Tauschhandel: Geschichte der Tauschwirtschaft
Tauschhandel bzw. Tauschwirtschaft ist die Bezeichnung für ein Wirtschaftssystem, welches auf einfachen Warentausch beruht. Man tauscht bspw. einen Sack Kartoffeln gegen neue Schuhe. Belegbar ist der Tauschhandel seit der Urgeschichte.
Durch die Erfindung des Geldes wurde der Tauschhandel aufgehoben, blieb aber eine durchaus gängige Form des Wirtschaftens bis ins Mittelalter.
In neuzeitlichen Gesellschaften, in welchen Waren so knapp und Geld fast nutzlos ist, etablierte sich ebenfalls ein funktionierender Tauschhandel. Beispiele dafür sind die Zigarettenwährung in der Nachkriegszeit oder der Tauschhandel in den Ostblockstaaten (1949 bis 1989).
Der Kommunismus in seiner Rein- oder Endform strebt eine besondere Art von Tauschhandel an, welcher ebenfalls ohne Geld auskommen soll.
Inhalt
Woher kommt das Wort für Tausch
Das Wort für Tausch entstand im Frühmittelalter und ist eine Ableitung vom mittelhochdeutschen Wort „tûsch“. Dieses lässt sich mit Spaß, Gespött – aber auch mit Täuschung, Betrug und eben Tausch übersetzen.
Die Wortherkunft lässt bereits vermuten, dass man im Mittelalter beim Tauschgeschäft durchaus getäuscht oder betrogen werden konnte. Solch ein Betrug fand immer dann statt, wenn man den Wert der Tauschware zu hoch einschätzte und dadurch gewillt war, mehr zu tauschen – als die Ware tatsächlich wert war.
Warum entstand der Tauschhandel
Zu Beginn der Neolithischen Revolution, als die Menschheit gerade erst sesshaft wurde, gab es noch keinen ausgiebigen Tauschhandel. Aber recht bald produzierten die sesshaften Bauern verschiedenste Nahrungsüberschüsse. Die Vorratshaltung entstand und nachdem die Vorräte ebenfalls so groß waren, dass man sie nicht aufbrauchen konnte – erkannte die Menschheit – dass nicht jeder ein Bauer sein muss.
Stattdessen kann ein Schuster oder sonstiger Handwerker seine Dienstleistung im Tausch gegen Nahrungsmittel anbieten. In der Folge entstanden spezialisierte Berufe und Arbeitsteilung.
Fortan tauschte ein örtlicher Bauer sein Getreide oder seine Äpfel gegen Medizin beim Schamanen oder Kleidung beim Schneider ein. Das funktionierte für alle Seiten. Durch die Spezialisierung konnte der Schneider immer bessere Kleidung herstellen und gleichzeitig seine Lieblingsäpfel von seinem Lieblingsbauer beziehen, wo er genau wusste – dass die Äpfel schmecken.
Die Welt des Tauschhandels wurde dadurch immer größer. Denn Äpfel oder Oliven wachsen in bestimmten Regionen besser als anderswo. Wie man weiß, sind Klima und Boden entscheidend für die Landwirtschaft. Und so wurde die Landwirtschaft ebenfalls spezieller.
Die Bergvölker produzierten den besten Wein, da das Weinanbaugebiet am Hang viel besser geeignet ist als im Tal. Im Gegenzug konnten die Menschen im Tal besser Rinder züchten, weshalb man guten Wein gegen gutes Fleisch tauschen konnte.
Somit entstand bereits während der Frühgeschichte eine Form regionaler Globalisierung, von welcher alle profitierten. Die Menschheit konnte erstmalig zwischen verschiedenen Waren mit unterschiedlichen Qualitäten wählen.
Welches Wirtschaftssystem war vor dem Tauschhandel
Bevor die Menschheit zu Ackerbau und Viehzucht überging, lebte sie etwa 2,5 Mio. Jahre als Sammler und Jäger.
Die Kulturstufe der Jäger und Sammler war in Stämmen organisiert. Das bedeutet, dass die Steinzeitmenschen nicht sesshaft waren, sondern den Tierherden und der Vegetation hinterher wanderte.
Als dann die Eiszeit endete und die Mittelsteinzeit begann, wurde die Menschheit saisonal sesshaft. Es entstanden Jagdgebiete für den Winter und den Sommer. Die Menschheit hatte bereits Kleidung und Schuhe erfunden. Es gab Werkzeuge, Waffen und Schmuck. Doch alles, was der Stamm benötigte – wurde innerhalb des Stammes hergestellt. So ein Produktions- und Wirtschaftssystem wird als Autarkie bezeichnet.
Warum funktioniert Tauschhandel nur bedingt
Falls ein Apfelbauer seine Äpfel beim Schneider gegen Kleidung tauscht, muss der Schneider dieses Tauschgeschäft annehmen. Aber vielleicht hat der Schneider aus früheren Tauschgeschäften bereits mehrere Säcke Äpfel in seiner Vorratskammer. Stattdessen braucht der Schneider vielleicht Schuhe vom Schuster, Medizin vom Medizinmann oder Brot vom Bäcker. Dann müsste er die Äpfel umtauschen oder dem Apfelbauern sagen, dass er zuvor umtauschen soll.
Das Beispiel soll verdeutlichen, dass der Tauschhandel zwar eine Grundversorgung bieten kann, dennoch zu einer Mangelversorgung an speziellen Waren führt. Und zwar genau dann, wenn die Bevölkerung stark anwächst. Und die Neolithische Revolution brachte eine enormen Bevölkerungsanstieg mit sich.
Gleichzeitig ist Tauschhandel etwas Hochkomplexes, da Waren immer wieder zurückgetauscht werden müssen. Jeder Akteur muss stets zum Tausch bereit sein und muss sämtliche Tauschkurse im Blick haben, um keinen Nachteil aus dem Tauschgeschäft zu ziehen.
Angenommen ein Tauschsystem besteht aus 3 Waren: Äpfel, Medizin und Kleidung. Dann sind folgende Tauschkurse möglich:
- Wieviel Äpfel für Kleidung
- Wieviel Medizin für Kleidung
- Wieviel Äpfel für Medizin
Ist es bei drei Waren noch überschaubar, wird es bei vier Waren schon deutlich komplizierter. Denn die Anzahl der Tauschkurse steigen progressiv. Nimmt man bspw. Kartoffeln ins Tauschgeschäft auf, sieht das Ganze dann so aus:
- Tauschkurs: Äpfel zu Kleidung
- Tauschkurs: Medizin zu Kleidung
- Tauschkurs: Äpfel zu Medizin
- Tauschkurs: Kartoffeln zu Kleidung
- Tauschkurs: Kartoffeln zu Äpfel
- Tauschkurs: Kartoffeln zu Medizin
Bei vier Waren muss sich jeder Händler bereits 6 Tauschkurse merken. Sind nun 5 Waren im System, gibt es bereits 10 Tauschkurse. Bei 100 Waren sind es 4950 Tauschkurse. Und bei tausend Waren sind es 499.500 Wechselkurse.
Man sieht, dass das Tauschsystem in einem kleinen Stamm funktionieren kann. Aber zu Beginn des metallischen Zeitalters (Kupferzeit, Bronzezeit) tauchten diverse Handelsgestände auf, welche die frühen Bauern brauchten und die nicht in jedem Gebiet der Welt verfügbar waren. Der Tauschhandel stieß an seine Grenzen und die Menschheit benötigte ein universelles Tauschmittel, wie Geld.
Tauschhandel in der Steinzeit
Dass eine Frühform des Tauschhandels bereits in der späten Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) existierte, belegen Funde von Materialien (Naturprodukte, Mineralien), welche an den Fundorten so gar nicht vorkamen. Eine dieser Tauschwaren, welche den Tauschhandel der Altsteinzeit belegen sollen, sind dekorative Straußeneier – welche man in Südeuropa ausgraben konnte.
Da zur damaligen Zeit jeder Stamm seine eigene Sprache sprach, geht man davon aus – dass die Händler nicht verbal miteinander kommuniziert haben. Deshalb bezeichnet man diese Tauschpraktiken als stummen Handel.
Der stumme Handel ist höchstwahrscheinlich die erste Handelsform der Menschheitsgeschichte. Gehandelt wurden Gebrauchsgegenstände gegen Muscheln, Perlen, besondere Steine oder dekorative Straußeneier. Dieser Umtausch erinnert schon mehr an das Konzept von heute (Geld).
Tauschhandel in der Antike
Der erste Geschichtsschreiber der Antike war Herodot (490/480 – 430/420 v.Chr.). Sein berühmtestes Werk trägt den Titel: Historien. In diesem Geschichtswerk beschreibt Herodot u.A. den Tauschhandel zwischen den Karthagern und den Küstenbewohnern Nordafrikas.
Laut Herodot fuhren die Karthager mit ihren Schiffen an die nordafrikanische Küste Libyens, entluden ihre Schiffe und gingen zurück an Bord.
Die libyschen Küstenbewohner kamen, beschauten die Waren und ließen Gold liegen. Nachdem die Küstenbewohner in sicherer Entfernung waren, kamen die Karthager von den Schiffen und begutachteten die Goldsummen. Reichte das afrikanische Gold aus, nahmen sie es auf und fuhren fort. Falls das Gold aber nicht ausreichte, gingen sie zurück auf ihre Schiffe und warteten darauf, dass die Libyer zurückkamen und die Goldsummen erhöhten.
Diese Form des Handels basiert auf Gold und somit auf eine besondere Form von Währung. Dennoch ist auch dies ein stummer Handel, bei dem zwei Völker nicht miteinander sprachen. Man kann davon ausgehen, dass in der Steinzeit zwei benachbarte Stämme auf ähnliche Weise gehandelt haben. Zwar wurde im vormetallischen Zeitalter kein Gold getauscht, aber eben Muscheln, Perlen oder schöne Straußeneier.
Die Römer erfanden nicht nur die Republik, sondern auch ein Rechtssystem – welches bis heute überdauert. Eine der bedeutendsten Juristen war Iulius Paulus. Er lebte im 3. Jahrhundert.
Laut Iulius Paulus musste beim Tausch zweier Waren auch das Eigentum an den Waren übergehen. Demnach war ein Tauschvertrag nötig, um größere Dinge (z.B. Häuser) zu tauschen. Schon damals trennten die Römer die abstrakten Konzepte von Besitz und Eigentum.
Im 3. Jahrhundert wurde innerhalb der römischen Gesellschaft der Tauschvertrag allmählich durch den Kaufvertrag verdrängt. Grund war das Münzgeld, welches durch die römische Prägung auch einen Vertrauensbeweis war. Demnach glaubten die Römer an ihre Geldmünzen und an dessen Kaufkraft.
Außerhalb von Roms galt weiterhin der Tauschhandel. So tauschten die Römer diverse Waren mit den Germanen oder mit anderen angrenzenden Völkern.
Die Israeliten hatten Regeln für Tauschgeschäfte im Levitikus (Dritte Buch Mose, Alte Testament) niedergeschrieben. Dort stehen ab Kapitel 27 verschiedene Heiligkeitsgesetze, um die Gemeinschaft zu Gott und die innere Gemeinschaft zu fördern und zu erhalten.
In Levitikus 27,10 steht – dass heilige Tiere (Opfertiere für den Herrn) nicht zu tauschen sind. Falls man diese doch tauscht, werden beide Tiere heilig.
Tauschhandel im Mittelalter
Im Mittelalter tauschten die Völker im internationalen Handel ihre Waren gegen ausländische Waren ein, ohne dafür Geld zu bezahlen.
In dieser Epoche war Geld längst erfunden. Doch beim Umtausch mit Geld müssen alle Beteiligten an die Macht des Geldes glauben. Wenn man einen orientalischen Händler für seine Gewürze ein paar europäische Metallmünzen in die Hand drückt, muss dieser daran glauben – dass er etwas mit diesen Metallmünzen anfangen kann.
Nicht nur das. Denn der Händler muss die Münzen in seinem Heimatdorf gegen Ware zurücktauschen können. Somit muss nicht nur er an die Kaufkraft europäischer Münzen glauben, sondern auch sein ganzes Dorf. Da dies noch nicht der Fall war, blieb der einfache Warenumtausch die gängigste internationale Tauschform im Mittelalter.
Tauschhandel in der Neuzeit
Tauschhandel ist heute noch zwischen Staaten üblich, wenn die Währung eines Staates so schwach ist – dass man Waren anstelle von Geld tauscht.
Im Jahr 2010 rutschte Venezuela in die schlimmste Wirtschaftskrise seiner neueren Geschichte. Es kam zu einer massiven Geldentwertung, Hyperinflation, Hunger, Krankheiten und einer hohen Sterblichkeit. Da die Währung immer weiter an Wert verlor, begannen die Menschen in den Vorstädten damit, ihre Waren direkt zu tauschen.
Kommunismus
(siehe auch Hauptartikel: Fragen und Antworten zum Kommunismus)
Im Kommunismus glaubt man daran, dass jeder Mensch gleich ist. Da es nun aber Bessergestellte gibt, macht es sich der Kommunismus zur Aufgabe, diese Menschen gleichzustellen. Demnach wird die Freiheit von Bessergestellten, zu Gunsten des Kollektivs, beschnitten.
Eine weitere Grundannahme des Kommunismus ist der Klassenkampf – wonach sich die Arbeiterklasse selbst befreien muss. In der ersten Phase (Sozialismus) sollen Betriebe verstaatlicht werden, um so die Produktionsmittel der Arbeiterklasse zurückzugeben. Die Unternehmer (Bessergestellten) werden enteignet und somit gleichgemacht.
Die Arbeiterklasse soll sich mittels Revolution die Betriebe erobern, da nur der Klassenkampf ein geeigneter Motor für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung sein kann – so die Kernaussage des Kommunismus.
Der real existierende Kommunismus in der Sowjetunion und der DDR kam nie über die erste Phase (Sozialismus) hinaus. Denn in der Endphase soll eine Tauschwirtschaft entstehen, welche auf Arbeitsteilung basiert.
Wie kann man sich das vorstellen?
Der Arbeiter geht für die Gesamtgesellschaft arbeiten und bezahlt mit seiner Arbeitskraft. Er bekommt nun keinen Lohn mehr, sondern genießt die Freiheit – alles zu konsumieren – was die Gesellschaft (andere Arbeitende) bereitstellt.
Der Arbeiter geht also in den Supermarkt, nimmt sich was er braucht und geht nach Hause. Bezahlt hat er schon, weil er arbeiten war und somit seinen Beitrag für die Gesellschaft geleistet hat. Das zugrundeliegende Tauschgeschäft ist demnach Waren gegen Arbeitskraft.
Owenismus
Der Owenismus wollte, genauso wie der Kommunismus, eine Antwort auf die Soziale Frage geben. Diese soziale Ungleichheit entstand im Zuge der Industriellen Revolution.
Begründer des Owenismus ist Robert Owen, ein britischer Unternehmer, Frühsozialist und Sozialreformer. Er glaubte an die Vernunft und Selbsterziehungskräfte der Arbeiterklasse. Dies unterscheidet den Owenismus nicht vom Kommunismus. Was ihn aber gravierend unterscheidet, ist die Tatsache – dass Owen jegliche Enteignung und den Klassenkampf als Stilmittel ablehnte.
Stattdessen glaubte Owen daran, dass der Sozialismus in kleinen Dörfern entstehen sollte. Er nannte dies: „Dörfer der Kooperation“ (villages of co-operation). In solchen Gemeinden wohnen nur 300 Menschen, welche vom Warentausch leben und sich gegenseitig helfen. Die Dörfer sollten dann als Blaupause für eine neue Gesellschaftsordnung dienen.
Zigarettengeld
Eine andere Form des Tauschhandels ist der Zigarettenhandel, welcher in Nachkriegsdeutschland üblich war. Damals wurden Waren und Dienstleistungen nicht gegen Bargeld getauscht, sondern gegen Zigaretten. Auch Nichtraucher (Kinder) tauschten alles in Zigaretten um.
Der Grund für den Zigarettentausch war, dass die damalige Geldwährung nicht stabil genug war. Wenn ein damaliger Nachkriegsdeutscher für eine bestimmte Geldmenge ein Stück Brot bekam, war es nicht sicher – dass man morgen für die gleiche Geldmenge immer noch das gleiche bekommt.
Der Wert von Zigaretten war hingegen stabil, weshalb man morgen noch mit Zigarettenwährung einkaufen konnte. Dies zeigt schon, dass Geld einfach alles sein kann: Muscheln, Steine, Zigaretten, Münzen oder Papiergeld. Denn der Glaube an das Geld und die Kaufkraft dahinter ist die entscheidende Zutat.
Zigarettengeld gibt es heute noch in Gefängnissen. Und auch hier akzeptieren Nichtraucher die Zigaretten als gängige Währung, da man diese gegen andere Waren eintauschen kann.
In Kriegsgefangenlagern ist Zigarettengeld ebenfalls anerkannt, da niemand den Wert einer Zigarette anzweifelt. Aus Ausschwitz ist bekannt, dass bspw. ein Brot etwa 12 Zigaretten kostete während Margarine sogar 30 Zigaretten kostete.
DDR
(siehe auch Hauptartikel: Fragen und Antworten zur DDR)
In der DDR gab es zwar die Mark (Ostmark), aber immer wieder Phasen von Güterknappheit. Eine große Krise war die Kaffeekrise in den 1970-er Jahren. Die Regierung der DDR reagierte darauf, indem man Rüstungsgüter gegen Kaffee aus Äthiopien eintauschte.
Doch dies glich einem Tropfen auf dem heißen Stein. Denn schon in den 1950-er Jahren kam es zu Versorgungsengpässen in der DDR, welche bis zur Wiedervereinigung anhielten. Die Zentralverwaltungswirtschaft konnte die Versorgung von Konsumgütern, welche die Bevölkerung einforderte, niemals vollständig aufbringen. Ausgenommen waren Tabak, Nahrungsmittel und Alkohol.
Durch Werbefernsehen in Westdeutschland wurde der Bedarf an Konsumgütern in der DDR weiterhin angeheizt. Es entstand ein Schwarzmarkt, auf welchem sämtliche Güter getauscht wurden. Ein Kauf von Konsumgütern war eigentlich sinnlos, da man mit Ostmark keine knappen Produkte aus dem Westen beziehen konnte.
Das Regime der DDR tolerierte den Schwarzmarkt, da dadurch die Konsumwünsche der Bevölkerung befriedigt wurden. Gleichzeitig wurde die Sehnsucht nach dem echten Westen wachgehalten, was letztlich das DDR-Regime immer weiter destabilisierte.