Quelleninterpretation
Die Quelleninterpretation stellt fest, welche Erkenntnisse aus einer historischen Quelle gewonnen werden können. Dabei stützt sich die Interpretation auf die Aussagen der Quellenanalyse und leitet explizite oder implizite Informationen ab. Diese lässt sie dann in die Quellenkritik einfließen.
Inhalt
Wie wird eine Quelleninterpretation durchgeführt
Quellenschau
Eine Quelle ist alles, was zur Vergangenheit befragt werden kann. Es gibt Primärquellen, die aus der zu erforschenden Zeit selbst stammen. Am besten von Augenzeugen. Und es gibt Sekundärquellen, die über eine Primärquelle berichten. Z.B. ein Renaissance-Bild, das eine antike Statue zeigt. Oder ein Tagebucheintrag. Quellen können Texte wie Urkunden, Briefe, Tagebücher oder Reiseberichte sein. Zu den Quellen zählen auch materielle Hinterlassenschaften wie Gebäude, Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände.
Die Art, eine Quelle zu „lesen“, ihr also Informationen abzugewinnen, unterscheidet sich je nach Art der Quelle. Immer aber ist eine Quellenkritik der erste Schritt. Und die Quellenkritik besteht immer aus Quellenanalyse und Quelleninterpretation.
Quellenkritik
Historiker benutzen Quellen, um die Vergangenheit zu rekonstruieren. Die Quellenkritik ist ein Verfahren, mit dem sie die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Quelle für ihre spezielle Fragestellung untersuchen. Das ist nötig, um nicht mit falschen Vorstellungen an die Quelle heranzugehen. Sonst trägt man etwa heutige Werte ohne nachzudenken an eine Quelle heran. Zu deren Entstehungszeit galten aber andere Werte.
Ein falsches Verständnis der Quelle würde zu einem falschen Urteil über ihre Nützlichkeit, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit führen. Eine Nutzung der Quelle könnte zu einem falschen Bild von der Vergangenheit führen. Vor der Rekonstruktion steht also ein Urteil über die Nützlichkeit. Davor ein Urteil über Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit. Und davor ein Urteil über das grundlegende Verständnis der Quelle.
Quellenanalyse
(siehe Hauptartikel: Quellenanalyse)
Das grundlegende Verständnis der Quelle ermöglicht die Quellenanalyse. Sie fragt nach der enthaltenen Information. Sowohl der offensichtlichen als auch dem, was zwischen den Zeilen steht.
- Sie prüft auch, ob andere Quellen diese Information bestätigen oder widerlegen.
- Sie stellt Wissen über den Autor und seine Zeit und die Art des Textes (oder Gegenstandes) bereit.
- Sie fragt nach der Perspektive des Autors, also seiner Sicht auf die Dinge. Und wie diese sich in seinem Werk spiegelt.
- Sie untersucht den Kontext, also das Geflecht von Ereignissen und Personen, die einen Einfluss auf die Entstehung der Quelle hatten.
- Sie fragt auch, an wen sich die Quelle ursprünglich richtete (Publikum).
- Und sie fragt nach dem Motiv, also was mit der Quelle erreicht werden sollte.
Dieses umfassende Verständnis ermöglicht erst ein Urteil über Nützlichkeit und Zuverlässigkeit der Quelle.
Quelleninterpretation
Die Quelleninterpretation beantwortet die Frage nach Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Quelle. Von diesen Fragen hängt ab, ob die Quelle für den Historiker nützlich ist oder nicht. Dabei stützt sie sich auf die Quellenanalyse. Sehen wir uns an, wie dies im Einzelnen geschieht.
Über die Nützlichkeit der Quelle für seine Fragestellung urteilt der Historiker wie folgt:
- Er formuliert die Frage, die die Quelle beantworten soll.
- Er formuliert ein Urteil darüber, ob und inwieweit die Quelle diese Frage beantwortet.
- Er begründet sein Urteil mit einer Liste der Informationen aus der Quelle, die dieses Urteil rechtfertigen.
Die Teile der Quelle, die Antwort auf die Frage des Historikers geben, können explizit (also offen) im Text (oder jeder anderen Quellenform) zutage treten. Sie können aber auch impliziter Art sein, sozusagen zwischen den Zeilen versteckte Botschaften. Explizite und implizite Informationen der Quelle stellt die Quellenanalyse zur Verfügung.
Der Historiker hat an diesem Punkt der Quelleninterpretation also festgestellt, dass und welche Teile der Quelle nützliche Informationen für seine Fragestellung liefern. Jetzt muss er sich fragen, ob diese Informationen glaubwürdig und zuverlässig sind.
Über Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Quelle urteilt der Historiker wie folgt:
- Er trifft eine eindeutige Entscheidung über Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit.
- Er begründet seine Entscheidung mithilfe der Ergebnisse der Quellenanalyse.
Die Quelleninterpretation erfordert also eine Auswertung der Quellenanalyse. Dabei stellt der Historiker folgende Fragen an die Ergebnisse der Quellenanalyse:
- Sind die Informationen, die die Quelle liefert (explizit und implizit) nützlich für meine Fragestellung?
- Werden die Informationen der Quelle von anderen Quellen bestätigt oder widerlegt?
Eine widerlegte Quelle ist dabei nicht automatisch nutzlos. Im Gegenteil. Je nach Grund für die Abweichung kann genau diese aufschlussreich sein. - Ist der Autor der Quelle glaubwürdig?
Ein Augenzeuge ist im Allgemeinen glaubwürdiger als jemand, der mit großem zeitlichen Abstand berichtet. - Wie offen und ehrlich sind die Aussagen, die in einer solchen Quelle gemacht werden?
In einem Tagebuch etwa äußert man sich offener als in einer Lobeshymne auf den Herrscher. - Wie wirkt sich die Perspektive des Autors auf seine Glaubwürdigkeit aus?
Ein Befürworter des Krieges wird sicher einen ganz anderen Text über den Krieg hinterlassen als ein Kriegsgegner. - Spricht der Entstehungskontext für eine große Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit?
Manch einer lebt am Puls der Zeit. Ein anderer führt fernab von allen wichtigen Personen und Ereignissen ein zurückgezogenes Leben. - Wieviel Ehrlichkeit und Genauigkeit ist vom Autor gegenüber dem gewählten Publikum zu erwarten?
Gegenüber dem König spricht der Untergebene vermutlich weniger offen als im Kreis der Freunde. - Erfordert die erwünschte Wirkung des Werks, dem Publikum gegenüber offen und ehrlich zu sein? Oder soll es durch Anpassung der Darstellung zu einer bestimmten Reaktion bewegt werden? Eine Gerichtsakte stellt den Verlauf der Dinge anders dar als eine Propagandaschrift.
Unterschied zwischen Quellenkritik, Analyse und Quelleninterpretation
Die Quellenkritik antwortet also auf die Frage nach Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit einer Quelle. Von der Antwort auf diese Frage hängt die Antwort auf die Frage nach der Nützlichkeit der Quelle ab.
Die Quelleninterpretation hat die Aufgabe, diese Fragen zu klären. Sie baut dabei auf den Ergebnissen der Quellenanalyse auf. Diese ist der erste Teil der Quellenkritik. Sie beantwortet die Frage, warum die Quelle so ist wie sie ist. Die Quellenanalyse liefert das Wissen, auf dessen Grundlage die Quelleninterpretation ihr Urteil über die Quelle fällt.
Obwohl Quellenkritik und Quelleninterpretation also beide auf die Frage nach der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Quelle antworten, sind sie also nicht dasselbe. Die Quellenkritik ist ein Verfahren der Quellenuntersuchung, das aus Quellenanalyse und Quelleninterpretation besteht. Die Quelleninterpretation liefert als letzter Schritt die Antwort, die die Quellenkritik sucht.
Wie schreibt man eine Quelleninterpretation im Geschichtsunterricht
Da die Quelleninterpretation ein Teil der Quellenkritik ist, findest du du das Schreiben einer Interpretation im Hauptartikel zur Quellenkritik.