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Archäogenetik


In der Archäogenetik wird alte DNA von Pflanzen, Tieren und Menschen untersucht und mit DNA von heutigen Lebewesen verglichen. Ziel ist es, die Veränderungen der Gene zu rekonstruieren und geschichtliche Vorgänge abzuleiten. So lässt sich bspw. die Verbreitung menschlicher Gene in der Urgeschichte rekonstruieren, wodurch Migrationsroute abgeleitet werden können. Oder es lassen sich Verbreitungsgebiete von historischen Infektionskrankheiten (z.B. Pest) und die genetischen Veränderungen ihrer Erreger feststellen.

Steckbrief

Archäogenetik
Bedeutung:Untersuchung und Beschreibung von urgeschichtlichen Migrationsrouten archäologischer Kulturen anhand von genetischen Analysen
Begründer:Colin Renfrew

Was bedeutet Archäogenetik

Der Begriff Archäogenetik leitet sich vom griechischen Wort arkhaios ab, welches mit antik oder altertümlich übersetzt wird. Die Genetik ist die Lehre von der Vererbung. Demnach ist die Archäogenetik ein Teilgebiet der Genetik, welches die Vererbung in der Vergangenheit untersucht.

Wie entstand die Archäogenetik

Dass die DNA den Bauplan des Lebens bereithält und speichert, ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. Doch 1953 wurde erstmalig die Struktur der DNA durch James Watson und Francis Crick entschlüsselt.

Beide entwickelten das Doppelhelix-Modell der DNA durch Vorarbeiten der britischen Biochemikerin Rosalind Franklin. Neun Jahre später bekamen Watson und Crick den Nobelpreis für ihre Arbeit.

1960-er Jahre

1967 veröffentlichte der neuseeländische Biochemiker Allan Wilson eine Abhandlung über molekulare Uhren in der menschlichen Evolution. Der Begriff wurde 5 Jahre zuvor von Emile Zuckerkandl und Linus Pauling eingeführt. Ihnen ist aufgefallen, dass sich die Aminosäuren zweier Arten ändern, je weiter diese genetisch voneinander entfernt sind.

Die Ursache solcher Veränderungen sind Mutationen, welche zufällig auftreten und vererbbar sind. Kennt man nun die Mutationsrate, kann man den Zeitpunkt zurückrechnen – wann sich zwei heutige Arten genetisch voneinander trennten.

Auf Grundlage jener molekularen Uhr postulierte Allan Wilson 1967, dass der letzte gemeinsame Vorfahre des Menschen und des Schimpansen vor etwa 6 Mio. Jahren lebte.

1980-er Jahre

In den 1980-er Jahren wurde ein Verfahren entwickelt, welches als Polymerase-Kettenreaktion bekannt ist. Diese Methode stellt die Prozesse nach, welche bei der Reproduktion eines Genoms stattfinden.

Solche Genom-Duplizierungen finden im Organismus jeden Tag millionenfach statt. Nämlich immer dann, wenn sich neue Körperzellen bilden.

Durch die neue Methode können solche Duplizierungen fortan im Reagenzglas erfolgen. Aus nur einem DNA-Molekül lassen sich so zigtausende neue Moleküle erzeugen.

Die Polymerase-Kettenreaktion wurde zur Grundlage von Sequenziermaschinen, welche die Abfolge der Basen in einer DNA lesen.

1987 veröffentlichte Allan Wilson einen Artikel im Nature über den Ursprung des heutigen Menschen in Afrika. Dazu stellte er eine Theorie auf, wonach sich der Zeitpunkt für die Entstehung von Homo sapiens mittels mitochondrialer DNA (mtDNA) zurückrechnen lässt.

Jene mtDNA wird nur von der Mutter vererbt und deren Mutationsrate ist relativ stabil. Sie verändert sich nur alle 3.000 Jahre. Und auf dieser Grundlage konnte später berechnet werden, dass die mitochondriale Eva vor etwa 160.000 Jahren in Afrika lebte.

1990-er Jahre

Im Jahr 1990 wurde das Humangenomprojekt ins Leben gerufen. Dessen Ziel war es, das menschliche Genom zu entschlüsseln. Das Projekt war ein internationales Forschungsprojekt und sämtliche Staaten beteiligten sich finanziell daran.

Man brauchte etwa 10 Jahre, um das menschliche Genom zu entschlüsseln. Gleichzeitig boten die Erkenntnisse einen tieferen Einblick in die Evolution, da sich das menschliche Erbgut wunderbar mit dem Erbgut anderer Tiere vergleichen ließ.

Die Technologien und Methoden der Humangenetik wurden zur Praxis in archäologischen Wissenschaften, wodurch dort neue Einblicke erlangt werden konnten.

Dem italienischen Populationsgenetiker Luca-Cavalli-Sforza gelang es in den 1990-er Jahren einen empirischen Zusammenhang zwischen der genetischen Verwandtschaft und der gesprochenen Sprache eines Volkes herzuleiten.

1997 wurde das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (kurz: MPI Eva) gegründet. Es befindet sich in Leipzig und dort wird Grundlagenforschung zur menschlichen Evolutionsgeschichte betrieben.

Neben der genetischen Entwicklung soll am MPI-Eva auch die kulturelle Evolution betrachtet werden. Es fließen demnach Kenntnisse aus sämtlichen Bereichen – wie der Archäogenetik, Verhaltensbiologie bei Primaten, Kulturpsychologie oder Linguistik – zusammen.

Was untersucht die Archäogenetik

Ziel der Archäogenetik ist es, archäologische Kulturen genetisch zu untersuchen und Migrationswege abzubilden. Ganz konkret gesagt, sollen folgende Fragen beantwortet werden:

  • Wie erfolgte die Besiedlung in der menschlichen Urgeschichte?
  • Welche Völker lebten wann und wo?
  • Welchen genetischen Austausch gab es zwischen den Völkern?
  • Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem genetischen Austausch und der Verbreitung von Sprachen, Bräuchen und Sitten?
  • Gab es ein Urvolk und wo lebte es?
  • Welche Migrationsrouten gab es in der Urgeschichte (Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit)?

Außerdem wird die Genetik von domestizierten Pflanzen (Nutzpflanzen) und Tieren (Viehhaltung) untersucht, um so frühe Formen von Ackerbau und Viehzucht zu rekonstruieren. Folgenden Fragen sollen geklärt werden.

  • Wo entstand Ackerbau und Viehzucht?
  • Wie verbreitete sich die Kultur der frühen Ackerbauern?
  • Welche Merkmale wurden von Ackerbauern selektiert (Zuchtwahl)?
  • Gab es kulturell-regionale Unterschiede in der Zuchtwahl?
  • Wann wurde der Hund domestiziert?

Letztlich lassen sich durch die Verbreitung von domestizierten Pflanzen und Tieren auch Handels- und Kommunikationsnetzwerke für die Urgeschichte rekonstruieren.

Weiterhin lässt sich eine Krankheitsgeschichte der Menschheit abbilden, indem folgende Fragen geklärt werden sollen:

  • Welche Krankheiten gab es in der menschlichen Urgeschichte?
  • Wie verbreiteten sich diese Krankheiten?
  • Wo entstanden Pest und Cholera?
  • Wie veränderten sich die Krankheitserregern im Laufe der Geschichte?

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