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Homo heidelbergensis


Schädel von Miguelón, Schädel eines Homo heidelbergensis, ausgestellt in Burgos (Spanien), Bildnachweis: JESUS DE FUENSANTA / Shutterstock.com

Schädel von Miguelón, Schädel eines Homo heidelbergensis, ausgestellt in Burgos (Spanien), Bildnachweis: JESUS DE FUENSANTA / Shutterstock.com


Homo heidelbergensis („Heidelberger Mensch“) oder Heidelbergmensch war eine Menschenart, welche sich vermutlich vor 600.000 Jahren in Europa entwickelte. Benannt ist diese Menschenart nach dem ersten Fundort Mauer, nahe der Stadt Heidelberg. Man nimmt an, dass Homo heidelbergensis sich in Europa aus der aus Afrika ausgewanderten Homo erectus Population entwickelte. Als Nachfahre des Heidelbergmenschen wird der Neandertaler angenommen, welcher sich vor 300.000 Jahren – ebenfalls in Europa – entwickelte.

Steckbrief

Wissenschaftlicher Artname:Homo heidelbergenis
Weitere Namen:Heidelbergmensch, Heidelberger Mensch, Mensch von Heidelberg
Erstes Auftreten:Pleistozän vor 600.000 Jahren
Aussterben:Pleistozän vor 200.000 Jahren
Lebensraum:Afrika und Europa
Einordnung:Ausgestorbene Art der Frühmenschen
Systematik:
Ordnung:Primaten (Primates)
Überfamilie:Menschenartige (Hominoidea)
Familie:Menschenaffen (Hominidae)
Unterfamilie:
Homininae
Tribus:Hominini
Gattung:Homo
Art:Homo heidelbergensis
Stammesgeschichte:Vorfahren: Homo erectus oder Homo ergaster (je nach Forschungskonvention)

Nachfahre: Homo neanderthalensis (Neandertaler)
Körpergröße:etwa 1,64 m (geschätzt)
Gewicht:60 bis 80 kg (geschätzt)
Gehirnvolumen:1274 cm³ (Durchschnitt) mit Schwankungsbreiten von 1116 bis 1450 cm³
Körperbau:
Nahrung:Allesfresser, wohlmöglich Großwildjäger
Lebensweise:Jäger und Sammler
Aufrechter Gang:ja
Steinwerkzeuge:Faustkeile der Acheuléen-Kultur
Steinzeit-Waffen:Jagdwaffen wie die Schöninger Speere
Feuerbeherrschung:ja
Steinzeit-Kunst:nein
Sprachentwicklung:nein
Weitere Merkmale:Überaugenwulst, starker Ober- und Unterkiefer

Wer war Homo heidelbergensis

Homo heidelbergensis ist der Artname einer ausgestorbenen Menschenart, welche sich vor etwa 600.000 Jahren in Afrika oder Europa entwickelte.

Für viele Forscher ist Homo heidelbergensis ein Nachkomme des Homo erectus, welcher vor 1,8 Mio. Jahren aus Afrika auswanderte und sich in Europa zum H. heidelbergensis entwickelte. Andere Forscher halten H. heidelbergensis lediglich als eine Variante des H. erectus und sprechen diesem den Status einer Menschenart ab.

Vor etwa 300.000 Jahren ging aus dem europäischen Homo heidelbergensis der Neandertaler hervor, dessen Artstatus als gesichert gilt. Und vor etwa 200.000 Jahren starb H. heidelbergensis aus. Da der Übergang von H. erectus, H. heidelbergensis und H. neanderthalensis fließend erfolgte, werden einige Fossilien – je nach Forschungskreis – allen drei Arten zugeordnet.

Was bedeutet Homo heidelbergensis

Der Name Homo ist ein Gattungsname, unter welchem alle Menschenarten vereint werden. So etwa auch der Homo erectus, der Homo neanderthalensis (Neandertaler) oder der Homo sapiens (Jetztmensch). Übersetzt bedeutet Homo: Mensch oder Mann.

Der eigentliche Artname ist „heidelbergensis“ und ist eine Wortschöpfung, basierend auf der ersten Fundstelle eines Fossils von H. heidelbergensis. Denn das erste Fossil, welches man fand, stammt aus Mauer – einem kleinen Ort in der Nähe von Heidelberg (Deutschland). Somit bedeutet H. heidelbergensis in etwa: Mensch aus Heidelberg oder Heidelberger Mensch.

Wann lebte der Homo heidelbergensis

Die ältesten Funde eines Homo heidelbergensis stammen aus Spanien (Sima de los Huesos) und sind etwa 600.000 Jahre alt. Die jüngsten Funde stammen aus Griechenland (Tropfsteinhöhle von Petralona) und können auf ein Alter von etwa 160.000 Jahre datiert werden. Demnach ergibt sich ein Alter für Homo heidelbergensis zwischen 600.000 und 160.000 Jahren.

Woher kam Homo heidelbergensis

Nachdem der Fund von Mauer 1908 publik wurde, stellte man Homo heidelbergensis als Urdeutschen vor. Eine Datierung ergab ein Alter von etwa 500.000 bis 600.000 Jahren. Allerdings wurde die Urdeutschen-Theorie stark angezweifelt. Laut US-amerikanischer Forschertradition stammt H. heidelbergensis aus Afrika und überhaupt nicht aus Europa.

Bekannt ist, dass Homo heidelbergensis der H. erectus-Linie aus Afrika entsprang. Da ist sich die Forschung einig. Aber von US-amerikanischen Forschern werden alle ostasiatischen Fossilexemplare des Homo erectus als Homo erectus bezeichnet. Die älteren H. erectus Fossile, welche man Afrika entdeckte (Alter vor 1,8 Mio. Jahren) – stellt man in eine Homo ergaster Reihe.

Jüngere Funde in Ostafrika, wie bspw. der Bodo-Schädel (640.000 bis 300.000), werden als Homo heidelbergensis bezeichnet. Deshalb wird Homo heidelbergensis immer auch als evolutionäres Bindeglied auf dem Weg zum Homo sapiens (archaischer Homo sapiens) erwähnt.

Folgt man dieser Konvention entwickelte sich Homo heidelbergensis in Afrika aus Homo ergaster, während sich die ausgewanderte Homo ergaster Population in Ostasien zu Homo erectus entwickelte. Laut dieser Konvention ist Homo heidelbergensis der letzte gemeinsame Vorfahre vom Neandertaler und Homo sapiens.

In der europäischen Denkweise wanderte Homo erectus aus Afrika aus. Alle in Asien bekannten Fossilien nach der Auswanderung werden zu Homo erectus gestellt. In Europa entwickelte sich Homo erectus zum Heidelbergmenschen (H. heidelbergensis). Alle Fossilienfunde vor der Neandertalerzeit werden von Europäern entweder als Heidelbergmensch oder als Unterart bzw. Variante von Homo erectus betrachtet. Dies führt dazu, dass der Unterkiefer von Mauer, welcher namensgebend für den Heidelbergmenschen war, in der Dauerausstellung im Phyletische Museum in Jena als Homo erectus und eben nicht als H. heidelbergensis bezeichnet wurde.

Welche Fundorte sind zum Homo heidelbergensis bekannt

Namensgebend für den Homo heidelbergensis war der Fundort Mauer, in der Nähe von Heidelberg. Dort wurde 1907 in einer Sandgrube ein Unterkiefer entdeckt, welchen man der Gattung Homo zuordnen konnte. Dieses Fossil ist zugleich das älteste Fundstück eines Menschen in Deutschland und wurde zum Typexemplar des Homo heidelbergensis.

Eine Datierung des Unterkiefers von Mauer ergab ein Alter zwischen 500.000 und 600.000 Jahren. Ein Jahr später (1908) gelang Otto Schoetensack die Erstbeschreibung und Zuordnung als „präneandertaloid“ (vor den Neandertalern).

Verbreitung und Fundgebiete des Homo heidelbergensis

Verbreitung und bedeutende Fundgebiete des Homo heidelbergensis

Weitere Fundorte ergaben sich in Spanien, Frankreich, England, Deutschland, Ungarn, Italien und Griechenland. Auch in Israel und Marokko konnten Fossilien vom Heidelbergmenschen geborgen werden. Da es während des Pleistozäns immer wieder zu starken Klimaveränderungen (Warmzeiten, Eiszeiten) kam, wanderten die Heidelbergmenschen in den kalten Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten von Norden nach Süden. In den Warmzeiten wanderte die Menschheit wieder nach Norden, um der Überbevölkerung im Süden zu entgehen.

Schon während der Altsteinzeit war England mehrfach besiedelt und dann wieder verlassen worden. Es wird vermutet, dass Homo heidelbergensis in England – während der Vereisungsphase – vollständig ausstarb.

Einige Fossilien, wie bspw. der „Mensch von Tautavel“ wird entweder zu Homo erectus oder H. heidelbergensis gestellt. Auch der Swanscombe-Schädel (Großbritannien) wird sowohl dem Neandertaler als auch H. heidelbergensis zugeschrieben. Der Homo steinheimensis („Urmensch von Steinheim“) wird als Bindeglied zwischen Neandertaler und H. heidelbergensis betrachtet.

Welche Merkmale hatte Homo heidelbergensis

Homo heidelbergensis gehört zu den Frühmenschen, welche bereits das Feuer kannten, Jagd betrieben und vollständig aufrecht gingen (bipedal).

Schädel Homo heidelbergensis, ausgestellt in TBILISSI GEORGIEN, Bildnachweis: meunierd / Shutterstock.com

Schädel Homo heidelbergensis, ausgestellt in TBILISSI GEORGIEN, Bildnachweis: meunierd / Shutterstock.com

Gehirnvolumen

Das Gehirnvolumen eines H. heidelbergensis wird in einer Schwankungsbreite von 1116 und 1450 cm³ angegeben. Demnach ist das Gehirn etwas kleiner als bei den Neandertalern und Jetztmenschen.

Körpergröße

In der Sima de los Huesos (Spanien) entdeckte man Langknochen, welche man Homo heidelbergensis zuordnete. Aufgrund dieser Langknochen konnte man eine Körpergröße abschätzen und kam auf etwa 164 cm. Man geht davon aus, dass Männer größer als Frauen waren. Das Gewicht eines Heidelbergmenschen wird zwischen 60 und 80 kg geschätzt.

Nahrung

In Schöningen (Niedersachsen) wurden zwischen 1994 und 1998 neun Holzspeere geborgen, welche man Homo heidelbergensis zuordnet. Die Schöninger Speere sind die ältesten, vollständig erhaltenen Jagdwaffen der Welt und sind circa 400.000 Jahre alt. Diese Wurflanzen eigneten sich zur Großwildjagd, weshalb man davon ausgeht, dass H. heidelbergensis bereits Hirsche, Mammuts, Bisons und andere Megafauna gejagt und erbeutet hatte. Begleitfunde des Ausgrabungsortes waren Knochen von 15 Pferden, welche die Schlussfolgerung der Großwildthese stützen.

Speerspitzen, welche etwa 500.000 Jahre alt sind, fand man in Südafrika. Auch diese werden, je nach Forschungskonvention, entweder Homo erectus oder Homo heidelbergensis zugeschrieben.

Feuer

Die ältesten Feuerstellen Europas werden Homo heidelbergensis zugeschrieben und sind etwa 400.000 Jahre alt. Eine dieser Feuerstellen konnte in der Fundstätte Terra Amata (Südfrankreich) ausgemacht werden, welche vor etwa 380.000 Jahren den Heidelbergmenschen als Lager- und Sammelplatz diente.

Werkzeuge

Vom Homo heidelbergensis sind zahlreiche Steinwerkzeuge bekannt, welche dem Zerlegen von Fleisch dienten. Auch Schaber, um das Fleisch von den Knochen zu kratzen, wurden gefunden. Das Bearbeiten von Tierhäuten durch Kratzer diente der Herstellung von Textilien (gerben) und Leder.

Schädel

Am Schädel von Miguelon, welcher dem H. heidelbergensis zugeordnet wird, lässt einen Überaugenwulst erkennen. Der Nasenrücken ist breit angelegt, weshalb die Augenhöhlen weit voneinander entfernt sind.

Da die Wangenknochen etwas schmaler hervortreten, stechen Nase und Unterkiefer wie eine Schnauze hervor. Die Stirn ist deutlich tiefer als bei den späteren Neandertalern und Ober- und Unterkiefer sind kräftig ausgeprägt. Die starke Kieferausprägung gilt als typisches Merkmal der Heidelberger Menschen.

Was kam nach Homo heidelbergensis

Aus dem europäischen Homo heidelbergensis entwickelte sich vor etwa 230.000 Jahren der Neandertaler. Diese robustere Menschenart war wohlmöglich besser an das raue Klima der Eiszeiten angepasst. Das Robustheitsmerkmal setzte sich durch, weshalb sich die Neandertaler aus den Heidelbergmenschen entwickelten, besser angepasst waren und schließlich zum Aussterben des H. heidelbergensis beitrugen.

Literatur

  • Dieter Hornemann, Gottes dritter Versuch: Das Rätsel der Menschwerdung, ISBN: 3825152545*
  • Josef H. Reichholf (Autor), Fritz Wendler (Illustrator), Das Rätsel der Menschwerdung: Die Entstehung des Menschen im Wechselspiel mit der Natur, ISBN: 3423330066*
  • Dierk Suhr, Das Mosaik der Menschwerdung: Vom aufrechten Gang zur Eroberung der Erde: Humanevolution im Überblick, ISBN: 3662568292*
  • Friedemann Schrenk (Autor), Die Frühzeit des Menschen: Der Weg zum Homo sapiens (Beck’sche Reihe), ISBN: 3406736009*
  • Dierk Suhr (Autor), Das Mosaik der Menschwerdung: Vom aufrechten Gang zur Eroberung der Erde: Humanevolution im Überblick, ISBN: 3662568292*
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