Historischer Roman
Der historische Roman bzw. Geschichtsroman ist ein Erzählwerk, dessen Figuren und Handlung mitunter ausgedacht (fiktional) sind, aber in einen historischen Rahmen eingebettet sind. Anders als in Sachbüchern zur Geschichte oder in Fachmagazinen, besteht in einem historischen Roman kein Anspruch auf historische Belegbarkeit (Historizität).
Inhalt
Was ist ein historischer Roman: Definition und Bedeutung
Der historische Roman ist ein Romantypus mit geschichtlichen Hintergrund, dessen Rahmen dokumentarisch belegt ist. Figuren und einzelne Ereignisse des Romans müssen nicht zwingend historisch sind. Diese können demnach frei erfunden sein.
Welche Merkmale besitzt ein historischer Roman
Der geschichtliche Rahmen eines historisches Romans muss nachvollziehbar sein. Somit kann die Handlung bspw. nicht im Mittelalter spielen und Charaktere aus der Steinzeit treten auf. Dann wäre die Geschichtlichkeit nicht gegeben und der Roman würde als Science-Fiction eingestuft werden. Demnach ist nicht jeder Roman mit historischen Hintergrund, automatisch als historischer Roman zu werten.
Der Autor eines historischen Romans ist stets bemüht, die Geschichte weitestgehend plausibel darzustellen, so dass beim Leser der Eindruck erweckt wird, dass alle Fakten und Inhalte des Romans historisch korrekt sind.
Oftmals sind Herrscher (Könige, Adelige, Priester) in einem historischen Roman nicht erfunden, sondern als historische Figuren belegbar. Der Autor des Romans schreibt um diese Oberschicht eine erfundene Erzählung drumherum und beruft sich dabei auf geschichtliche Fakten und Darstellungsweisen zur Person. So bleibt die Geschichtsdarstellung dieser Person historisch plausibel und nachprüfbar, obwohl die Erzählung um diese Person erfunden ist.
Protagonisten eines historischen Romans gehören normalerweise nicht zur Oberschicht, sondern stehen in irgendeinen Konflikt mit der herrschenden Klasse. Dieser Konflikt äußert sich meist durch Ereignisse, welche erfunden sind und den sozialen Abstieg des Helden einläuten. Um seine Stellung zurückzuerlangen, muss der Held sich oftmals gegen die Oberschicht behaupten.
Wie in jedem anderen Roman auch, erreicht der Autor ein besonders breites Publikum, wenn er die handelnden Personen und deren Persönlichkeit ausgiebig beschreibt (ausmalt). Dies gelingt meistens dadurch, dass man persönliche Beziehungen zwischen den Charakteren ausführlich beschreibt.
Durch die persönlichen Beziehungen untereinander, entsteht beim Leser ein persönlicher Eindruck zur Person und zur Stellung innerhalb des sozialen Gefüges. Die Handlungen der Personen werden über die sozialen Beziehungen auch für den Leser nachvollziehbar und fühlbar. Auf der Gefühlsebene wird der Leser erreicht und nicht auf der Sachebene, was den historischen Roman deutlich von sachlichen Geschichtsbüchern unterscheidet.
Wie heißt der erste historische Roman
Der Begriff des historischen Romans ist seit 1770 lexikalisch belegbar. Erstmals auf dem Titelblatt eines Buches tauchte der Begriff 1794 auf. Der Autor Christian Friedrich Traugott Voigts war ein deutscher Autor der Aufklärung und publizierte anonym sein Werk: „Athelin von Brutthow“. Als Untertitel wählte er erstmals „ein historischer Roman“.
Welche historischen Romane waren bedeutend
Vorangetrieben wurde der historische Roman durch den schottischen Autor Walter Scott (1771 – 1832), welcher mitunter auch als eigentlicher Begründer des Geschichtsromans angeführt wird. Viele seiner Werke wurden zur Vorlage für Filme und Schauspiele. Sein erstes Werk trug den Titel: „Waverley“ und gilt als erster Geschichtsroman im britischen Sprachraum.
Aufgrund der Beliebtheit von Scotts Werken etablierte sich der Begriff des historischen Romans in den 1840-er Jahren, wurde auch als Kulturbild, Zeitgemälde oder Sittenbild bezeichnet. Der historische Roman wurde aber bereits zum Zeitpunkt seiner Entstehung und Verbreitung als Schnittstelle zwischen Geschichte, Literatur (Prosa) und Didaktik angesiedelt.
Zwischen 1848 und 1871 wurde der historische Roman dazu genutzt, um ein Gesinnungsbild für den aufkeimenden Nationalismus zu schaffen. Oftmals wurden Tatsachen und Fiktion derart vermischt, dass der historische Roman unter Literaturkritikern und Geschichtswissenschaftlern seine Legitimation einbüßte.
Zur Popularität des Genres trugen die Werke von:
- Wilhelm Hauff (Lichtenstein, 1826),
- Joseph Victor von Scheffel (Ekkehard, 1855)
- Felix Dahn (Ein Kampf um Rom, 1876)
- Victor Hugo (Der Glöckner von Notre-Dame, 1831)
- Charles Dickens (Eine Geschichte aus zwei Städten, 1859)
- Theodor Fontane (Vor dem Sturm, 1878)
- Leo Tolstoi (Krieg und Frieden, 1867)
- Alexandre Dumas (Die drei Musketiere, 1844) bei
Weitere Beispiele
Autor | Titel | Erscheinungsjahr | ISBN |
---|---|---|---|
Sir Walter Scott | Waverley | 1814 | 014043660X* |
James Fenimore Cooper | Der letzte Mohikaner | 1826 | 3596901014* |
Wilhelm Hauff | Lichtenstein | 1826 | 1482557517* |
Victor Hugo | Der Glöckner von Notre-Dame | 1831 | 979-8628829172* |
Alessandro Manzoni | Die Brautleute | 1842 | 3423130385* |
Alexandre Dumas | Die drei Musketiere | 1843 | 978-3866476172* |
Alexandre Dumas | Der Graf von Monte Christo | 1845 | 978-3866472921* |
Adalbert Stifter | Witiko | 1867 | 978-3849680954* |
Leo Tolstoi | Krieg und Frieden | 1868 | 978-3866471764* |
Felix Dahn | Ein Kampf um Rom | 1876 | 978-3780210791* |
Conrad Ferdinand Meyer | Jürg Jenatsch | 1876 | 978-1482646580* |
Lew Wallace | Ben Hur | 1880 | 3730604104* |
Henryk Sienkiewicz | Quo Vadis | 1895 | 978-3730601082* |
Waleri Brjussow | Der feurige Engel | 1908 | 978-3770125401* |
Sigrid Undset | Kristin Lavranstochter | 1920 | 978-3520623010* |
Franz Werfel | Die vierzig Tage des Musa Dagh | 1933 | 978-3730603437* |
Thomas Mann | Lotte in Weimar | 1939 | 978-3596294329* |
Leo Perutz | Nachts unter der steinernen Brücke | 1953 | 978-3423130257* |
Waldtraut Lewin | Die Ärztin von Lakros | 1977 | 978-3423120234* |
Umberto Eco | Der Name der Rose | 1980 | 978-3423105514* |
Sten Nadolny | Die Entdeckung der Langsamkeit | 1983 | 978-3492207003* |
Noah Gordon | Der Medicus | 1986 | 978-3453471092* |
Gabriel García Márquez | Der General in seinem Labyrinth | 1989 | 978-3596162543* |
Ken Follett | Die Säulen der Erde | 1992 | 978-3404178124* |
Tanja Kinkel | Die Puppenspieler | 1995 | 978-3764506568* |
Donna Woolfolk Cross | Die Päpstin | 1996 | 978-3352009518* |
Rebecca Gablé | Das Lächeln der Fortuna | 2001 | 978-3404189120* |
Rainer M. Schröder | Die Lagune der Galeeren | 2004 | 978-3401502724* |
E. L. Doctorow | Der Marsch | 2005 | 978-3462039177* |
Bernard Cornwell | Das letzte Königreich | 2008 | 978-3499242229* |
Hilary Mantel | Wölfe | 2009 | 978-3832161934* |
Was ist der Unterschied zwischen dem historischen Roman und Geschichte
Der historische Roman dient der Unterhaltung. Historische Fakten werden so dargestellt, dass sich eine Trennung zwischen Gut und Böse ergibt, wodurch der Leser sich mit dem Protagonisten identifiziert und Partei ergreift. Auf historische Quellen greift ein Roman nicht zurück, obwohl die Autoren für den Erzählstoff auch recherchieren mussten.
Ein Sachbuch für Geschichte stellt Fakten dar, baut um historische Personen keinen Kult auf. Stattdessen werden Fakten genannt, Quellen angegeben und es wird auf die Beschreibung von Persönlichkeitsmerkmalen verzichtet. Autoren von Sachbüchern versuchen niemals eine Meinung einfließen zu lassen, da Subjektivität für Wissenschaft unangebracht ist.
In der Geschichtswissenschaft wird der historische Roman, aufgrund der Verzerrung von geschichtlichen Ereignissen, häufig kritisiert.
Literatur
- Hans Vilmar Geppert, Der Historische Roman: Geschichte umerzählt von Walter Scott bis zur Gegenwart, ISBN: 3772083250*
- Stefan Jordan (Hrsg.), Grundbegriffe der Geschichtswissenschaft, ISBN: 978-3150196090*
- Weitere Geschichtsbücher (Sachbücher)>>