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Quellenanalyse


Die Quellenanalyse ist ein Verfahren, um Geschichtsquellen einzuordnen und auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen. Dieses Verfahren findet Anwendung im Rahmen der Quellenarbeit, welche aus historische Quellen einen Erkenntnisgewinn generiert oder eine Quellenkritik formuliert.

Was bedeutet Quellenanalyse in der Geschichte

Die Quellenanalyse geht der Frage nach, was genau es mit der zu bearbeitenden Quelle auf sich hat. Eine Quellenanalyse erfolgt normalerweise nach einer Quellenkritik und vor einer Quelleninterpretation. Es sind drei verschiedene Herangehensweisen an ein zu untersuchendes Objekt, die aufeinander aufbauen aber auch ineinander greifen. Zuerst muss festgestellt werden, ob eine Quelle authentisch, also echt ist. Dann erst kann ihre objektive Analyse erfolgen, um herauszufinden um welche Art von Quelle es sich handelt.

Wenn jedes Detail herausgearbeitet, die Quelle also analysiert wurde, kann es an die Interpretation gehen. Dabei geht es ganz subjektiv zu, denn es muss quasi zwischen den Zeilen gelesen werden: Der Text sagt zwar das eine, meint vielleicht aber etwas ganz anderes. Eine Interpretation vor einer Analyse ist nicht sinnvoll. Sie hätte keine wissenschaftliche Grundlage. Es wären nur unbewiesene Behauptungen. Anders gesagt: Zuerst kommt die Pflicht, dann die Kür.

Wie ist eine Quellenanalyse aufgebaut

Bei der Analyse von Quellen werden zwei Arbeitsvorgänge unterschieden, das Formale und die Analyse.

Die formale Analyse (das Drumherum)

Es geht darum, die Quelle ganz objektiv so genau wie möglich zu beschreiben. Es sollen so viele Informationen wie möglich aus der Quelle direkt gezogen werden. Zunächst muss festgestellt werden, um welche Textart es sich handelt. Handelt es sich um einen Tagebucheintrag, um eine politische Rede oder um eine Auflistung von Vereinsmitgliedern? Diese Frage erscheint zunächst banal, ist sie aber nicht. Denn es kommt sehr auf den Zustand des Textes an.

  • Wie gut ist der Text erhalten?
  • Ist alles lesbar oder fehlt ein Teil?
  • Um welche Schrift und Sprache handelt es sich und ist sie übersetzbar?
  • Ist es ein handgeschriebener Text und kann die Handschrift entziffert werden?
  • Ist der historische Kontext der Quelle geklärt?
  • Kann es sich überhaupt um – beispielsweise – eine Vereinsliste handeln oder gab es zum Zeitpunkt der Texterstellung noch gar keine Vereine?

All diese Fragen und noch viele mehr müssen zunächst einmal beantwortet werden, bevor es daran gehen kann, den eigentlichen Textinhalt zu analysieren. Im Grunde ist es ein Vorgehen von außen nach innen: Sind die äußeren Umstände geklärt, kann es immer weiter in die Tiefe gehen. Wenn der historische Zeitraum der Quellenherkunft feststeht, kann versucht werden, den Urheber und vielleicht auch den Entstehungsort des Textes herauszufinden:

  • Wie drückt sich der Textschreiber aus, sachlich oder leidenschaftlich?
  • Welche Worte werden benutzt?
  • Ist die Handschrift sauber und ordentlich?
  • Gehörte der Autor der Oberschicht an?
  • An wen war der Text gerichtet und welches Anliegen verfolgt der Autor?
  • Wie genau lautet der Inhalt des Textes?
  • Handelt es sich um eine Primärquelle oder um eine Sekundärquelle?
  • Ist der Text vielleicht die Abschrift einer Originalquelle?

Bevor diese Fragen nicht beantwortet sind, ist eine Quelle nutzlos. Denn Geschichtswissenschaftlern stehen normalerweise keine Zeitzeugen zur Verfügung, die sie über einen bestimmten Sachverhalt befragen könnten. Sie sind voll und ganz auf historische Quellen angewiesen, die zwar aus sich heraus „sprechen“, deren „Sprache“ aber zunächst akribisch entschlüsselt werden muss, bevor sie als „Zeitzeugen“ verwendet werden können. Eine ordentliche Quellenanalyse ist das A und O seriöser wissenschaftlicher Arbeit.

Nur unseriöse „Forscher“ verwenden eine Quelle, ohne sie zuvor zu analysieren. Es gibt leider genügend Beispiele für eine solche unwissenschaftliche Vorgehensweise, beispielsweise wenn beliebige Hinterlassenschaften vergangener Hochkulturen als Belege für die Existenz einer antiken Raumfahrt herangezogen werden. Pseudowissenschaftler verzichten auf Quellenanalysen. Sie bedienen sich querbeet aus allen Epochen und von allen Kulturen, um ihre Behauptungen wie auch immer geartet zu untermauern.

Die Analyse des Inhalts (Kerngeschäft)

Der wichtigste Teil der Quellenanalyse ist, die Kernaussage einer Quelle zu erarbeiten. Wenn die formale Untersuchung abgeschlossen ist, geht es also ans Inhaltliche. Nun geht es um Fragen wie:

  • Welches sind die zentralen Gedanken des Textes?
  • Gibt es Schlüsselwörter?
  • Gibt es Stilmerkmale und Stilmittel?
  • Können die Aussagen des Textes historisch belegt werden?
  • Wie ist die Quelle inhaltlich einzuordnen?

Es geht darum, die Motivation herauszufinden, die der Grund für die Niederschrift des Textes war. Handelt es sich um einen Verwaltungstext, um einen Liebesbrief, eine politische Rede oder um eine Kriegsberichterstattung? Je nach der Art des Textes, muss anders an seine Analyse herangegangen werden. Politische Reden können nach ihrem Wahrheitsgehalt untersucht werden. Ein Liebesbrief gibt vielleicht Aufschluss über gesellschaftliche Konventionen. Ein Kriegsbericht liest sich immer wieder anders, je nachdem ob er von einem neutralen Beobachter, aus der Sicht des Angegriffenen oder des Angreifers, des Siegers oder des Unterlegenen geschrieben wurde. Er liest sich auch anders, wenn er an zukünftige Generationen, an den internationalen Gerichtshof oder an die Bevölkerung der einen oder anderen Seite gerichtet ist.

Es geht also nicht nur um den eigentlichen Inhalt, sondern vor allem auch darum, die sprachlichen Mittel zu untersuchen, mit denen eine bestimmte Wirkung erreicht werden soll. Ein sprachliches Mittel kann ein bestimmter Stil sein, eine bestimmte Wortwahl und vieles mehr. Alles muss unter Berücksichtigung der jeweiligen historischen Umstände analysiert werden. Eventuell war ein bestimmter Stil in der Entstehungszeit üblich. Blumige Liebesbriefe wirken in heutiger Zeit vielleicht gekünstelt, in früherer Zeit waren sie aber normal.

Entscheidend bei der Quellenanalyse ist ihre Objektivität. Die Untersuchung, die Ergebnisse und die sich daraus ergebenden Schlüsse müssen sich auf die reinen Fakten beschränken. Eine Analyse ist keine Interpretation!

Warum ist eine Quellenanalyse in der Geschichtswissenschaft notwendig

Das Ziel der Quellenanalyse ist, die Quelle anhand der Analyseergebnisse sachlich und objektiv zu beurteilen und zusammenfassend zu bewerten. Dazu ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Untersuchung notwendig. Es geht dabei nicht um die Interpretation des Textes und darum, was er „eigentlich“ sagen will. Es geht um Feststellungen darüber, was konkret festgehalten wurde und wie diese Fakten einzuschätzen sind. Abschließende zu beantwortende Fragen könnten sein:

  • Wer war der Verfasser des Textes?
  • An wen war der Text gerichtet?
  • Ist der Text unter Berücksichtigung seines historischen Hintergrunds angemessen, zutreffend, kritisch oder eher übertrieben formuliert?
  • Welchen Aussagewert hat die Quelle?
  • Ist die Quelle historisch relevant?

Die Beurteilung der Quelle muss sachlich begründet werden. Eben dazu dienen die Analyseergebnisse. Bei einer Bewertung der Quelle muss klar erkennbar sein, dass an dieser Stelle die rein sachliche und objektive Ebene verlassen wird.

Ohne eine Quellenanalyse ist eine Quelle nicht viel Wert. Jeder Wissenschaftlicher würde sich lächerlich machen, würde er einen Liebesbrief, der die Augen der Geliebten mit blumigen, verträumten und farbenfrohen Worten umschreibt, mit einem medizinischen Text über Augenkrankheiten gleichsetzen oder ihn womöglich dafür halten, weil nie einen Quellenanalyse stattgefunden hat. Die Quellenanalyse ist das A und O einer fundierten wissenschaftlichen Beschäftigung mit einer Primärquelle.

Wie wird eine Quellenanalyse durchgeführt

Die Gegenstände der Quellenanalyse sind Information, Herkunft der Quelle, Perspektive, historischer Kontext, Publikum und Motiv.

Information

Unter Information fallen alle Aussagen, die der Quelle entnommen werden können. Dies können explizite und implizite Aussagen sein. Explizite Aussagen sind alle Inhalte, die die Quelle offen anspricht. Implizite Aussagen sind die versteckten Botschaften, die man zwischen den Zeilen herauslesen kann.

Zur Untersuchung des Inhaltes gehört auch die Frage, ob die Aussagen der Quelle durch andere Quellen bestätigt oder widerlegt werden. Eine Quelle, die durch andere Quellen widerlegt wird, ist allerdings nicht automatisch nutzlos. Im Gegenteil. Gerade die Tatsache, dass der Autor wissentlich oder unwissentlich falsche Angaben macht, kann für den Historiker aufschlussreich sein.

Herkunft

Zur Untersuchung der Herkunft der Quelle gehören Nachforschungen zum Autor wie zur Quellenart.
Wer war der Autor? Wen hat er gekannt? Was hat er erlebt? In welchen Verhältnissen hat er gelebt?
Um was für einen Text handelt es sich? Eine Urkunde? Ein Tagebuch? Einen Brief? Viele andere Textarten sind denkbar. Ähnliche Fragen lassen sich an materielle Quellen wie Gebäude, Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände stellen.
Sie leiten über zu den folgenden Gegenständen, die von der Quellenanalyse untersucht werden.

Perspektive

Die Sicht des Autors auf die Ereignisse bestimmt seine Schilderung. Eine Bewertung der Demokratie wird sich stark unterscheiden, je nachdem ob ein Befürworter oder Gegner dieser Regierungsform spricht.

Kontext

Vieles vom historischen Kontext wird schon bei den Überlegungen zum Autor aufgedeckt. Doch stellen diese Erkenntnisse nur einen Ausschnitt der geschichtlichen Dimension dar, die die Entstehung der Quelle beeinflusst hat. Der Historiker kann im Rückblick Zusammenhänge zwischen der Zeit des Autors und der Zeit zuvor und der Zeit danach erkennen. So kann er Einflüsse vergangener Ereignisse auf die Entstehung der Quelle erkennen. Oder den Einfluss der Quelle auf künftige Ereignisse.

Durch die Untersuchung des historischen Kontextes macht sich der Historiker aber auch den Unterschied zur eigenen Zeit bewusst. Dies verhindert, dass er die falschen Fragen stellt. Die Frage etwa, ob Gladiatorenspiele moralisch vertretbar sind, hat für den Großteil der antiken Autoren keine Rolle gespielt.

Publikum

Das Publikum hat mehr Einfluss auf die Aussagen einer Quelle als Du vielleicht vermutest. So äußert sich ein Autor offener in einem Tagebuch als in einer Lobeshymne an den Herrscher. Ein Fachmann wird sein Thema gegenüber einem Laien nicht so detailliert darstellen wie gegenüber anderen Fachleuten.

Motiv

Eng mit der Frage nach dem Publikum verbunden ist die Frage nach dem Motiv. Hier klärt der Historiker, welche Wirkung der Autor mit seinem Werk erreichen wollte. Dies hat großen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen. Wer sein Volk zum Krieg bewegen möchte, wird die Stärken eines überlegenen Gegners nicht im Detail schildern.

Die Quellenanalyse deckt also die Entstehungsbedingungen der Quelle auf. Sie untersucht dazu alle Umstände, die direkt oder indirekt Einfluss genommen haben könnten. Dies erfordert historische Nachforschungen, die über die Quelle selbst hinausgehen. Z. B. zu Ereignissen vor der Entstehungszeit oder allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen zu dieser Zeit. Vor deren Hintergrund werden dann die Einflüsse auf die Quelle analysiert.

Quellenanalyse: Die schriftliche Darstellung

Die Ergebnisse der Quellenanalyse müssen schriftlich festgehalten werden. Dies geschieht in der schriftlichen Quellenanalyse. Es handelt sich dabei um eine Aufsatzform. Diese muss verschiedene Vorgaben erfüllen. So gliedert sie sich notwendig in Einleitung, Hauptteil und Schluss. Diese Teile wiederum müssen bestimmte Inhalte aufweisen.

Einleitung

In die Einleitung gehören Angaben zu:

  • Autor
  • Titel
  • Datum und Ort der Veröffentlichung
  • Textart (Tagebuch, Brief, Urkunde etc.)
  • Publikum
  • Motiv
  • Quellenart (Primärquelle oder Sekundärquelle)
  • Thema

An dieser Stelle beschränkst Du Dich auf die Benennung dieser Inhalte. Ihre Analyse erfolgt im Hauptteil.

Hauptteil

Der Hauptteil gliedert sich in:

  • Inhaltsangabe:
    Hier fasst Du die Aussagen des Textes kurz zusammen.
  • Analyse:
    Hier untersuchst Du den Text, indem Du Fragen zu verschiedenen Aspekten der Quelle stellst:

    • Argumentation
    • Einsatz der Sprache (rhetorische Mittel, Schlüsselbegriffe, Wortwahl, etc.)
    • Sprachstil (gehoben, umgangssprachlich, Fachsprache, etc.)
  • Historischer Kontext:
    Hier ordnest Du die Quelle in das Geflecht von Personen und Ereignissen ein. Du fragst nach Ursachen, Auslösern, Wirkungen und Folgen. Dabei unterscheidest Du zwischen:

    • innerem historischen Kontext: Kontext zum Entstehungszeitpunkt der Quelle;
    • äußerem historischen Kontext: Kontext vor und nach dem Entstehungszeitpunkt der Quelle;

Schluss

Der Schluss der Quellenanalyse fasst die Ergebnisse der Analyse so zusammen, dass sie für die Quelleninterpretation bereit stehen. Diese wird nach Nützlichkeit der Quelle für die Fragestellung des Historikers fragen. Falls dies bejaht wird, fragt die Quelleninterpretation weiter nach der Zuverlässigkeit der Quelle. Zum Schluss der Analyse urteilst Du daher darüber,

  • wie gut die Quelle die Sache erhellt;
  • wie wichtig die Quelle für die Geschehnisse ihrer Zeit ist;
  • wie wichtig die Quelle mit Bezug auf die Gegenwart ist;
  • wie nützlich die Quelle für die Rekonstruktion der Vergangenheit ist;
  • wie zuverlässig die daraus gewonnen Informationen sind;

Du beschließt Deine Quellenanalyse mit einer persönlichen Stellungnahme. Eine Quellenanalyse erfordert also erst das Nachdenken, dann das Schreiben über die Quelle. Für beides gibt es strenge Vorgaben.

Was ist der Unterschied zwischen Quellenanalyse und Quellenkritik

Der Unterschied zwischen Quellenanalyse und Quellenkritik besteht in Umfang und Reichweite. Die Quellenanalyse stellt fest, warum die Quelle ist, wie sie ist. Sie trägt damit zu einem umfassenden und kritischen Verständnis der Quelle bei. Die Quellenanalyse ist der erste von zwei Schritten der Quellenkritik. Auf ihr baut der zweite Schritt auf, die Quelleninterpretation. Diese beantwortet die eigentliche Frage der Quellenkritik nach Nützlichkeit und Verlässlichkeit der Quelle. Erst nach Beantwortung dieser Frage kann der Historiker die Quelle benutzen, um Antworten auf seine Fragen zur Vergangenheit zu finden.


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