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Hungersnot von 1315 – 1317 (Der Große Hunger)


Das Märchen von Hänsel und Gretel erzählt von den Auswirkungen der Hungersnot von 1315 (Verstoß der Kinder, Kannibalismus)

Das Märchen von Hänsel und Gretel erzählt von den Auswirkungen der Hungersnot von 1315 (Verstoß der Kinder, Kannibalismus)


Der Große Hunger war eine Hungersnot, welche im Frühjahr 1315 in Europa begann und sich bis ins Jahr 1317 hinzog. Ursachen der Hungersnot waren Klimaänderungen. Und so kam es in den Sommermonaten zu extremen Regenergüssen, welche die Ernte vernichteten. Die Wintermonate waren länger als gewöhnlich, was die Saat- und Erntezeit zusätzlich verkürzte. Als Folge der Hungersnot kam es zu Seuchen, Unruhen und einem Rückgang von von zivilen Werten.

Was war der Große Hunger von 1315

Der Große Hunger war die erste von drei Krisen im Mittelalter, welche die politische und gesellschaftliche Stabilität des Spätmittelalters erschütterten. Die zweite Krise des Mittelalters war eine Pestepidemie von 1347 bis 1351/53, welche als Schwarzer Tod bezeichnet wird. Und schließlich begann im 15. Jahrhundert die Kleine Eiszeit, welche die Agrarwirtschaft nachhaltig änderte und die gesellschaftliche Stabilität nochmals gefährdete.

Allein die Hungersnot forderte viele Todesopfer und markierte das Ende von Wohlstand und Bevölkerungswachstum, was prägende Merkmale des Hochmittelalters waren. Die drei Krisen des Mittelalters prägten auch das Bild, welches die Gelehrten während der Renaissance vom Mittelalter zeichneten, als sie die Geschichte in historische Epochen einteilten.

Was geschah während der Hungersnot 1315-1317

Der Große Hunger begann mit schlechtem Wetter im Frühjahr 1315. Die anhaltenden Niederschläge sorgten für eine zunehmende Bodenfeuchte, was die Ernteerträge vernichtete. Diese Feuchtigkeitsperiode begann wohlmöglich bereits 1314 auf den Britischen Inseln und erstreckte sich zunehmend auf Frankreich.

In den Jahren 1315 und 1316 dehnten sich die sintflutartigen Regenfälle auch über Mitteleuropa, den Süden Skandinaviens und Osteuropa aus. Überschwemmungen an den Ufern der Donau führten zu Hochwasserschäden in Bayern und Österreich. Ähnliche Szenarien sind für die Elbe in Thüringen und Sachsen überliefert. Der Süden Italiens blieb weitestgehend verschont.

Durch die anhaltenden Regenfälle und die ausfallenden Ernten war die Gesellschaft verwundet. Denn im Hochmittelalter, dem Zeitalter des Überflusses, war die Bevölkerung stark angewachsen und somit auf die Agrarwirtschaft zunehmend angewiesen gewesen. Auch der Anbau von Monokulturen und die damit verbundene Ausschöpfung von Nährstoffen, sorgten dafür, dass die Böden extrem anfällig waren.

Als dann der kalte und lange Winter am Ende des Jahres 1315 einsetzte, war die Gesellschaft zusätzlich gefordert. Es kam zu Horten von Getreide, wodurch Lebensmittel zusätzlich verknappt worden. Dies ließ die Preise ansteigen, weshalb die soziale Unruhe zunahm. In der Folge kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, einem Überlebenskampf um Nahrung.

Welche Unruhen gab es während des Großen Hungers

Die abfallende Getreidewirtschaft und die zunehmenden Agrarpreise sorgten dafür, dass das Vieh nicht mehr ernährt werden konnte. In der Folge kam es zu Viehseuchen bei Schafen und Rindern. Die Bestände der Nutztiere sanken regional bis zu 80 Prozent. Ohne Vieh und Getreide begann die Bevölkerung zu rebellieren. Die Kriminalitätsrate und die Gewaltbereitschaft stieg an. Es kam zu Kindermorden und Kannibalismus.

Welche Gebiete waren besonders stark vom Großen Hunger betroffen

Im Heiligen Römischen Reich waren die Gebiete des heutigen Deutschlands, Österreichs und der Niederlande betroffen. In Westeuropa traf die Hungersnot das heutige Spanien und Frankreich besonders hart. Auch in Nordeuropa wütete die Hungersnot besonders stark, da die Sommer sowieso schon immer etwas kürzer sind. Die Hungerseuche zog sich von Westeuropa bis nach Osteuropa und von Nordeuropa bis nach Mitteleuropa. In Südeuropa, also dem Mittelmeerraum, waren die Auswirkungen nicht so stark.

Was aßen die Menschen während der Hungersnot von 1315

Die Menschen aßen Saatkörner, welche sie eigentlich für die nächste Ernte aufgehoben hatten. Vielerorts wurde Vieh geschlachtet, welches teilweise verseucht war. Auch ungesunde Ersatzstoffe wurden gegessen. Schließlich zogen sich Menschen auch in Wälder zurück, um Beeren, Wurzeln und Rinde zu sammeln. Die Mangelernährung trug zu Krankheiten (auch tödlichen) bei, was eine Begleiterscheinung der Hungerkatastrophe war.

Was waren die Ursachen für den Großen Hunger

Die Ursache des Großen Hungers lag im Wohlstand des Hochmittelalters. Noch im Frühmittelalter waren Hungersnöte normal. Doch im 10. bis 13. Jahrhundert erreichte Europa eine Warmzeit, welche von Klimaforschern als mittelalterliche Warmzeit bezeichnet wird. Diese sorgte für Ernährungsüberschüsse im Hochmittelalter, wodurch die Bevölkerungszahl stetig zunahm.

Der Anstieg der Bevölkerung hatte wiederum zur Folge, dass die Landwirtschaft intensiviert wurde, Böden zunehmend ausgeschöpft wurden. Laut dem britischen Wirtschaftshistoriker Michael M. Postan hatte die Agrarausschöpfung zu Beginn des 14. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht. Demnach nahm die Bodenerschöpfung in der Folgezeit zu.

In den Jahren der mittelalterlichen Warmzeit lagen die Ertragsverhältnisse bei Weizen bei etwa 7:1. Das bedeutet, dass pro gepflanzten Korn 7 Körner geerntet werden konnten. Bei Missernten lag das Verhältnis bei 2 : 1. Demnach hat man pro gepflanzten Korn nur noch 2 Körner ernten können. Und dann musste man ein Korn opfern, um dieses für die Saat im nächsten Jahr zu nutzen. Demnach blieb den Bauern lediglich ein Korn zur Nahrungsproduktion.

Was waren die Auswirkungen und Folgen des Großen Hungers

Im Frühjahr 1315 begannen in Europa die sintflutartigen Regenfälle. Dieser Starkregen hielt den ganzen Frühling und Sommer an und hatte zur Folge, dass die Ernte ausfiel. Das Getreide wurden in Urnen und Kisten aufbewahrt, um es zu trocknen. Gleichzeitig wurde das Heu für das Vieh nass, so dass auch diese hungerten. Der Boden wurde durch den Starkregen so nass, dass die Felder nicht mehr gepflügt werden konnten.

Hinzu kamen örtliche Überschwemmungen, welche die Ackerflächen, Handelszentren und Häfen einfach überfluteten. Es fehlten nicht nur Lebensmittel, sondern auch deren Umschlagsplätze und Orte, wo diese getrocknet und verarbeitet werden konnten. Durch das individuelle Horten der noch übrigen Lebensmittel wurden diese weiterhin knapper und die Preise stiegen enorm an.

Welche Preisanstiege bei Lebensmitteln gab es während des Großen Hungers

In England verdoppelten sich Preise für Lebensmittel bereits Mitte des Sommers von 1315. So war bspw. Salz das einzige Mittel, welches zum Pökeln und Haltbarmachen von Fleisch benötigt wurde. Aber Salz war schwer zu bekommen, da die Salzlake bei Feuchtigkeit nicht richtig verdunstet. Daher stieg der Preis von 30 auf 40 Schilling.

In Lothringen stieg der Brotpreis um 320 Prozent, was für die Bauern und Handwerker unerschwinglich war. Große Vorräte an Getreide und anderen Lebensmitteln war im Jahr 1315 Adligen, Königen, reichen Kaufleuten und der Kirche vorbehalten. Die soziale Unruhe wuchs. Bereits im Jahr 1316 normalisierte sich soziale Ungleichheit, weshalb auch Adlige und Reiche an Hunger litten.

Wie verhielten sich die Menschen während des Großen Hungers

In einzelnen Familien kam es zum Kindermord. Dazu suchten die Eltern ein Kind (einen zusätzlichen Mitesser) aus, töteten es, um die restlichen Familienmitglieder ernähren zu können. Auch Erzählungen von Kannibalismus sind aus dieser Zeit überliefert.

Jede Missernte glich einem Todesurteil und Nichterfolg bei Ernten konnte sich niemand leisten. Viele Menschen suchten in Wäldern nach essbaren Wurzeln, Nüssen und Rinde – wie es die Urmenschen und Frühmenschen vor ihnen taten. Die Menschheit wurde wieder saisonal und regional zum Jäger und Sammler.

In Bristol wurde in den Chroniken der Stadt berichtet, dass es bei der Hungersnot von 1315 so viele Tote gab, dass die Lebenden kaum ausreichten, um die Toten zu begraben. Vielerorts aß man Pferde und Hunde. Laut diesen Chroniken aßen selbst Eltern ihre Kinder. Und Menschen, welche ins Gefängnis kamen, fraßen sich gegenseitig.

Die alten Volksmärchen, wie Hänsel und Gretel, zeigen die Hungersnot von 1315 – angefangen von den Eltern, welche ihre Kinder in den Wald bringen und der Hexe, welche Kinder frisst.

Wann war der Höhepunkt der Hungersnot erreicht

Das ganze Ausmaß des Großen Hungers war 1317 erreicht. Vielerorts litten die Menschen nicht nur an Hunger, sondern aufgrund der anhaltenden Feuchte auch an Tuberkulose, Bronchitis und Lungenentzündung. Doch in diesem Sommer normalisierte sich das Klima wieder. Da jedoch das Saatgut aufgezehrt war, blieb die Saatzeit und somit die Erntezeit vorerst aus. Erst 1325 normalisierte sich die Agrarwirtschaft wieder und die Geburtenrate überstieg wieder die Sterberate.

Wie viele Menschen starben beim Großen Hunger

Über die genaue Opferzahl streiten Historiker bis heute. In einigen Orten in Südengland verloren Städte bis zu 15 Prozent ihrer Bevölkerung. In Frankreich wird ein Bevölkerungsrückgang von 10 Prozent genannt.

Laut offiziellen Aufzeichnungen über die englische Königsfamilie betrug die Lebenserwartung eines Neugeboren im Jahr 1276 noch 35,28 Jahre, sank während der Großen Hungersnot auf 29,84 Jahre. Ihren Tiefpunkt erreichte die Lebenserwartung während der Pestjahre (1348 und 1375), als sie auf 17,33 Lebensjahre sank.

Welche Auswirkungen hatte der Große Hunger auf Monarchen

Im Mittelalter glaubten die Menschen, dass die großen Krisen von Gott gemacht seien. In England gaben die Menschen stattdessen Königen und anderen Herrschern die Schuld daran. Außerdem hatten Herrscher die Aufgabe, dass Volk zu beschützen.

Nachdem der englische König Eduard II. den Großen Hunger nicht eindämmen konnte, sank seine Zustimmung zunehmend. Und auch die Auswirkungen des Großen Hungers führten zum Sturz des Monarchen von 1327, welchen die Engländer für unmoralisch und verwerflich hielten.


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