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Homo ergaster


Homo ergaster ist eine ausgestorbene Menschenart, welche vor 1,9 bis 1,4 Millionen Jahren in Afrika lebte. Sämtliche Funde aus Afrika, welche vor Homo erectus datiert sind, wurden dem Homo ergaster zugeschrieben. Lange nahm man an, dass Homo ergaster auch der afrikanische Vorfahre bzw. Variante von Homo erectus sei. Deshalb sind auch die Namen: African Homo erectus oder Homo erectus ergaster geläufig.

Folgt man diesem Gedanken könnte Homo ergaster eine Bindeglied zwischen den älteren Urmenschen (Homo habilis, Homo rudolfensis) und den jüngeren Frühmenschen (ab Homo erectus) sein. Doch für die meisten Forscher gilt das Denken in direkten Stammbaumlinien überholt. Stattdessen geht man davon aus, dass der Stammbaum des Menschen eher einem Stammbusch gleicht – welcher viele Linien hatte.

Steckbrief

Schädel von Homo ergaster, Replik von KNM-WT 15000, "Nariokotome Boy", ausgestellt in Singapur, Bildnachweis: Danny Ye / Shutterstock.com

Schädel von Homo ergaster, Bildnachweis: Danny Ye / Shutterstock.com


Homo ergaster
Erstes Auftreten:Pleistozän vor 1,9 Mio. Jahren (Altsteinzeit bzw. Steinzeit)
Aussterben:Pleistozän vor 1,4 Mio. Jahren (Altsteinzeit bzw. Steinzeit)
Lebensraum:Afrika, hauptsächlich in Savannenlandschaften in Ostafrika (Kenia)
Vorfahren:Homo rudolfensis (ungewiss)
Nachfahren:Homo erectus (ungewiss)
Zeittafel der Menschenarten aus der Gattung Homo

Zeittafel der Menschenarten aus der Gattung Homo

Systematik
Ordnung:Primaten (Primates)
Überfamilie:Menschenartige (Hominoidea)
Familie:Menschenaffen (Hominidae)
Unterfamilie:Homininae
Tribus:Hominini
Gattung:Homo
Art:ergaster
Körperliche Merkmale:
Körpergröße:1,60 m bis 1,82 m
Gewicht:52 bis 70 kg
Gehirnvolumen:750 bis 900 cm³
Körperbau:grazil, schlank,
Lebensweise:
Nahrung:Pflanzen, Wurzeln, Nüsse, Aas (tierische Kost)
Lebensweise:Mehr Sammler als Jäger
Steinwerkzeuge:ja
Waffen:ungewiss
Feuerbeherrschung:ungewiss
Sprachentwicklung:nein
Besondere Merkmale
entwickelte Frühformen des Faustkeils
erste Menschenart, bei welcher die Körperbehaarung zurückging

Was bedeutet Homo ergaster

Das erste Wort im Artnamen ist Homo. Und dies bedeutet übersetzt Mensch oder Mann. Homo ist zugleich der Gattungsname aller Menschenarten bzw. der gesamten Menschheit.

Auf den Gattungsnamen folgt der spezifische Teil des Artnamens: Ergaster. Und dieses Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt: Arbeiter. Demnach bedeutet Homo ergaster: der arbeitende Mensch.

Mit diesem Artnamen wollten seine Entdecker demonstrieren, dass Homo ergaster bereits Steinwerkzeuge herstellte und nutzte. Dieses Merkmal ist wichtig, um ein Fossil überhaupt in die Gattung Homo (Mensch) einordnen zu können.

Wo fand man Homo ergaster

1971 fand der kenianischer Paläoanthropologe Richard Leakey in Koobi Fora (Kenia) zwei Fragmente eines Unterkiefers. Diese gehörten einem Erwachsenen, waren relativ gut erhalten und bezahnt.

Leakey hatte den Fund 1972 publiziert und das Fossil zur Gattung Homo gestellt. Einer direkten Art hatte Leakey das Fossil nicht zugeordnet. Dies übernahmen 1975 der australische Anthropologe Colin Groves und sein tschechischer Kollege Vratislav Mazák, welche den Fund in einer tschechischen Fachzeitschrift als Homo ergaster beschrieben.

Die Funde aus Koobi Fora werden heute im Nationalmuseum von Kenia aufbewahrt.

Was ist die Erectus-Ergaster Debatte

Bemerkenswert ist, dass Leakey und auch die Autoren von 1975 den Fund aus Koobi Fora zwar in die Gattung Homo stellten, ihn aber nicht genau abgrenzten. Zwar geschah eine Abgrenzung gegenüber Australopithecus (Vormenschen) und gegenüber Homo habilis, aber nicht gegenüber Homo erectus.

Weiterhin wurden dieser neu entdeckten Art nun andere Fossilien zugeordnet. So entdeckte bereits 1949 der südafrikanische Paläoanthropologe John T. Robinson in Südafrika die Fragmente eines Urmenschen, welcher von ihm als Telanthropus capensis bezeichnet wurde. Diese Fossilien wurden nun in die Nähe von Homo ergaster gerückt.

Die Nichtabgrenzung gegenüber Homo erectus hatte zur Folge, dass die Beschreibung von 1975 relativ unspektakulär wahrgenommen wurde. Man kam weitreichend zu dem Entschluss, dass Groves und Mazák lediglich eine Variante von Homo erectus beschrieben hatten. Dies führte letztlich nur zu einer Umgruppierung einzelner Funde, welche man nun in die Nähe der Ergaster-Erectus-Linie rückte. Deshalb wurde diese Arbeit auch selten zitiert und fand kaum Aufmerksamkeit.

In den 1990-er Jahren wurden dann die Funde aus Koobi Fora mit Funden von Homo erectus aus Asien verglichen. Insbesondere der Pekingmensch und der Javamensch wurden herangezogen. Einige Forscher kamen zu dem Schluss, dass Ergaster sich doch deutlich vom asiatischen Erectus unterscheide.

Durch die Vergleichsarbeit in den 1990-er Jahren stellte man Homo ergaster nun doch als eigenständige Art heraus. Es kam zu einer erneuten Umgruppierung, wonach man eine ganze Reihe von Erectus-Fossilien aus Afrika in die Nähe von Ergaster rückte.

Demnach wurde die Erectus-Linie in eine eurasische und eine afrikanische geteilt. Alle Fossilien, welche aus Eurasien stammten und dem Homo erectus zugeordnet waren, blieben auch dort. Doch die afrikanischen Fossilien, welche älter als 1,8 Mio. Jahre waren (Out of Africa), wurden nun eher als Homo ergaster gesehen.

Wer waren Vor- und Nachfahren von Homo erectus

Nachdem Homo ergaster als eigenständige Art anerkannt war, konnte man einen Vorfahren bestimmen. Und man setzte Ergaster als Nachfahre von Homo rudolfensis ein.

Demnach ergab sich ein Gesamtbild, wonach in Kenia vor 2,5 Mio. Jahren der Homo rudolfensis lebte. Aus ihm ging vor 1,9 Mio. Jahren der Homo ergaster hervor. Und vor etwa 1,8 Mio. Jahren wanderte ein Teil der Ergaster-Erectus-Population aus Afrika aus, welche in Eurasien sich zum Homo erectus weiterentwickelte.

Heute sind solche Stammbaumlinien nicht mehr aktuell. Denn diese haben einen Fehler. Denn es wird suggeriert, dass die Erde immer nur von einer Menschenart besiedelt wurde. Und die ganze menschliche Evolution war demnach eine stetige Weiterentwicklung, an dessen Ende der Jetztmensch steht.

So war es aber nicht. Stattdessen haben, für einen relativ großen Zeitraum, verschiedene Menschenarten zeitgleich auf der Erde gelebt. Zu Zeiten des Homo ergaster lebten Homo habilis und Homo erectus.

Wo lebte Homo ergaster

In der Forschung besteht allgemeiner Konsens, dass Homo erectus die erste Menschenart war, welche Afrika verließ. Stellt man Homo erectus aber in eine Linie mit Homo ergaster, kann letzterer der erste Migrant der Menschheit gewesen sein.

Der Hauptgrund für das Verlassen Afrikas war eine wachsende Bevölkerungszahl und eine schwindende Ressourcenbasis. Deshalb verließen einige Erectus-Ergaster-Populationen vor 1,8 Mio. Jahren den Kontinent und wanderten über die Halbinsel Sinai in den Nahen Osten aus.

In Afrika bewohnte Homo ergaster sogenannte Mosaiklandschaften. Diese bestehen aus verschiedenen Landschaftstypen (Mosaik). Zu diesen Landschaften gehörten die offene Savanne, welche wohlmöglich als Jagdrevier diente. Angrenzend zogen sich Ergaster aber in dichte Wälder zurück, da diese mehr Schutz boten.

Welche Werkzeuge nutzte Homo ergaster

Die Fundstellen, an denen man Fossilien von Homo ergaster fand, haben verschiedene Zeithorizonte. Im Zeithorizont der Ergaster-Funde fand man auch Werkzeuge vom Oldowan-Typ. Solche Steinwerkzeuge waren der Chopper und Chopping-Tool. Dies sind zwei Geröllwerkzeuge, also Steine – welche so abgeschlagen wurden – so dass sich eine spitze Kante ergab. An der Abschlagstechnik, lässt sich die Kulturstufe erkennen.

Chopper Steinwerkzeug

Chopper – ein Kieselsteinwerkzeug mit unregelmäßiger Schneide

Man nimmt allgemein an, dass Homo ergaster größere Steinsplitter schlagen konnte als frühere Hominini. Neben Erectus wird Ergaster als Erfinder der Faustkeile genannt, dem typischen Werkzeug der Acheuléen-Kultur.

Faustkeil, Steinwerkzeug mit zwei Flächen (Biface)

Faustkeil mit zwei Flächen (Biface)

Der Unterschied zur früheren Oldowan-Kultur bestand darin, dass die Kernstücke – welche verarbeitet werden sollten – nun bewusster gewählt wurden. Es entstanden Werkzeuge in tropfenförmiger, ovaler und dreieckiger Form.

Welche Waffen nutzte Homo ergaster

Soweit man heute weiß, nutzte Homo ergaster noch keine Waffen zur Jagd. Die Erfindung der Jagd geht auf Homo erectus zurück. Da die Ergaster-Erectus-Linie nicht eindeutig geklärt ist, kann es sein – dass auch Homo Ergaster als afrikanische Urvariante von Erectus bereits jagte.

Allerdings geht man allgemein davon aus, dass die afrikanischen Ergaster-Erectus noch ohne Waffen jagten. Die Ausdauerjagd bestand darin, ein Tier zu Tode bzw. bis zur Verzweiflung zu hetzen, um es dann zu töten.

Nutzte Homo ergaster das Feuer

Die ältesten Feuerstellen der Welt befinden sich in der Wonderwerk-Höhle in Südafrika. Diese wurden von Homo erectus vor etwa 1 Mio. Jahren genutzt.

Da die Trennung zwischen Erectus und Ergaster nicht zweifelsfrei ist, kann es durchaus sein, dass auch Homo ergaster das Feuer kontrollierte. Damit wäre er der früheste Hominini gewesen, welcher das Feuer zähmte.

Wie groß war das Gehirn von Homo ergaster

Das Gehirnvolumen von Homo ergaster lag bei etwa 750 bis 900 cm³. Damit war das Gehirn deutlich größer als das von Homo rudolfensis (bis 750 cm³), aber kleiner als beim Homo erectus (bis 1225 cm³).

Wie groß wurde Homo ergaster

Die einzig gut erhaltenen Überreste von Homo ergaster stammen vom Turkana Boy (Nariokotome-Junge), wobei ein größerer Teil der Forscher dieses eher zum Homo erectus stellt. Entdeckt wurde der Turkana-Boy im Jahr 1984 durch Kamoya Kimeu, einem kenianischen Paläoanthropologen. Fundstelle war beim Turkana-See in Kenia.

Das Fossil war etwa 1,62 m groß, aber noch nicht ausgewachsen. Man nimmt an, dass der ausgewachsene Turkana-Boy etwa 1,82 m groß gewesen wäre. Als Körpergewicht wurden etwa 70 kg errechnet.

Wie sah Homo ergaster aus

Homo ergaster war als Langstreckenläufer gedacht. Ein Großteil der Forscher nimmt an, dass bei dieser Menschenart der Fellwuchs zurückging. Demnach waren Ergaster ähnlich nackt wie heutige Menschen und somit die erste Menschenart, bei welcher der Fellwuchs ausblieb. Die Arm- und Beinlängen ähnelten denen heutiger Menschen.

Da das Gehirn bei Homo ergaster deutlich kleiner war, als beim heutigen Menschen – hatten sie auch kleinere Schädel. Direkt hinter den Augenhöhlen wurde der Schädel enger. Die Nase ragte, wie bei heutigen Menschen nach vorne und die Nasenlöcher zeigten nach unten. Dies ist ein Unterschied zu Vormenschen, bei denen die Nasenlöcher affenartig nach vorn zeigen.

Nachbildung des Turkana Boy (H. ergaster, erectus) im Neanderthal-Museum in Düsseldorf, Bildnachweis: Esin Deniz / Shutterstock.com

Nachbildung des Turkana Boys bzw. Nariokotome-Jung, Bildnachweis: Esin Deniz / Shutterstock.com

Die Veränderung der Nase kann ein Indiz dafür sein, dass Homo erectus sich ans heißere Savannenklima anpasste. Das Gesicht von Turkana-Boy war länger als bei heutigen Menschen und ragte nach unten. Der Unterkiefer ragte heraus und die Zähne waren deutlich größer als beim modernen Menschen.

Was hat Homo ergaster gefressen

Das Skelett des Turkana-Boys war zierlicher gegenüber älterer Homini. Die Länge der Beine und das Wegfallen von Fell könnten ein Indiz dafür gewesen sein, dass Homo ergaster bereits die Langstreckenjagd (Hetzjagd) beherrschte.

Aus den Untersuchungen des Skeletts vom Turkana-Boy ging hervor, dass dieser einem übermäßigen Vitamin-A-Konsum ausgesetzt war. Wahrscheinlich stammt das Vitamin A aus der Leber von Tieren.

Ob Ergaster bereits Tiere jagte, bleibt ungewiss. In der Forschung geht man davon aus, dass der Langstreckenlauf genutzt wurde, um Aasstellen zu finden. Sobald ein Rudel Löwen mit ihrer Beute fertig war, rannten die Ergaster zu den Überresten und vertilgten diese. Die Steinwerkzeuge wurden verwendet, um die Knochen zu spalten und so an das fettreiche Knochenmark zu gelangen.

Tierische Fette sind die bedeutendsten Energielieferanten für Fleischfresser.

Bandwürmer der Gattung Tania sind Parasiten, welche im Dünndarm beim Menschen und Raubtieren vorkommen. Wohlmöglich besiedelten diese Bandwürmer erstmal die Menschheit zu Zeiten von Homo ergaster. Denn frühere Hominini ernährten sich vorzugsweise von Pflanzenkost. Beim Ergaster nahm der Anteil an tierischer Kost zu.

Eine Vergrößerung des Gehirns rechtfertigte den Umstieg auf Mischnahrung. So stellten 2002 die Paläoanthropologen Leslie C. Aiello und Jonathan C. K. Wells fest, dass der Energieverbrauch beim Ergaster um 39 % höher gewesen sein muss als beim Australopithecus.

Da tierische Nahrung aber eine höhere Wasserzufuhr einfordert als pflanzliche Nahrung und im heißen Savannenklima, Wasserstellen rar wahren – blieb die Hauptnahrung pflanzlich und wurde mit tierischen Aas aufgewertet.

Weiterhin bieten afrikanische Huftiere nur wenig Fette an, weshalb auf fettreiche Pflanzennahrung zurückgegriffen wurde. Diese bestand aus Nüssen, Knollen, Samen und andere unterirdische Pflanzenorgane. Allgemein waren Nüsse eine Hauptnahrungsquelle der frühen Menschheit in der Steinzeit gewesen.


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