitgleich zu Buddha lebte (Siddhartha Gautama, 5. Jhd. v.Chr. ).

Ursprung des Daoismus

Im 4. Jahrhundert v.Chr. entstand in China der Daoismus. Auch diese Religion kommt ohne Schöpfergott aus. Philosophen, wie Laozi, Zhuāngzǐ oder Lièzǐ, prägten die daoistische Religion.

Im Mittelpunkt der daoistischen Philosophie stand der Ursprung des Seins, welche die Philosophen als Dao bezeichneten. Dieses Dao wird als eigenschaftsloses Absolutes und alle Elemente durchdringende Sein zusammengefasst. Das bedingungslose Annehmen der eigenen Natur ist ein Weg der Lehre im Daoismus.

Ursprung des Konfuzianismus

Etwa zeitgleich zum Daoismus entstand der Konfuzianismus mit Meister Kung (Konfuzius) als Religionsstifter. Im Zentrum seiner Lehre stehen fünf Säulen, welche es möglich machen, nach moralisch-ethischer Vollkommenheit zu streben. Diese fünf Säulen bzw. Konstanten sind: Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Sittlichkeit, Weisheit und Aufrichtigkeit.

Atheismus in der Antike

Drei große atheistische Schulen der Antike sind der Kynismus (5. Jhd. v.Chr.), der Epikureismus (4. Jhd. v.Chr.) und der Stoizismus (3. Jhd. v.Chr.).

Doch bereits im 7. Jhd. v.Chr. gab es Philosophen – wie Thales von Milet, Anaximenes oder Anaximander. Diese verstanden sich als Naturphilosophen. Im Zentrum ihres Interesse stand der Ursprung der Welt, gedacht außerhalb eines Schöpfergottes.

Die Naturphilosophen bezeichneten die Ausgangsbasis für die Weltentstehung, deren nachfolgende Verkettung von Kausalitäten als Archē (deutsch: Anfang).

Laut ihrem Verständnis waren Verkettung und Ausgangslage rein mechanische Natur, womit die Naturphilosophie an den Materialismus anknüpfte.

Ursprung des Kynismus

Ähnlich wie die Philosophen in Südostasien beschäftigten sich die Kyniker ebenfalls mit der Lebenswirklichkeit der Menschen. Im Zentrum eines guten Lebens stellten die Kyniker das Glück (Eudaimonia).

Laut Kynismus soll Glück erreicht werden, indem der Mensch nach Unabhängigkeit und Selbstgenügsamkeit (Autarkie) strebe. Jegliche unnatürliche Güter, welche gesellschaftliche erfunden und gefördert werden, sollten nicht angestrebt werden (z.B. Macht, Ehre, Reichtum).

Um diese innere Bedürfnislosigkeit zu erreichen, stellten die Kyniker die Askese als Weg in Aussicht. Durch körperliche und geistige Askese soll der Mensch sich von weltlichen Begierden befreien können.

Als Begründer dieser Philosophie wird Antisthenes (435 v.Chr. – 365 v.Chr.) genannt. Zum Namensgeber wurde allerdings Diogenes von Sinope (413 v.Chr. – 323 v.Chr.), welcher auch als Hund (altgriechisch: kyon) bezeichnet wurde. Den Beinamen erhielt er, weil seine öffentlichen Auftritte teilweise anstandslos und rücksichtslos waren.

Ursprung des Epikureismus

Der Epikureismus stellt das persönliche Glück (Eudaimonia) als Ideal voran. Laut den Epikureern entsteht Glück durch eine vernunftgeleitete Einsicht in das Weltganze und einer Ausrichtung auf Lust.

Dabei wird Lust nicht als bedenkenloses Auskosten (Hedonismus) verstanden, sondern als Abwägen. Der Mensch solle abwägen, welche Form der Lust auf lange Sicht einen Nutzen bringt und welche Leid verursacht. Demnach soll der Mensch dauerhaft und konsequent sein Leben auf anhaltenden Lustgewinn ausrichten.

Als Empfehlung zur Glückserreichung sprachen sich die Epikureer für ein zurückgezogenes Leben aus. Begründer dieser Philosophie war Epikur (341 v.Chr. – 271 v.Chr.).

Ursprung des Stoizismus

Der Stoizismus geht auf Zenon von Kiton zurück, welcher um 300 v.Chr. jene neue Denkschule begründete.

Im Zentrum dieser Philosophie steht ein strenger Materialismus und Rationalismus. Das rigorose Pflichtdenken soll die Vernunft schulen. Alles was der Vernunft zuwiderläuft und Einsicht behindern könnte, soll abgelehnt und verhindert werden.

Die Glaubensvorstellung dahinter war, dass die Welt auf Grundlage von vernünftigen Naturgesetzen funktioniert. Ein Leben im Glück bedeutet ein Leben im Einklang mit der Natur. Und Freiheit wird nur durch Weisheit erreicht, indem man sich von Affekten und Gefühlen befreit.

Beginn des Agnostizismus

Der Agnostizismus ist sowohl mit Götterglaube (Theismus) als auch mit dem Atheismus vereinbar. Denn Agnostiker sagen einfach, dass das Bestehen einer höheren Macht nicht klärbar ist. Demnach wird die Existenz oder Nichtexistenz von Göttern weder verneint noch bejaht.

Bereits im 5. Jhd. v.Chr. zweifelte Protagoras an der Existenz von Göttern. Stattdessen war für ihn der Mensch das Maß aller Dinge. Seine Schriften sind nicht erhalten und seine Ideologie lediglich sekundär überliefert.

Man nimmt an, dass der Agnostizismus bzw. eine agnostische Grundstimmung in der Spätantike in weiten Teilen des Volkes verbreitet war. Der Schriftsteller Titus Petronius (14 – 66 n.Chr.) schrieb in seinem Roman Satyricon:

„Niemand glaubt mehr an den Himmel, niemand hält die Fasten, niemand kümmert sich um Jupiter, sondern alle machen die Augen zu und zählen nur ihren Zaster.“

Atheismus im Mittelalter

Im Mittelalter wurden Atheisten als Häretiker (Ketzer) bezeichnet. Ein Kennzeichen des Frühmittelalters in Europa war, dass weite Teile christianisiert wurde. Diese Christianisierung erfolgte durch Einsicht, aber meistens auch durch Zwang. So einte Karl der Große zwar Europa unter einem christlichen Gefüge, zwangschristianisierte aber heidnische Völker, wie die Sachsen.

Der christlichen Idealvorstellung einer religiösen Einheit folgten auch die Muslime im Orient. Im Zuge der Islamischen Expansion wurde der Nahen Osten, Nordafrika und weite Teile Zentralasiens zwangsislamisiert. Sowohl Islam als auch das Christentum verstanden sich als Bekehrungsreligion, weshalb die Missionierung zentraler Bestandteil war.

Demnach wir im Mittelalter kaum Platz für Atheisten. Dass der Atheismus bzw. atheistische Tendenzen im christlichen Europa überlebten, ist wahrscheinlich. Dennoch existieren keine Quellen darüber, dass es atheistische Denkschulen gegeben hat. Erschwerend kommt hinzu, dass Schriftquellen des Mittelalters christlich geprägt sind.

Gottesbeweis zur Bekämpfung des Atheismus

Im Mittelalter begann man damit, nicht nur an die Existenz Gottes zu glauben, sondern diese auch zu beweisen. Der arabisch-christliche Schriftsteller Johannes von Damaskus behauptete, dass der Glaube an Gott dem Menschen angeboren ist. Dies äußert sich im natürlichen Streben nach Glück des Menschen. Und das höhere Glücksempfinden lässt sich nur im Glauben finden.

Thomas von Aquin schrieb im 13. Jahrhundert sein Werk: Quinque viae ad deum (deutsch: 5 Wege zu Gott). In diesem Werk tritt er mit 5 Beweisen die Existenz Gottes an. In seinem eigentlichen Hauptwerk (Summa Theologiae) sammelte Thomas von Aquin einige Gottesbeweise, um diese als Summe den Heiden entgegenzusetzen.

Atheismus-Vorwurf als politisches Machtinstrument

Der Vorwurf des Atheismus wurde im Mittelalter dazu genutzt, um gegen politische oder religiöse Gegner vorzugehen. So etwa gegen die Waldenser. Diese waren eine Glaubensgemeinschaft, welche sich im 12. Jahrhundert in Südfrankreich gründete.

Da die Waldenser die Armut predigten, kam auch die Bezeichnung die „Armen von Lyon“ auf. Jene Armutsbewegung berief sich darauf, dass auch Jesus von Nazareth als armer Bettelmönch gelebt hatte. Demnach forderten sie von Kirche und Glaubensgemeinschaft, ein ähnliches Leben zu führen.

Dem Armutsideal wollte die christliche Kirche nicht folgen und sah ihren Status in Gefahr. Schließlich wurden die Waldenser zu Ketzern, Ungläubige oder Atheisten erklärt und verfolgt. Im Konzil von Verona (1184) wurden sie erstmals auch formell der Häresie beschuldigt. Es folgten Verurteilungen und Hinrichtungen.

Atheismus der Renaissance und Reformationszeit

Während der Renaissance häufte sich Kritik an der Vorgehensweise und dem Handeln der Kirche. Dies kam aber keineswegs einem Atheismus gleich, sondern die Kritik richtete sich ans Establishment und Kirchenstrukturen. Hinzu kam eine neue geistige Strömung in Italien ab den 1350-er Jahren. Diese wird als Humanismus bezeichnet.

Der Humanismus stellte den Menschen in den Vordergrund und ließ antike Vorstellungen eines Individuums neu entstehen. Dieses neue Ideal fand Ausdruck in der Renaissancekunst, aber auch in einer neuen Emanzipation des Einzelnen gegenüber bestehenden Strukturen.

Der Renaissance-Humanismus konnte seinen Beitrag leisten, dass die Reformation ab 1517 begann. Allerdings war auch die Reformationsbewegung keineswegs atheistisch. Man wollte nicht den Glauben an Gott (Theismus) abschaffen, sondern lediglich Kirchenstrukturen aufbrechen und ändern.

Dennoch trugen Humanismus, Reformation und Renaissancekunst als Abbild dieser neuen Ideale dazu bei – dass der Atheismus entstehen konnte. Hinzu kam, dass Kopernikus, Newton und Descartes eine neue Denkweise über die Naturgesetze schufen – wodurch der Götterglaube allmählich schwand.

Ursprung des Deismus

Im 16. Jahrhundert tauchte der Begriff athéisme erstmalig Frankreich auf. Im Sprachraum wurde er ab 1566 übernommen. Gemeint waren damals allerdings noch Andersgläubige und keine Ungläubigen. Denn in Frankreich begann eine neue Idee darüber zu entstehen, was Gott sein könnte.

Diese Idee wird als Deismus bezeichnet. Und deren Anhänger glauben, dass Gott zwar existiert – aber nicht weiter ins Geschehen eingreift. Diese Position unterschied sich jedoch heftig von der Position damaliger Theisten. Letztere richteten ihr Leben danach aus, dass Gott eingreift, hilft und unterstützt.

Heute würden wir Deisten als wahre Gläubige begreifen, doch damals wurden sie als Ungläubige verschrien.

Ursprung des Pantheismus

Im 17. Jahrhundert entwickelte sich eine weitere Form des Götterglaubens, welche als Pantheïsmus bezeichnet wird. Deren Anhänger glauben zwar an Gott, gehen aber davon aus – dass Gott in seiner Schöpfung aufgegangen ist. Demnach ist Gott gleichzusetzen mit Natur oder Kosmos. Eine der ersten Pantheisten war der niederländische Philosoph Baruch Spinoza (1632 – 1677).

Spinoza glaubte daran, dass sich Gott nicht in das Funktionieren der Welt einmische und dass das Funktionieren der Welt auf Naturgesetzen beruhte. Die Existenz Gottes zweifelte er nicht an. Dennoch trugen seine Ansichten dazu bei, dass Spinoza aus seiner jüdischen Gemeinde ausgeschlossen wurde. Einige Autoren, wie Geoffrey Blainey, bezeichnen Spinoza als ersten Halb-Atheisten.

Atheismus der Neuzeit

Der erste namentlich genannte Atheist der Neuzeit war Matthias Knutzen (1646 – 1674).

Knutzen war ein deutschsprachige Religionskritiker, welcher sich offen zum Atheismus bekannte. Und 1674 veröffentlichte er drei atheistische Schriften. In diesen zweifelte er offen transzendente Größen, wie Gott, das Jenseits oder die unsterbliche Seele an. Zudem behauptete er, dass die Bibel – aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit – keine glaubhafte Grundlage sei. Als neuen Maßstab schlug er Vernunft und Wissenschaft vor.

Die drei atheistischen Schriften hatten zur Folge, dass Knutzen verfolgt wurde. Um seiner Strafe zu entkommen, floh er nach Jena – wo er 1674 ein letztes Mal gesehen wurde. Danach verläuft sich seine Spur.

1689 wird der polnische Atheist Kazimierz Łyszczyński unrechtmäßig inhaftiert und schließlich hingerichtet. In der Kerkerhaft soll Łyszczyński die Zunge herausgerissen worden sein und seine Hände wurden langsam verbrannt. Nach der Verurteilung wegen Atheismus wurde er in Warschau enthauptet.

Atheismus während der Aufklärung

Die Aufklärung begann um etwa 1700. Zunächst wurde der Deismus in einigen geistig-elitären Kreisen sehr einflussreich. So stellte Jean-Jacques Rousseau das Konzept von der Ursünde infrage. Er behauptete, dass der Mensch keinesfalls von der Ursünde befleckt sei und im Grunde gut sei. Dennoch hielt er Gott für existent. Er schrieb dazu: „Wenn es Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.“

Der erste Radikalaufklärer war ein Priester, namens Jean Meslier (1664 – 1729). In seinem Essay lehnt er die Wunder, die Seele, die Gottesvorstellung und die theologischen Methoden ab. Moderne Philosophen sehen in Mesliers Werk die Geburtsstunde des wahren Atheismus. Er gilt als Prophet und geistiger Vorbereiter der französischen Revolution.

Atheismus als Grundlage der Französischen Revolution

In der Französische Revolution von 1789 gipfelte schließlich das atheistische Verständnis und ebnete den Weg zum Rationalismus und Liberalismus. In den Jahren nach 1789 wurden Klöster und Kirchen abgebaut und umgewandelt. Es wurden Kleriker und Nonnen vertrieben, öffentlich hingerichtet und es wurden Kirchengüter beschlagnahmt.

In Frankreich wurde der Atheismus zur Staatsreligion erklärt, welche man als Kult der Vernunft (ab 1794) bezeichnete. Die Entchristlichung erhielt durch Maximilien Robespierre ein Gegenstück, welcher den Kult des höchsten Wesens (1794) einführte. Dieser neue Kult sollte die atheistische Vorstellung durch eine deistische Grundlage ersetzen. Letztlich scheiterte der Versuch bereits im selben Jahr.

Im Zuge der Vernunftskultes gab es zeremonielle Bilderstürme, Kirchenplünderungen und Verunstaltungen. An Bildern von christlichen Märtyrern wurden die Märtyrer der Revolution gesetzt.

Sowohl der Vernunftkult als auch der Kult des höchsten Wesens geschahen während der Schreckensherrschaft, als alle möglichen Personen verdächtigt worden, Gegner der Revolution gewesen zu sein.

Der Terror kostete zwischen 1792 und 1794 etwa 40.000 Franzosen das Leben. Darunter waren nicht nur Nonnen und Priester, sondern auch Konservative, mögliche Konterrevolutionäre und auch einfache Bürger, welche man einfach verdächtigen konnte.

Atheismus im 19. Jahrhundert

Bedeutende atheistische Denker im 19. Jahrhundert waren Arthur Schopenhauer (1788 – 1860), Karl Marx (1818 – 1883), Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), Friedrich Engels (1820 – 1895) und Max Stirner (1806 – 1856).

Karl Marx bezeichnete Religion als Opium für das Volk. Er sah sich selbst als atheistischen Nationalökonom. Und die Religion war für ihn ein Ausdruck des Klassenkampfes. Denn Religion war nach Marx nichts weiter als eine Traumwelt, welche erschaffen wurde, um den Unterdrückten ein Leben nach dem Tod zu versprechen. Dadurch wird das Proletariat aktiv davon abgehalten, die soziale Frage im Diesseits zu klären.

Nietzsche prägte den Satz: „Gott ist tot“. Diesen Satz sprach Nietzsche zwar nie selbst aus, aber er findet sich in seinen Werken: „Also sprach Zarathustra“ und „Die fröhliche Wissenschaft“.

Nietzsche begründete seine Haltung damit, dass der Monotheismus mit dem neuen Denken in der Moderne zusammenbrach. Er forderte eine Neubewertung des religiösen Systems und die Schaffung von neuen Werten. Nur so könne der Mensch einen höheren Zustand erreichen, welchen Nietzsche als Übermenschen bezeichnete.

Durch die Französische Revolution und dem neuen Freiheitsgedanken entstand auch eine Neuverhandlung der Gesellschaftsordnung. Die Frauen sahen sich als Unterdrückte der alten Gesellschaft und erklärten, dass Religion genau solche Strukturen fördere und sexistisch sei.

Der Feminismus begann im 19. Jahrhundert. In der ersten Welle des Feminismus setzen sich die Aktivistinnen für die Einführung des Frauenwahlrechts ein. Der atheistische Feminismus gehörte bereits zur ersten Welle und sollte die sexistischen Strukturen im religiösen Gesellschaftsbild aufbrechen.

Atheismus des 20. Jahrhunderts

Der Atheismus fand im 20. Jahrhundert durchaus Anschluss an anderen Ideologien, wie dem Marxismus (Kommunismus), dem Anarchismus, dem Feminismus, dem Nationalsozialismus und dem Rationalismus.

Atheistischer Kommunismus

Der Marxismus, der Leninismus, der Maoismus, der Stalinismus oder der Kommunismus sind Ideologien mit religiösen Charakter. So hat der Kommunismus mit Marx und Engels seine Religionsstifter. Seine Propheten sind neben den genannten auch Lenin, Stalin oder Mao Tse-Tung. Die Heiligen Schriften werden als Manifeste bezeichnet. Im Kapital (von Karl Marx) kann jeder Kommunist die Verkündigungen von Marx nachlesen. Und selbst Feiertage kennt der Kommunismus.

Da jeder kommunistische Staat ein Einparteiensystem stellt, werden deren Priester und Kleriker als Genossen oder Staatssekretäre bezeichnet. Der Kommunismus kennt Heilige Kriege (Revolutionen) und Märtyrer – welche für die gerechte Sache gestorben sind. Der Stern ist Symbol des Kommunismus, genauso wie das Kreuz der Christen.

Demnach ist der Kommunismus in all seinen Facetten durchaus ein System, welches auf religiöse Strukturen setzt. Folgt man diesem Gedanken ist der Kommunismus eine Form des Monotheismus, da ganz oben immer ein Alleinherrscher steht. Und ein Merkmal von monotheistischen Religionen ist, dass sie keine Götter neben sich dulden.

Und so wurde in der Sowjetunion, in Kuba, in der DDR und im jedem anderen Land mit kommunistisch-sozialistischer Ausprägung die Religion verschrien. Denn religiöse Strukturen sind Machtapparate, welche der Diktatur des Proletariats natürlich gegenüberstehen und deren Machtbasis angreifen.

Staatsatheismus in der Sowjetunion

In Russland wurde 1917 das Zarenregime durch die Februarrevolution gestürzt. Im selben Jahr kam es zur Oktoberrevolution, bei welcher die Revolutionäre der Februarrevolution gestürzt werden sollten. Ausgelöst wurde die zweite Revolution durch Lenin, dem Anführer der Bolschewiken. In den Folgejahren fiel Russland in einen Bürgerkrieg bis 1922.

Nach dem Bürgerkrieg ließ Lenin sofort das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche (Patriarch Tichon) verhaften. Der Patriarch wurde ins Donskoi-Kloster interniert, kam ein Jahr später wieder frei, um dann vergiftet zu werden.

In den Jahren zwischen 1922 und 1925 wurden Pogrome veranstaltet, Kirchen geplündert, deren Eigentum verstaatlicht und Kleriker ermordet.

Wie es jede gute Religion macht, kümmert man sich um ein neues Weltbild und deshalb wurde die Gewerkschaft der Gottlosen gegründet. Diese staatliche Organisation setzte sich zum Ziel, jegliche Religion in Sowjetrussland auszurotten und den Atheismus zu verbreiten.

Staatsatheismus in der Volksrepublik China

Ganz ähnlich machte es Mao Tse-Tung als er 1966 seine Kulturrevolution anstieß. Bei diesen Reformen sollten alte Ideen, die alte Kultur, alte Bräuche und alte Gewohnheiten zerstört werden.

All das geschah unter dem Leitmotiv zur Bewahrung des Kommunismus. Letztlich starben mehr als 1 Mio. Menschen bei den Reformen.

Aber die kommunistische Religion beklagt keine Opfer, da die Gesellschaft immer einen höheren Wert hat als das einzelne Individuum.

Atheismus im faschistischen Italien

Benito Mussolini war die zentrale Führungsfigur im faschistischen Italien (1925 – 1943). Er war entschiedener Atheist und Kirchengegner (Antitheismus).

Seine faschistische Partei (Partito Nazionale Fascista) forderte 1919 die Enteignung der Kirchen. Später mäßigte Mussolini seine Haltung und ließ auch Religionsunterricht an Schulen zu. Dennoch sollte die höchste Anbetung in Italien dem Staat oder der Nation gelten und nicht einem Gott.

Atheismus während des Nationalsozialismus

Die Nationalsozialisten wollten ein Positives Christentum begründen, bei welchem die jüdischen Ursprünge vergessen gemacht werden. Stattdessen sollte das Positive Christentum sich in die völkisch-rassistische Erzählung einbetten lassen. In der Folge wurde das Christentum dennoch immer weiter zurückgedrängt, da die NS-Regime die alleinige Kontrolle über die Gesellschaft anstrebte.

Da sich immer mehr Menschen von der Kirche abwandten, wurde der Status „gottgläubig“ eingeführt. So konnte jemand, welcher aus der Kirche austrat und keiner Konfession angehörte – dennoch gottgläubig sein und wurde nicht als Atheist (glaubenslos) abgestraft.

Mit Gottgläubigkeit verbanden die Nationalsozialisten ein höheres Maß an Disziplin und Bereitschaftswillen. Demnach wurden in der militärischen Laufbahn eher gottgläubige Menschen bevorzugt, anstelle von gottlosen.

Neues Auffangbecken für gottgläubigen Konfessionslose sollte die Partei (NSDAP) sein. Denn diese übernahm immer mehr weltlich-religiöse Funktionen. Eine neue germanische Religion sollte rekonstruiert werden, welche sich bequem ans Positive Christentum anknüpfen ließ.