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Faustkeil


Badajoz, Spanien - 17. Juli 2019: Mittelpaläolithisches Biface bzw. Faustkeil Steinwerkzeug, Bildnachweis; WH_Pics / Shutterstock.com

Badajoz, Spanien – 17. Juli 2019: Mittelpaläolithisches Biface bzw. Faustkeil, Bildnachweis; WH_Pics / Shutterstock.com


Der Faustkeil war ein Steinwerkzeug, welches während der Altsteinzeit als Universalwerkzeug eingesetzt wurde. Als mögliche Erfinder des Faustkeils werden Homo erectus, Homo rudolfensis, Homo habilis oder Homo ergaster angenommen. Die Entwicklung der ersten Faustkeile geht etwa 1,75 Mio. Jahre zurück und beginnt in Afrika. Nachdem Homo erectus, als erste Menschenart überhaupt, den afrikanischen Kontinent verließ, verbreitete er die Faustkeile auch in Europa und Asien. Dort wurden sie von späteren Menschenarten, wie Homo heidelbergensis und dem Neandertaler – übernommen. Der erste Faustkeil, welcher jemals gefunden wurde, stammt aus der Stadt Saint-Acheul im Norden Frankreichs. Nach dieser Stadt ist die Acheuléen-Kulturstufe bzw. Epoche benannt, deren Leitform der Faustkeil war.

Steckbrief

Name:Faustkeil
Einordnung:Steinwerkzeug
Verwendung:Universalwerkzeug zum Aufspalten von Knochen, zum Bearbeiten von Materialien, zum Abziehen vom Fell, zum Schneiden und Loslösen von Fleisch, zum Zerkleinern von Nahrung oder zum Lockern des Bodens
Auftreten:Vor etwa 1,75 Mio. Jahren
Kultur:Leitformen des Acheuléen (etwa vor 1,95 Millionen – 150.000 Jahre vor heute)
Erfinder:Homo habilis, Homo rudolfensis, Homo ergaster, Homo erectus
Verbreitung:Afrika, Asien, Europa
Merkmale:zweiseitig beschlagener Steinkörper mit scharfen Kanten und zulaufender Spitze, ovale Gestalt, passte in die Handfläche

Was ist ein Faustkeil

Handhabung eines Faustkeils

Handhabung eines Faustkeils

Der Faustkeil ist ein prähistorisches Werkzeug, bestehend aus Stein, welches in der Steinzeit als Universalwerkzeug genutzt wurde. Typisch für den Faustkeil sind die zwei beschlagenen Seiten, wodurch sich zwei scharfe Kanten am Rohstein ergeben. Der Faustkeil entstand vor etwa 1,75 Mio. Jahren und überdauerte bis in die Jungsteinzeit. Er ist somit das am längsten verwendete Werkzeug der Menschheitsgeschichte.

Warum heißt der Faustkeil so

Der Name „Faustkeil“ oder englisch „Biface“ ist eine Wortschöpfung, welche im 19. Jahrhundert durch den französischen Altertumsforscher Gabriel de Mortillet eingeführt wurde.

Der Name ist eine Herleitung, welche sich aufgrund der Form, ergibt. So ist ein Keil als ein physikalischer Körper definiert, welcher auf ein spitzes Ende zuläuft. Da die Steinzeitmenschen solchen Keilkörper in der Hand bzw. Faust hielten und dieser, in seiner Fertigung, auf die Größe der Hand angepasst war, verwendete man den Namen Faustkeil.

Im Englischen und Französischen wird der Faustkeil üblicherweise als Biface bezeichnet. Für diesen Begriff plädierte der französische Altertumsforscher André Vayson de Pradenne, welcher den Begriff 1920 erstmalig einführte. Im Spanischen wird der Faustkeil als bifaz bezeichnet und im Niederländischen als vuistbijl, was übersetzt „Faustaxt“ bedeutet.

Wie sieht ein Faustkeil aus

Faustkeil, Steinwerkzeug mit zwei Flächen (Biface)

Faustkeil, Steinwerkzeug mit zwei Flächen (Biface)

Faustkeile sind ovale oder birnenförmige Werkzeuge aus Stein, deren Länge zwischen 10 und 25 cm beträgt. Sie bestehen vollständig aus Stein, dessen Außenseiten so beschlagen sind, dass sich scharfe Kanten oder Spitzen ergeben. (Keilform)

Wie schwer ist ein Faustkeil

Faustkeile sind unterschiedlich schwer, da sie in Größe und Gesteinstyp variieren. Kleinere Faustkeile wiegen ein paar Hundert Gramm, größere mehrere Kilogramm (2 bis 4 kg).

Wann wurde der Faustkeil erfunden

Der Faustkeil wurde vermutlich vor 1,75 Mio. Jahren in Afrika erfunden. Die älteste Werkzeugindustrie aus Stein geht auf die Oldowan-Kultur zurück, deren Werkzeuge etwa 2,5 Mio. bis 2,6 Mio. Jahre alt sind.

Zu den ersten Geröllwerkzeugen gehörte der Chopper. Die ersten Werkzeugindustrien der Oldowan entstanden, laut heutigen Wissensstand, in Gona (Äthiopien, Ostafrika).

Die britische Archäologin Mary Leakey ordnete die Proto-Faustkeile in eine höhere Technologiestufe als die Geröllwerkzeuge der ursprünglichen Oldowan ein und bezeichnete diese Kulturstufe als „entwickelten Oldowan“ (englisch: Developed Oldowan). Diese Technologiestufe setzte vor 1,6 Mio. Jahren ein und ist gekennzeichnet durch den Rückgang des Choppers (einseitig beschlagener Stein) und der Zunahme von zweiseitige beschlagenen Steinwerkzeugen (Chopping Tool). Diese Proto-Zweiseiter stellen eine Vorstufe der Faustkeile dar.

Zeitlich überschneidet sich das „entwickelte Oldowan“ mit der Acheuléen-Kultur, welche vor etwa 1,95 Mio. ebenfalls in Afrika begann und vor etwa 150.000 Jahre endete. Während des Acheuléens entwickelten sich die zweiseitig geschlagenen Steinwerkzeuge weiter, so dass deren Ende auf eine Spitze zulief.

Diese ersten „echten Faustkeile“ entstanden etwa vor 1,75 Mio., erreichten vor etwa 1,4 Mio. eine zunehmende Verbreitung in Südäthiopien. In den Olduvai-Schlucht (Äthiopien) wurden einige der am besten erhaltenen Faustkeil-Exemplare geborgen. Deren Alter beträgt etwa 1,2 Mio. Jahre.

Wer hat den Faustkeil erfunden

Als Erfinder der Steingeräte des Oldowan-Typs werden Homo habilis und Homo rudolfensis angegeben. Beide Menschenarten werden als Urmenschen bezeichnet, da deren anatomischen Merkmale sich noch von den Frühmenschen unterscheidet. Für Homo habilis ist der Werkzeugbau nachgewiesen, für Homo rudolfensis wird dieser angenommen.

Beide Menschenarten werden auch als Begründer der Acheuléen-Kultur mit dem Faustkeil als Leitform herangezogen. Ebenfalls zu dieser Zeit existierten in Afrika frühe Formen des Homo erectus und Homo ergaster, welche als Erfinder des Faustkeils ebenfalls in Frage kommen.

Wie wurde der Faustkeil hergestellt

Der Faustkeil ist ein zweiseitig abgeschlagener Stein. Die ersten Oldowan-Werkzeuge wurde aus einem Rohstein geschlagen. Solch ein Rohstein konnte ein Vulkangestein sein, welches die Steinzeitmenschen in Flüssen fanden. Mittels eines zweiten Steins wurde das Rohgestein geschlagen bzw. geschält, wodurch sich eine scharfe Kante ergab.

Die Faustkeile des Acheuléens wurden beidseitig beschlagen, wodurch der Steinkörper angespitzt wurde. Um diese Faustkeil-Produktion nachzuweisen, wurden Experimente durchgeführt. Diese zeigten, dass sich solche Steinwerkzeuge mit relativer Leichtigkeit herstellen ließen.

Die Stein-auf-Stein-Schlagmethode wird als Hartschlagmethode bezeichnet. Bei der Weichschlagemethode wurde der Rohstein mittels eines Geweihhammers oder einem Knochenhammer beschlagen. Als Unterlage wählten die Steinzeitmenschen einen anderen Stein, also einen primitiven Steinamboss.

Aus welchem Gestein bestanden Faustkeile

Faustkeile wurden häufig aus Vulkangestein mit hohem Quarzgehalt gefertigt. Als Rohstoff eigneten sich Quarzit und Vulkanit. Seltener wurden Faustkeile aus Feuerstein und anderen Mineralsteinen (Sandstein, Kalkstein) gefertigt.

Auch Faustkeile aus Tierknochen sind belegt, aber seltener. Der Faustkeil von Rhede besteht bspw. aus Mammutknochen, ist 14 cm groß und wiegt nur 240 Gramm. Hergestellt wurde er vor etwa 80.000 Jahren. Knochen-Faustkeile sind selten, da ihre Herstellung und die Auswahl an Rohstoffen komplizierte ist.

Wofür wurde der Faustkeil verwendet

Der Faustkeil wurde in späteren Zeiten zum Faustkeilmesser weiterentwickelt. In seiner frühen Form diente er, genauso wie der Chopper, als Knackwerkzeug, um die Röhrenknochen von Tierkadavern zu knacken, um das fetthaltige Knochenmark herauszusaugen. Aufgrund der spitzen Kante wurde der Faustkeil auch als Schneidewerkzeug verwendet, um Fleisch vom Tierknochen zu trennen. Die unscharfe Kante ließ sich als Schlagwerkzeug, Hammer oder Ähnliches nutzen.

War der Faustkeil eine Waffe

Der Faustkeil war vornehmlich ein Werkzeug, welches auch als Waffe eingesetzt werden konnte. Als Schlagwaffe konnten Tiere getötet, größere Raubtiere abgewehrt werden. Der archäologische Beweis, dass Faustkeile gegen andere Menschen eingesetzt wurden, fehlt allerdings. Ebenfalls fehlt der archäologische Beweis, dass Kriege in der Steinzeit stattfanden.

Warum war der Faustkeil so wichtig

Der Faustkeil konnte relativ einfach hergestellt werden. Aufgrund der zwei scharfen Kanten, der Spitze und der handlichen Passform wurde der Faustkeil zum Universalwerkzeug der Steinzeit. Man konnte mit ihm Löcher in den Boden graben, Fleisch vom Tierknochen trennen, große Röhrenknochen aufspalten, Felle abschaben (Gerben), Holz schnitzen und jegliches andere Material bearbeiten.

Darüber hinaus musste dieses Werkzeug kaum gewartet werden. Außerdem musste bei der Herstellung des Faustkeils keine unnötige Auswahl an Rohstoffen beschafft werden. Nahezu jeder Stein, welcher sich abschlagen und einen Bruch zuließ, konnte als Rohstein verwendet werden. Mit dem Faustkeil wurden Holzwaffen angespitzt, Pfeil- und Speerspitzen aus Feuerstein gefertigt und Kleidung hergestellt.

Veränderten sich die Faustkeile während der Steinzeit

Der erste Faustkeil wurde 1838 in der französischen Stadt Saint-Acheul gefunden. Zuvor wurden zwar 1797 schon Faustkeile in Hoxne (England) entdeckt, welche aber von der Wissenschaft nicht akzeptiert wurden und somit unbeachtet blieben.

Mit dem Faustkeilfund von Acheul wurde die Faustkeil-Epoche als Acheuléen-Epoche ausgegeben. Da man zu dieser Zeit noch glaubte, dass die Wiege der Menschheit in Asien oder Europa lag, suchte niemand nach älteren Faustkeilen in Afrika.

Das Alter der Faustkeilfunde von Acheul betrug etwa 500.000 Jahre. Die ältesten Faustkeile, welche in Europa gefunden wurden, stammen vom Mittelmeerraum und sind etwa 900.000 Jahre alt. Am Fundplatz Boxgrove Quarry in England konnten Faustkeile geborgen werden, deren Alter etwa 600.000 Jahr entspricht.

Anhand der verschiedenen Typen und dem Vergleich der ursprünglichen Varianten aus Afrika, lässt sich eine Veränderung der Faustkeilproduktion ableiten. Die Faustkeile veränderten sich in ihrer Form. Aber auch die Herstellungsmethode veränderte sich, weshalb die Forschung verschiedene Klassifikationen einführten:

  • Abbevillien-Faustkeile wurden vor 600.000 bis 400.000 Jahren in Europa durch Homo heidelbergensis produziert. Deren Fundort war Abbeville in Frankreich.
  • Acheuléen-Faustkeile waren die ursprünglichsten, stammen aus Afrika und wurden bis vor 150.000 Jahren von verschiedenen Menschenarten gebraucht.
  • Micoquien-Faustkeile waren in Westeuropa vor 60.000 bis 40.000 Jahren verbreitet und gehen auf den Neandertaler zurück. Fundort dieser Faustkeil-Form war La Micoque in Frankreich.
  • Moustérien-Faustkeile waren in Westeuropa vor 120.000 Jahren bis 40.000 Jahren verbreitet und deren Entwicklung wird dem Neandertaler zugeschrieben. Gefunden wurden diese Faustkeile in Le Moustier in Frankreich.

Keilmesser mit einer scharfen Kante und einer stumpfen Griffkante als Weiterentwicklung des Fauskeils

Keilmesser mit einer scharfen Kante und einer stumpfen Griffkante als Weiterentwicklung des Fauskeils

Wo waren Faustkeile verbreitet

Die ersten Faustkeile entstanden in Afrika. Als Homo erectus vor etwa 1,8 Mio. Jahren aus Afrika auswanderte, nahm er das Wissen zur Herstellung des Faustkeils mit und verbreitete das Universalwerkzeug auch in Europa und Asien. Überall in Europa und Asien lassen sich Faustkeile nachweisen, außer in Südostasien und in China. Die Forschung bezeichnet diese Grenzlinie als Movius-Linie.

Die Movius-Linie zieht sich durch das nordöstlichen Indien. Südlich dieser theoretischen Linie wurden keine bzw. wenig Faustkeile gefunden. Zur Movius-Region gehören Indien, China, Australien und der ganze südostasiatische Teil.

Verbreitung des Faustkeils außerhalb der Movius-Linie: Acheuléen (braungrün), ohne Faustkeiltradition (hellgrün)

Verbreitung des Faustkeils außerhalb der Movius-Linie: Acheuléen (braungrün), ohne Faustkeiltradition (hellgrün)

Das Nichtvorhandensein der Faustkeilindustrie unterhalb der Movius-Linie wird durch fehlende Rohstoffe erklärt, aber auch durch Alternativen – wie Bambus. Es wird ebenfalls angenommen, dass es sich um eine Forschungslücke handelt, die Faustkeile demnach nur noch nicht gefunden wurden.

Was kam nach dem Faustkeil

Vor etwa 300.000 Jahren entwickelte sich in Südafrika der Vorläufer des modernen Menschen. Die Entwicklungsstufe zwischen Homo erectus und dem modernen Menschen wird als archaischer Homo sapiens bezeichnet. Auch der Vorläufer des Homo sapiens (Jetztmenschen) wanderte vor etwa 100.000 Jahren aus Afrika aus.

Die ältesten europäische Belege für das Ankommen des Homo sapiens in Europa stammen aus der Batscho-Kiro-Höhle in Bulgarien und sind etwa 45.000 Jahre alt. Mit dem Ankommen des Jetztmenschen in Europa begann gleichzeitig eine neue Kulturepoche, welche die Forschung als Aurignacien bezeichnet.

Kennzeichnend für das Aurignacien war, dass die Steinwerkzeuge nun mit Tierknochen kombiniert und verarbeitet wurden. Es entstand eine neue Klingentechnik und Präzisionswerkzeuge, welche spezialisierte Tätigkeiten zuließen. Zwar behielt der Faustkeil noch bis in die Jungsteinzeit seine Bedeutung als Universalwerkzeug, wurde aber zunehmend durch Spezialwerkzeuge ersetzt.

Aurignac-Klingen

Aurignac-Klingen

Literatur

  • Lutz Fiedler, Faustkeile: Vom Ursprung der Kultur, ISBN: 3534274997*
  • Geoffrey Bibby, Faustkeil und Bronzeschwert. Erforschung der Frühzeit des europäischen Nordens, ISBN: 3499167182*
  • Michael Brandt (Autor), Wie alt ist die Menschheit?: Demographie und Steinwerkzeuge mit überraschenden Befunden, ISBN: 978-3775156660*
  • Jürgen Richter (Autor), Altsteinzeit: Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas, ISBN: 978-3170336766*
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