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Quellenkritik


Quellenkritik ist eine Methode der Geschichtswissenschaft, um die Korrektheit einer Geschichtsquelle zu prüfen. Dabei werden die Motive des Quellenautors bzw. -herstellers, unter Betrachtung der Geschichtsepoche und deren Ereignissen, hinterfragt und geprüft.

Was bedeutet Quellenkritik

Quellenkritik ist ein Verfahren zur Beurteilung historischer Quellen. Die Quellenkritik beantwortet die Frage nach der Nützlichkeit, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Quelle für die Frage des Historikers. Erst nach Durchführung der Quellenkritik kann der Historiker die Quelle zur Rekonstruktion der Vergangenheit heranziehen.

Um die Bedeutung von Quellenkritik zu verstehen, muss zunächst geklärt werden, was eine „Quelle“ ist und was Quellenkritik genau meint. Eine Quelle ist der direkte Ursprung einer bestimmten Information. Eine Quelle kann eine konkrete Stelle sein, ein Objekt oder eine Person. Von ihr geht eine besondere Information aus. Quellenkritik ist ein kritisches, dabei aber methodisches Herangehen an eine Quelle, um deren Echtheit und Informationswert zu überprüfen.

Es gibt im Deutschen auch Redewendung zum Thema: Zum Beispiel „sitzt jemand an der Quelle von etwas“ oder wird als eine „zuverlässige Quelle“ für bestimmte Tipps bezeichnet. Ebenso wie wir wissen möchten, mit wem wir es zu haben und ob unsere Informationsquelle wirklich zuverlässig ist oder ob sie uns vielleicht nur manipulieren möchte, sind diese Fragen auch in der Wissenschaft von außerordentlich hoher Wichtigkeit. Ohne Gewissheit nützt die interessanteste Information nichts. Wer setzt schon viel auf einen Tipp, wenn er der Quelle nicht vertrauen kann?

Es sind vor allem die Geschichtswissenschaften, deren Arbeitsgrundlage Quellen sind. Die Rede ist von Geschichtsquellen, ohne die es kein Wissen über die Vergangenheit geben kann. Alle schriftlichen und materiellen Originalquellen ermöglichen wertvolle Einblicke in die Geschichte. Diese Quellen werden bei Ausgrabungen entdeckt, aber auch in Archiven von Klöstern, in Bibliotheken von Universitäten, in Lagerräumen von Museen oder in Nachlässen von Privatpersonen.

Es gibt weltweit eine unüberschaubare Menge an Material, die darauf wartet, entschlüsselt und bearbeitet zu werden. Doch bevor das möglich ist, muss jedes Fundstück und jedes Schriftstück oder jedes Teil eines Schriftstücks auf seine Echtheit hin überprüft werden. Denn eine Quelle kann nur dann als solche herangezogen werden, wenn sie nachweislich echt. Erst danach beginnt die eigentliche Arbeit mit einer Quelle, beispielsweise:

  • Woher stammt sie?
  • Wie alt ist sie?
  • Von wem stammt sie?
  • Wen wollte sie erreichen?
  • Aus welchem sozialen Kontext stammt sie?
  • Gibt es gesellschaftliche Zusammenhänge, die sich aus der Quelle, ihrer Fundsituation und ihren Informationen, die sie liefert, erschließen lassen?

Ein Dachbodenfund kann noch so aufregend sein. Wenn seine Herkunft nicht gesichert ist, ist er wissenschaftlich gesehen nutzlos und nur noch ein Fall für „Bares für Rares“. Wenn aber nachgewiesen werden kann, dass der Fund aus dem Nachlass eines Seemanns stammt, der zu einer bestimmten Zeit auf einer bestimmten Route gefahren ist und das Stück als Andenken mitgebracht hat, ist es schon besser. Wenn dann herausgefunden werden kann, dass das Stück aus einer bestimmten Region und einer bestimmten Zeit stammt, kann der Dachbodenfund wissenschaftlich eingeordnet und bearbeitet werden.

Originalquellen müssen von den Forschern zunächst für ihre eigenen Fragestellungen nutzbar gemacht werden. Denn schließlich sollen die Quellen historische Sachverhalten klären helfen. Die Fähigkeit, Originalquellen erkennen und erschließen zu können, unterscheidet die Forschung vom laienhaften Geschichtsinteresse.

Als Beispiel sollen die sogenannten Schrumpfköpfe dienen, die Tsantsas aus Südamerika. Sie waren im 19. und 20. Jahrhundert beliebte Mitbringsel von Seeleuten und landeten bei privaten Sammlern, in Kuriositätenläden und in völkerkundlichen Ausstellungen – ohne Hinweise auf ihre Herkunft, ihre Herstellung, ihres Alters oder ihre Funktion.

Sehr viel später, nach dem Ersten Weltkrieg, begaben sich Ethnologen auf Spurensuche. Nach und nach konnten echte von falschen Tsantsas unterschieden und viele offenen Fragen geklärt werden, auch vor Ort. Heute können Forscher einen Tsantsa in seinem rituellen Kontext verstehen und damit beispielsweise Rückschlüsse auf den Glauben der Kopfjäger im Amazonasbecken des 19. Jahrhunderts ziehen.

Was ist quellenkritisches Vorgehen

Ein quellenkritisches Vorgehen bedeutet, eine Quelle nicht einfach ungeprüft zu akzeptieren. Es gibt eine sogenannte äußere Quellenkritik, bei der es darum geht, die Echtheit einer Quelle zu überprüfen. Bei der inneren Quellenkritik geht es um den eigentlichen Informationswert der Quelle. Dabei sind Primärquellen von Sekundärquellen zu unterscheiden. Letztere liefern lediglich indirekte Informationen. Ein Augenzeugenbericht beispielsweise ist eine Primärquelle. Eine späteres Protokoll der Untersuchung des Geschehens ist eine Sekundärquelle.

Schriftliche Quellen sind nicht prinzipiell informativer als andere. Wenn an einem altägyptischen Tempel der König zu sehen ist, wie er Feinde an ihren Haaren packt und erschlägt, dann ist dieses Bild auch ohne schriftliche Erklärung aussagekräftig. Es zeigt: Der König ist mächtig, denn er besiegt alle Gegner und es gibt keine Gnade. Die Fragen, die sich heutige Forscher dazu stellen müssen, lauten beispielsweise:

  • Um welchen König handelt es sich?
  • Wer konnte diese Darstellungen sehen und an wen waren sie also gerichtet?
  • Handelte es sich um ein konkretes Ereignis, das abgebildet wurde?

Schriftliche Hinterlassenschaften, sofern sie lesbar sind, erscheinen nur auf den ersten Blick einfacher zu interpretieren. Die Fragen an schriftliche Quellen sind im Prinzip die gleichen wie an schriftlose: Von wem stammt der Text, wer war der Autor oder der Auftraggeber? Was beinhaltet er? An wen war er adressiert? Ist er manipulativ oder sachlich formuliert? Handelt es sich um eine Selbstdarstellung oder um eine Fremddarstellung?

Letztendlich ist klar, dass keine Quelle ungeprüft als wahr, sachlich und objektiv angesehen werden darf. Sie müssen grundsätzlich mit Vorsicht interpretiert werden. Bilder waren schon immer mächtige Propaganda-Werkzeuge – in schriftlosen Kulturen ebenso wie in unserer modernen Gesellschaft. Die Schrift hingegen ist nur gebildeten Menschen zugänglich. Wer nicht lesen und schreiben kann, kann mit schriftlichen Informationen wenig anfangen. Deswegen sind schriftliche Quellen sehr genau zu hinterfragen, gerade wenn sie aus früher Zeit stammen, als Bildung nur einer Elite zugänglich war: Von wem stammen sie und an wen waren sie gerichtet?

Wozu braucht man eine Quellenkritik

Eine Quelle ist alles, was der Historiker zur Vergangenheit befragt. Das macht Sinn bei Dingen aus der zu erforschenden Zeit (Primärquellen, z.B. Augenzeugenberichte). Aber auch Berichte über andere Quellen sind Quellen (Sekundärquellen, z.B. ein Renaissance-Bild, das eine antike Statue zeigt). Quellen können Texte sein ( z. B. Tagebücher, Urkunden, Briefe) oder materielle Hinterlassenschaften (wie Gebäude, Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände).

Warum ist Quellenkritik wichtig für die Geschichte als Wissenschaft

Quellenkritik ist deswegen so wichtig, weil Menschen nichts ohne Grund tun. Selbst wenn sie sich noch so sehr bemühen, objektiv zu sein, steckt dahinter ein subjektiver Grund. Das herauszufinden, ist die Aufgabe der Wissenschaftler, die sich bei ihren Forschungen auf bestimmte Quellen beziehen.

Ein berühmtes Beispiel einer nicht erfolgten Quellenkritik waren die sogenannten Hitler-Tagebücher, die 1983 vom Nachrichtenmagazin „Stern“ veröffentlicht wurden. Sie stellten sich kurze Zeit später als Fälschungen heraus. Da war der Schaden aber schon angerichtet. Noch heute wird behauptet, mit den Tagebüchern sollte in der Öffentlichkeit ein neues, positives Hitler-Bild geschaffen werden.

Es sollte also nicht alleine die Aufgabe von Forschern sein, sich um die Authentizität und Intention, also um die Echtheit und die Absicht einer Quelle zu kümmern. In unserer heutigen, digitalisierten Zeit ist es geradezu eine Mode geworden, Informationen aus dem Internet zu übernehmen, ohne zu recherchieren, welche Quellen sich hinter diesen Informationen verbergen. Es geht um „Fake News“, aber auch um Werbung. Wer verbreitet sie und aus welcher Motivation heraus? Auch hier ist Quellenkritik gefragt!

Wie lässt sich eine Quellenkritik schreiben

Eine Quellenkritik erfolgt in zwei Schritten. Der erste Schritt ist die Quellenanalyse. Der zweite Schritt ist die Quelleninterpretation. Am Ende der Quellenkritik steht die Erkenntnis, ob und in welchem Ausmaß die Quelle für die Fragestellung des Historikers Auskunft gibt.

Unterscheidung nach äußerer und innerer Quellenkritik

Da der Gegenstand der Quellenkritik es ist, herauszufinden, unter welchen Umständen eine Quelle entstand – muss das Äußere der Quelle als auch das Innere bzw. die Qualität der Quelle betrachtet werden.

äußere Quellenkritik

Im Rahmen einer Ganzheitlichkeit betrachtet und untersucht die äußere Quellenkritik die physische Gestalt einer Quelle, also deren Beschaffenheit, das Material, aus dem sie besteht bzw. angefertigt wurde oder den Aufbewahrungsort. Bei Textquellen werden zudem Wortwahl, Schreibstil, Rhetorik und Dialektik betrachtet.

Die Vorgehensweise ermöglicht zu erfahren, wie und unter welchen Umständen, die Quelle entstand. Dadurch soll es möglich sein, den Erschaffungsakt zu rekonstruieren und so die Beweggründe des Erschaffers zu ergründen. Die äußere Quellenkritik dient primär einer Prüfung auf Echtheit einer Quelle. Bei der Prüfung gilt es vier Aspekte einzubeziehen.

  • Formkritik
  • Inhaltskritik
  • Milieukritik
  • Fälschungskritik

Diese vier Grundfragen, welche man sich im Rahmen einer äußeren Quellenkritik stellen muss, wurden durch den deutschen Historiker Ernst Bernheim aufgestellt und in seinem Werk „Einleitung in die Geschichtswissenschaft“ veröffentlicht.

äußere Formkritik einer Quelle

Bei der äußeren Quellenkritik und der Prüfung auf Echtheit sollte man sich die Frage stellen, ob die äußere Form der Quelle einen Hinweis auf Echtheit liefert. Denn zum Untersuchungsobjekt sind weitere Eigenschaften bekannt. Die Quelle wurde irgendwo gefunden (Fundort, Ausgrabungsort), wurde von irgendjemanden verfasst oder hergestellt, kann einer bestimmten Zeit oder Epoche zugeordnet werden.

Im Rahmen der äußeren Quellenkritik stellt sich nun die Frage, ob die untersuchte Quelle in ihrer Form, Materialwahl, Textwahl usw. zu bisher gefundenen Quellen der gleichen Zeit, des gleichen Ortes und der selben Kultur passt. Gibt es Ähnlichkeiten oder passt die untersuchte Quelle in ihrer Form und Beschaffenheit nicht zu den übrigen Quellen, deren Echtheit als bestätigt gilt. Äußerliche Merkmale, wie die Form, das Material oder die Wortwahl sind somit Echtheitshinweise.

Die im Jahr 1983 veröffentlichten Hitler-Tagebücher konnten als Fälschung enttarnt werden, indem man nachwies- dass das verwendete Papier und die Bindung aus Materialien hergestellt worden, welche vor 1945 nicht verfügbar waren.

Inhaltskritik der Quelle

Auch der Inhalt einer Quelle wird bei der äußeren Quellenkritik betrachtet. Man stellt sich die Frage, ob der Inhalt mit dem übereinstimmt bzw. zusammenpasst, was bisher aus anderen sicheren Quellen dieser Zeit, Kultur, Ortes usw. bekannt ist.

Milieukritik einer Quelle

Nachdem Inhalt und Form kritisch untersucht wurden, werden beide zusammen betrachtet, um weitere Echtheitshinweise zu ergründen. Man stellt sich die Frage, ob Inhalt, Form und Beschaffenheit in das Milieu passen, in welchem die Quelle zugeordnet wird. Denn es kann durchaus möglich sein, dass die einzelnen Aspekte (Inhalt oder Form) stimmig wirken, aber als Einheit nicht in das Gesamtbild anderer sicherer Quellen passen.

Fälschungskritik einer Quelle

Zur äußeren Quellenkritik gehört es auch, Anhaltspunkte einer Fälschung zu finden. Man stellt sich dabei die Frage, ob die Quelle irgendwelche Spuren von Künstlichkeit in sich trägt. Auch der Übermittlungsweg bzw. wie die Quelle gefunden wurde, können seltsam sein.

Innere Quellenkritik

Bei der inneren Quellenkritik werden lediglich Informationen betrachtet, welche die Quelle primär preisgibt und auch sekundär übermittelt. Diese Informationen können der Name des Autors sein, seine Nähe zu den Geschehnissen, seine Objektivität und Intentionen. Hat man diese Informationen ermittelt, erfolgt eine Plausibilitätsprüfung, indem die gefundenen bzw. ermittelten Daten mit den Informationen von bisherigen sicheren Quellen aus der gleichen Zeit und dem gleichen Ort abgeglichen werden. Laut Ernst Bernheim erfolgt die innere Quellenkritik in 8 Schritten:

  1. Fälschung und Verkennung der Quellen, Interpolation […]
  2. Entstehungsort und -zeit der Quellen […]
  3. Bestimmung des Autors […]
  4. Quellenanalyse […]
  5. Rezension und Edition der Quellen […]
  6. Prüfung der Zuverlässigkeit […]
  7. Feststellung der Tatsachen […]
  8. Ordnung der Daten nach Thema, Zeit, Ort […].“

Echtheitskritik bei Textquellen

Bei Textquellen wird die Echtheitskritik durch einen Abgleich der Worte auf sprachgeschichtlicher und auf stilkritischer Ebene vollzogen. Denn viele Worte durchliefen im Laufe ihrer Sprachgeschichte einen Wandel in ihrer Bedeutung. Dieser Wandel kann regional, aber auch überregional vollzogen worden sein. Deshalb muss das geschriebene Wort in den zeitlichen, sowie in den örtlich kulturellen Kontext passen – damit Echtheit festgestellt werden kann.

Ein berühmtes Beispiel ist die Fassung der Konstantinischen Schenkung (800 n.Chr.), in welcher Konstantin der Große die Hälfte des Reiches an den Papst verschenkt haben soll. Der italienische Humanist Lorenzo Valla wies im Jahr 1440 nach, dass das verwendete Vokabular der Schenkungsurkunde nicht in die Zeit um 800 n.Chr. passt.

Schritt 1: Die Quellenanalyse als erster Bestandteil der Quellenkritik

(siehe auch Hauptartikel zur Quellenanalyse)
Die Quellenanalyse beantwortet die Frage, warum die Quelle so ist, wie sie ist. Sie beleuchtet die Entstehungsbedingungen der Quelle. Dazu blickt sie auf folgende Aspekte:

  • Information: Welche expliziten (offenen) und impliziten (versteckten) Aussagen enthält die Quelle? Werden diese durch andere Quellen bestätigt oder widerlegt?
  • Herkunft: Wer ist der Autor der Quelle? Um welche Quellenart handelt es sich?
  • Perspektive: Welche Sichtweise auf die Ereignisse hat der Autor?
  • Kontext: Welche historischen Ereignisse und Personen beeinflussten die Entstehung der Quelle?
  • Publikum: An wen richtete der Autor sein Werk?
  • Motiv: Was wollte der Autor mit seinem Werk erreichen?

Die Antwort auf diese Fragen ermöglicht ein grundlegendes Verständnis des Textes (oder jeder anderen Quellenform). Je nach Textart kann es von entscheidender Bedeutung sein, zwischen den Zeilen zu lesen.

Die Frage, ob andere Quellen die vorliegende Quelle bestätigen oder widerlegen, entscheidet über die Glaubwürdigkeit der Quelle. Allerdings ist eine widerlegte Quelle nicht automatisch nutzlos. Gerade der Widerspruch zu anderen Quellen kann vieles über den Autor und seine Intentionen aussagen. Das wiederum kann wichtig sein für die Fragestellung des Historikers.

Überhaupt erhellt alles, was den Autor betrifft, das Verständnis seines Textes. Welche Ereignisse hat er miterlebt? Welche Personen hat er gekannt? Welche Dinge hat er nicht gewusst? Diese Informationen sind wichtig für ein richtiges Verständnis und eine Bewertung seiner Aussagen.

Gleiches gilt für die Textart. Denn ein Tagebucheintrag ist offener als eine Lobeshymne an den Herrscher. Die Sichtweise des Autors auf die Ereignisse ist ebenfalls wichtig. Eine Bewertung der Monarchie aus der Feder eines Befürworters wird ganz anders ausfallen als das Urteil eines Gegners.

Der Kontext ist das Geflecht aus Personen und Ereignissen, die die Entstehung der Quelle beeinflusst haben. Vieles davon wird schon durch die Untersuchungen zum Autor aufgedeckt. Doch der Kontext geht darüber weit hinaus. Rückblickend kann der Historiker weitere Regionen in den Blick nehmen. Er weiß außerdem von Dingen, die sich vor und nach der Zeit des Autors ereignet haben.

Das erlaubt eine Sicht auf die Entstehungsbedingungen (und Auswirkungen) der Quelle, die dem Autor selbst nicht zugänglich war. Auf diese Weise kann die Quelle etwa zur Beantwortung von Fragen beitragen, die auf eine Zeit nach ihrer Entstehung zielen. Auch wenn dies offensichtlich nicht die Absicht des Autors gewesen sein kann.

Es ist umgekehrt auch wichtig, dass der Historiker die Entstehungszeit im Unterschied zu den anderen Zeiten versteht. Insbesondere muss er vermeiden, heutige Wertvorstellungen an die Quelle heranzutragen, wenn zu ihrer Entstehungszeit andere Werte galten. Gladiatorenspiele würden wir heute vermutlich ablehnen. Im alten Rom jedoch waren sie ein beliebter Zeitvertreib und ein wichtiges Instrument der Politik.

Der Historiker muss sich bewusst machen, an wen sich die Quelle richtet. In einem Brief an einen Freund sind offenere Worte zu erwarten als in einer Eingabe an den Herrscher. Die Informationen sind also mit dem Adressaten im Kopf zu lesen.

Was direkt zum Motiv führt. Was wollte der Autor mit seinem Text erreichen? In einer Propagandaschrift, die zur Kriegsteilnahme aufruft, wird man kaum eine Darstellung der Schrecken des Krieges finden. Wer also zu der Frage forscht, wie eine bestimmte Zeit die Schrecken des Krieges wahrnahm, wird diese Quelle nur bedingt nützlich finden.

Die Frage aber nach der Nützlichkeit, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der in der Analyse gewonnen Informationen wird in der Quelleninterpretation beantwortet.

Schritt 2: Die Quelleninterpretation innerhalb der Quellenkritik

(siehe auch Hauptartikel zur Quelleninterpretation)

Der zweite Schritt der Quellenkritik ist die Quelleninterpretation. Sie beantwortet die Frage nach der Nützlichkeit, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Quelle. Sie nutzt dazu die Erkenntnisse der Quellenanalyse.

Die Quelleninterpretation erfolgt in zwei Schritten. Zuerst wird ein Urteil über die Nützlichkeit der Quelle getroffen. Danach wird entschieden, ob die für nützlich befundene Quelle auch zuverlässig ist. Denn nur dann kann sie auch genutzt werden.

Die Nützlichkeit der Quelle wird folgendermaßen festgestellt:

  • Es wird ein Urteil über die Nützlichkeit gefällt.
  • Es wird der Bezug zur Fragestellung aufgezeigt.
  • Dieser Bezug wird mit Belegen aus der Quelle nachgewiesen.

Die Belege liefert die Quellenanalyse aus Schritt 1. Und die Zuverlässigkeit der Quelle wird wie folgt festgestellt:

  • Es wird eine Entscheidung über die Zuverlässigkeit getroffen.
  • Diese Entscheidung wird mit den Ergebnissen der Quellenanalyse begründet.

Für die Begründung müssen die einzelnen Ergebnisse der Quellenanalyse auf ihre Zuverlässigkeit befragt werden.

  • Handelt es sich z. B. um einen Fachtext, von dem man korrekte Informationen erwarten darf?
  • Ist der Autor etwa ein Augenzeuge?
  • Verspricht die Textart eine offene und ehrliche Darstellung, z. B. ein Tagebucheintrag?
  • Beleuchtet die Perspektive des Autors die Dinge besonders deutlich, ist er z. B. ein Experte auf dem behandelten Gebiet?
  • Stammt die Quelle vielleicht vom Tag des Ereignisses oder berichtet sie aus großem Abstand?
  • Hätte das Publikum Fehlinformationen sofort erkannt? Darf man also erwarten, dass der Autor sich um Korrektheit bemüht hat?
  • War es etwa das Ziel des Autors, die Dinge detailgetreu festzuhalten, z. B. in einer Gerichtsakte?

Mit dem Urteil der Quelleninterpretation über Nützlichkeit und Nutzbarkeit, also Zuverlässigkeit der Quelle, ist der Zweck der Quellenkritik erfüllt. Der Historiker kann nun mithilfe der Quelle seine Frage zur Vergangenheit beantworten. Dabei stützt er sich auf das Wissen, das er mithilfe der Quellenkritik gewonnen hat.

Literatur

  • Stefan Jordan: Lexikon Geschichtswissenschaft: Hundert Grundbegriffe, Reclams Universal-Bibliothek, ISBN 3150005035*
  • Stefan Jordan: Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft, utb-Verlag, ISBN 3825250059*
  • Friederike Neumann: Schreiben im Geschichtsstudium, utb-Verlag, ISBN 3825248437*
  • Stefan Jordan: Einführung in das Geschichtsstudium, Reclam Verlag, ISBN 3150194954*

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